aus Kradblatt 07/22 von Günther Kloppert

Polen • Estland • Lettland • Litauen

Nachdem wir bereits in Polen/Masuren mit unseren Hunden die Wälder unsicher machen konnten und es uns richtig Spaß gemacht hatte (siehe www.Kradblatt.de Ausgabe 5/20), beschlossen wir, dass es jetzt ins Baltikum geht. Diesmal ohne Hunde, dafür aber mit einem zweiten Ural- statt dem Jialing-Gespann.

Mit Ural-Gespannen ins Baltikum
Mit Ural-Gespannen ins Baltikum

Auf einem Montag geht es los. Eigentlich wollen wir über die Autobahn und so schnell wie möglich Polen durchfahren aber anderseits, haben wir Zeit und in Polen reizen uns die unbefestigten Straßen, die das Navi immer wieder vorschlägt. Also über Landstraße ab ins Baltikum. Tja, und man muss sagen, je weiter wir in den Osten kommen, desto besser und schöner die Straßen. Die erste Nacht verbringen wir direkt an der Kyritzer-Seenkette oberhalb von Berlin.

Dienstag ist Fahren in Polen angesagt. Blöderweise lotste uns das Navi immer wieder auf Bundesstraßen, kein Fahren auf unbefestigten Wegen. So konnten wir zwar Kilometer machen, aber schön ist was anderes. Wir verbrachten die Nacht in einem Hotel etwas abseits der Bundesstraße. Ganz nett und superbillig.

Solche Wege lieben wir
Solche Wege lieben wir

Kurz vor Warschau ab ins Hotel. Lecker Essen, süffiges Bierchen, duschen und ab ins Bett. Die Sand-, Schotter- und Waldpisten können schon anstrengend sein.

Donnerstag, heute ist Warschau angesagt, wir wollen den einzigen Uralhändler in Polen besuchen. Per Mail haben wir uns auf Mittag verabredet. Irgendwie hat es dann doch nicht geklappt, wenigstens haben wir unseren Aufkleber „Gespannkolchose Norddeutschland“ an sein Schaufenster geklebt. 

Also wieder raus aus Warschau und ab in die Wälder. Was für schöne Wege und das bei allerschönstem Wetter, bis uns eine große dunkle Wolke verfolgte. Wir schafften es gerade noch rechtzeitig in ein Hotel in Ostrołęka. Das Zimmer und Essen waren so gut, dass wir beschlossen hier zwei Nächte zu bleiben.

Tags drauf lassen wir es langsam angehen und erkunden etwas die Gegend – aber was für eine. Das Navi findet Wege die durch Maisfelder führen, das ist wie Verstecken spielen im Maislabyrinth. Es führt uns auch an einsame Seen, ähnlich wie in Masuren. Zwischendurch begegnen uns vereinzelt Motorradfahrer aber bisher kein einziges Gespann.

Abenteuer & Urlaub
Abenteuer & Urlaub

Kurz vor Ełk geht’s für uns am Samstag ab in die hügeligen Masuren und schönen Wälder von Ostmasuren. Die Grenze zu Litauen ist dann auch ruckzuck da, der Grenz­übertritt absolut unproblematisch. 

Litauen ist schon anders als Polen – sind in Polen die meisten Häuser von einem pompösen Zaun umgeben, so gibt es in Litauen nur Häuser und besonders viele Holzhäuser umgeben von Gegend. Wir übernachten in Marijampolė, ein gepflegtes hübsches Städtchen mit schon recht angepassten Euro-Preisen.

Sonntag geht es weiter Richtung Kaunas. Nachdem wir dem Navi unseren Willen aufgezwungen haben, fährt es nur noch Sand-, Feld- und Wiesenwege, durch den Wald und durch Schlammpfützen. So erlebt man Natur pur. Es begegnen einem Rehe, jede Menge Störche, Füchse und sogar Menschen die extra mit ihrem Auto wieder umdrehen um uns während einer Pause, mitten in der Pampa, anzusprechen. Es war ein junger Mann, selbst Biker, der wiederum den Besitzer eines Bikercamps in der Nähe von Vilnius kennt. Ein kurzes Telefonat und der Besitzer des Camps, Laurynas Baltrūnas, zufälligerweise selbst auch Gespannfahrer und Besitzer von einem Winter- und einem Sommergespann, freut sich uns und unsere Urals kennenzulernen.

Bikercamp - Motokempingas Škilietai
Bikercamp – Motokempingas Škilietai

Dort angekommen wurden wir sehr herzlich von seiner Frau empfangen, Laurynas selbst war noch mit einer Gruppe Kindern auf Crossmotorrädern im Wald unterwegs. 

Das „Motokempingas Škilietai“ liegt wunderschön mitten im Wald, vor dem urigen Holzhaus der Familie ein großer See, hinter dem Haus ein großer See und Platz genug zum Campen und Grillen. Es gibt überdachte Grillplätze, eine feldmäßige Dusche mit Vorratsbehälter auf dem Dach und Dixitoiletten. Zusätzlich gibt es ein kleines Sommerhaus mit vier Schlafplätzen. Dort konnten wir dann auch übernachten. 

Mit Ural im Baltikum Erwähnenswert ist, das Laurynas Bikercamp nur vier Kilometer vom Trans European Trail (TET) entfernt liegt. Wer also eine tolle Unterkunft sucht der kann unter www.bikercamp.lt schauen. Nach einem inte­ressanten Abend ging es spät ab ins Sommerhaus.

Am nächsten Morgen wollten wir nach Vilnius in die Altstadt. Wir haben echt versucht, dorthin zu gelangen, aber der Verkehr war so ätzend, dass wir es aufgegeben haben. Umgedreht und Navi auf unbefestigte Wege eingestellt.

Der restliche Tag war vom Fahren her wirklich herausfordernd. Erst die üblichen Sandpisten und Waldwege, dann aber über Feldwege die sich aufgrund der tiefen Pfützen und Löcher nur im 1. oder 2. Gang fahren ließen. Zudem hatten wir an die 27 Grad, waren durchgeschwitzt und KO. Zu unserem Pech mussten wir noch über eine Stunde Bundesstraße fahren, um endlich ein Hotel in Radviliškis zu finden.

Der Berg der Kreuze
Der Berg der Kreuze

Ein Muss für uns war der „Berg der Kreuze“ in Šiauliai. Einfach gigantisch – manche mögen ihn gruselig finden, wir waren nur ehrfürchtig.

Kurz danach waren wir auch schon in Lettland. Richtung Riga gab es etwas Regen und wir beschlossen uns ein Hotel zu suchen und morgen Riga weitläufig zu umfahren.

Kleiner Einkaufsladen am Straßenrand
Kleiner Einkaufsladen am Straßenrand

Den Mittwoch wollten wir Richtung Saulkrasti an die Küste fahren, das Wetter war aber nicht sehr schön – immer wieder kleine dunkle Wolken. 

Bei einem Tankstopp trafen wir eine Gruppe Motorradfahrer aus Schweden. Sie waren mit alten Javas unterwegs und es waren auch zwei über 80-jährige dabei. Die beiden alten Herren hatten schon Schwierigkeiten auf ihre Mopeds zu kommen, mit Schwung klappte es aber. Kurz vor Saulkrasti erwischte uns dann eine Wolke und wir flüchteten schnellstens in ein Hotel an der Bundestraße.

Nach einer nicht so guten Nacht zum Donnerstag, das Bett war einfach zu klein, entschieden wir uns nicht mehr Richtung Küste sondern Richtung russische Grenze nach Alūksne zu fahren. Wir steuern nur noch kleine Städte an, die wir uns auf der Karte raussuchen. Ist einfach entspannter so. 

Je weiter wir in den Osten Lettlands fahren, desto schöner wird die Gegend. Mitten in Alūksne finden wir ein schönes Hotel direkt an einem großen See. Die Fahrt hierher war wirklich toll, unterwegs konnten wir auf den Feldern Schwärme von Störchen sehen, bestimmt so an die 40 Stück – das hatten wir so noch nie gesehen.

Usbekisches Restaurant in Lettland
Usbekisches Restaurant in Lettland

Freitag, wir haben super geschlafen und super gefrühstückt. Nun wollen wir Richtung Viljandi/Estland fahren. Auch nach dem Grenzübertritt gibt es in Estland schön zu fahrende Strecken, sehr staubig und nicht so anspruchsvoll wie in Litauen oder Lettland. Die Gegend ist hier nicht ganz so einsam wie in Lettland. Es gibt immer wieder vereinzelte Häuser an wunderschönen Seen. Heute sind wir nicht so viel gefahren, Estland ist halt nicht sehr groß.

Nach unserer Übernachtung in Viljandi und uns nicht so zusagender Gegend hatten wir am Samstag die Hoffnung, dass die Landschaft am Peipus-See besser und schöner wird. Nach einer kurzen, aber heftigen Einlage durch den Wald mit aufgeweichtem Boden, Schlamm und Schlaglöcher ging es über Landstraßen weiter. Gelandet sind wir in Mustvee, eine schöne überschaubare Kleinstadt direkt am Peipus-See. Erstaunlicherweise gibt es hier keine Hotels sondern nur Hostels.

Irgendwie sagte uns diese Ecke von Estland nicht zu, sprich plattes Land, wenig Hügel, wenig Wälder. Zudem ist das Preis-Leistungs-Verhältnis für uns nicht stimmig. Also wieder Kilometer machen und zurück nach Lettland. 

Die längste noch befahrbare Backsteinbrücke Europas
Die längste noch befahrbare Backsteinbrücke Europas

Kurz nach der Grenze veränderte sich schon die Gegend, es kommen wieder die sanften Hügel und der dichte Wald zum Vorschein. Stopp machten wir im Gauja Nationalpark in der Nähe von Cēsis.

Grenzübergang Estland/Lettland
Grenzübergang Estland/Lettland

Sonntag wollten wir es wieder etwas ruhiger angehen, wir schauten uns zuerst das kleine aber sehenswerte Städtchen Cēsis an. Danach fuhren wir Richtung Jelgava. Von Ruhe konnte aber keine Rede sein, es ging über 150 km nur durch Wälder, wir fuhren Wege, die man nicht als Wege erkennen konnte, tiefe Wasserpfützen, Schlammlöcher, hohes Gras, Hügel rauf und runter, also von Allem Alles! Es ist schon erstaunlich, dass das Navi diese Wege als offizielle Verbindungsstraßen bei Einstellung „kürzeste Strecke“ anzeigt.

Morgen versuchen wir dann den Tag ruhiger anzugehen und nicht soviel Kilometer zu fahren. Es geht Richtung Kuldīga. Aber eins ist sicher, es wird wieder „kürzeste Strecke“ mit „unbefestigten Wegen“ eingestellt.

Wir waren scheinbar echt K.  o. von der gestrigen Fahrt denn wir haben ziemlich lange geschlafen. Ausgeruht ging es weiter. 

Auf einer Landstraße Nähe Grenči stand plötzlich ein kleines Lädchen mit Terrasse direkt am Straßenrand. Wir hielten an und fragten einen jungen Mann, der gerade Gemüse einräumte, nach Kaffee. Es gab einen Anruf und zwei Minuten später kam Papa mit einer Kaffeemaschine und Kaffeebohnen unterm Arm an. Der junge Mann verschwand wieder und Papa kochte uns Kaffee. Nach einer halben Stunde meinte Papa dann ob es o. k. wäre wenn wir schon bezahlen. Wir wunderten uns zwar, bezahlten aber natürlich. Wir wunderten uns auch über die 50 Cent Wechselgeld in Form einer grünen Kiwitomate. Wir wunderten uns wieder als Papa verschwand und uns allein da sitzen ließ. Schon lustig. Wir sind dann irgendwann gefahren. 

Der breiteste Wasserfall Europas
Der breiteste Wasserfall Europas

Schon am frühen Nachmittag sind wir in Kuldīga angekommen. Der Fluss Venta fließt direkt durch die Stadt. Hier gibt es die längste, noch befahrbare Ziegelbrücke und den breiteste Wasserfall (Ventas Rumba) Europas. Hoffentlich erhält sich Kuldīgas Altstadt ihren Charme mit den alten Häusern, den kleinen Gassen und ihren gepflegten Parkanlagen. Hier könnten wir länger bleiben, da es Einiges zu sehen gibt. Da wir jedoch am Wochenende zum Gipfeltreffen nach Bramsche wollen, beschließen wir nach Klaipėda zu fahren und morgen die Fähre nach Kiel zu nehmen. Online buchen könne wir nicht, da angeblich schon alles ausgebucht ist. Da keine Ferienzeit ist können wir uns das nicht vorstellen, wir fahren morgen direkt zum Terminal und schauen vor Ort, ansonsten bleiben wir eine Nacht in Klaipėda.

Über Landstraße und Schotterpisten durch die Wälder fahren wir dann Dienstag nach Klaipėda. Auf den Wegen und Straßen begegnet uns kilometerlang kein einziges Auto oder sonst wer. Einfach nur schönes Fahren.

In Klaipėda am Terminal ist es absolut unproblematisch Tickets für die Überfahrt zu kaufen, von wegen ausgebucht. Morgen sind wir in Kiel, dann noch vier Stunden Fahrt, kurzer Aufenthalt zu Hause und dann geht’s weiter zum Gipfeltreffen.

Noch ein kleines Fazit: Litauen und Lettland sind wunderschön und noch recht günstig. Estland haben wir nur Richtung Osten befahren und das hat uns nicht so gut gefallen. Die Menschen sind überall sehr freundlich und hilfsbereit, die meisten sprechen und verstehen Englisch. Hotels kann man super über www.Booking.com buchen. Es machte uns einfach Spaß sich einen Ort auf der Landkarte zu suchen, das Navi entsprechend zu programmieren, nur zu fahren und nicht zu wissen was für Strecken kommen. Auch wenn die unbefestigten Wege zwischendurch anstrengend waren, so waren wir im Endeffekt doch froh, dass wir uns nicht an die geplante Route gehalten haben und die großen Städte wie Vilnius, Riga und Tallinn umfahren haben. Diese Städte sind bestimmt sehr schön und wir denken, dass wir sie irgendwann mit einer geführten (Bus-)Tour besichtigen werden.

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