aus Kradblatt 1/19, von Harald Gross, Hermann Hubert und Reinhold Paitz
Mit 50 ccm nach Gibraltar und zurück …
Vom 1. bis 22. Juli waren wir knapp 7.000 km unterwegs, um Südeuropa zu erkunden. Unser Ziel: Gibraltar. Wer sind wir und mit welchen Fahrzeugen waren wir unterwegs?
- Hermann aus Unterfranken, 47 Jahre , Hercules K50 RLC, Baujahr 1979
- Harald aus Oberfranken, 55 Jahre, Hercules K50 Ultra LC, Baujahr 1977
- Reinhold aus Baden-Württemberg, 56 Jahre, Hercules Ultra 50, Baujahr 1981
Wie alles begann: Vor circa 1,5 Jahren hatte Harald die Idee einen Jugendtraum zu leben, er wollte in seiner Jugend mit seinem Hercules Kleinkraftrad eine große Reise ans Meer machen, hatte dies aber leider aus den verschiedensten Gründen nie umsetzen können. Das wollte er nun unbedingt nachholen. Ihm ist das Ziel Gibraltar als südlichster Punkt auf dem europäischen Kontinent in den Sinn gekommen. Schnell waren zwei Mitstreiter gefunden und dann ging es auch schon an die Vorbereitung. Als erstes haben wir als Termin den Juli 2018 festgelegt. Jeder von uns hat daraufhin bei seinem Arbeitgeber bereits den Urlaub eingereicht und genehmigen lassen, somit war die 1. Hürde genommen und weiter ging es mit den Vorbereitungen.
Die Vorbereitungen: Die Mopeds von Hermann und Reinhold wurden nun für die Reise vorbereitet; Motorüberholung und sämtliche Verschleißteile erneuert. Bei Harald sah die Sache etwas anders aus, seine Hercules lag zerlegt in mehreren Kisten und musste erst mal komplett restauriert und danach zusammengebaut werden.
Hermann hatte speziell für diese Tour eine Resonanz-Auspuffanlage entwickelt und bauen lassen. Bei allen drei Mopeds kamen diese erfolgreich zum Einsatz. Auch der Motor, ein Sachs 50 SW 6 Gang, wurde leicht modifiziert, die Mopeds mussten uns schließlich auch mit 30 kg Gepäck noch einigermaßen flott voranbringen. Als Vergaser kam bei allen dreien ein 22er Bing zum Einsatz.
Der 1. Juli 2018 – Start-Termin: Bevor wir am 1. Juli gestartet sind, hat der Pfarrer aus dem oberfränkischen Rattelsdorf uns und auch unsere Mopeds gesegnet. Nun konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen.
Dann ging es los. Die 1. Etappe führte uns nach Saarbrücken. In Saarbrücken haben wir uns mit Hercules-Kollegen getroffen und gemeinsam zu Abend gegessen. Allerdings gab es dort die ersten technischen Probleme, meine Ultra 50 lief nicht mehr richtig. Das Problem lag am Vergaser beziehungsweise am Kaltstarterzug, konnte aber umgehend behoben werden. Die Fahrt nach Saarbrücken haben wir anfangs auf der Autobahn und später auf Landstraßen zurückgelegt. Die Gesamtstrecke betrug knapp über 400 km.
Der 2. Tag: Die 2. Etappe führte uns von Saarbrücken nach Rogny. Die Gesamtstrecke betrug 470 km.
Unsere Mopeds liefen super, keinerlei Probleme. Das Fahren war ein wahrer Genuss, wir sind zum Großteil auf Landstraßen gefahren.
Der 3. Tag: Die 3. Etappe ging von Rogny nach Puilboreau, der Ort ist sehr nah an der Atlantikküste. Die Gesamtstrecke betrug 400 km.
Auf der Fahrt hatten wir erstmals Regenschauer abbekommen, den hatten wir ausgesessen. Die Strecke führte uns wieder durch französische Dörfer, so machte das Fahren Spaß. Ansonsten hatten wir einen ausgehängten Gaszug und bei Hermann ist 2 km vor einer Tankstelle der Sprit ausgegangen.
Der 4. Tag: Die 4. Etappe ging von Puilboreau nach Saubusse. Die Gesamtstrecke betrug 360 km.
Eigentlich hatten wir uns Spanien als Tagesziel gesetzt, mehrere Gewitter hatten uns aber leider einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir brachen in Saubusse ab und suchten uns ein Hotel.
Der 5. Tag: Die 5. Etappe ging von Saubusse nach Guriezo. Die Gesamtstrecke betrug 270 km.
Eigentlich wollten wir bis nach Santander fahren, hatten aber auf Grund von Regen abgebrochen und ein Hotel in Guriezo gefunden. Abends waren wir in einer Dorfkneipe und wurden von den Spaniern herzlich begrüßt. Ein Spanier war sogar mit einem Deutschland-Trikot bekleidet. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Deutschland aber bereits von der WM verabschiedet.
Der 6. Tag: Die 6. Etappe führte uns von Guriezo nach Curtis. Die Gesamtstrecke betrug 500 km.
Unser Tagesziel Santiago di Compostela verfehlten wir um 30 km. Die Strecke ging über Berg und Tal, teilweise war es uns beim Fahren sogar zu kühl. Der Regen hatte uns auch immer wieder zu schaffen gemacht.
Der 7. Tag: Die 7. Etappe führte uns von Curtis nach Esposende (Portugal). Die Gesamtstrecke betrug 300 km. Den ersten Stopp machten wir in Santiago de Compostela. Santiago wird von vielen Pilgern besucht, hier hatten wir für unseren Pfarrer in Rattelsdorf eine Kerze angezündet und eine für ihn mitgenommen. Unser Hotel in Esposende lag außerhalb. Den 1. Tag in Portugal haben wir sehr genossen.
Der 8. Tag: Die 8. Etappe führte uns von Esposende nach Setubal. Die Gesamtstrecke betrug 400 km.
Es war eine richtige Hitzeschlacht. Beim Frühstück in Esposende lernten wir zwei Portugiesen kennen. Die beiden waren jeweils auf sehr gut restaurierten Zündapp-Mopeds unterwegs. Portugal ist eine Zweitakt-Hochburg. Alle Portugiesen begegneten uns überaus freundlich, Portugal ist ein tolles Land. Unser Hotel lag außerhalb und hatte einen fantastischen Pool. Das Moped von Hermann hatte Probleme mit der Kühlung, wir hofften, dass es nichts ernstes war.
Der 9. Tag: Die 9. Etappe führte uns von Setubal nach Huelva. Die Gesamtstrecke betrug 330 km.
Es war eine unglaubliche Hitzeschlacht mit Temperaturen über 40 Grad. Eigentlich wollten wir über Faro fahren, kürzten aber auf Grund der Hitze ab. Die Kühlerprobleme bei Hermanns RL wurden immer schlimmer. Das letzte Stück zu unserer Unterkunft fuhren wir auf der Autobahn, ausgerechnet mir ging der Sprit aus. Zum Glück hatte Hermann noch etwas in seinem Ersatzkanister und die Fahrt konnte weitergehen. Auch wenn es sehr heiß war, unsere Fahrt ging durch die Berge und die Straßen waren einfach Klasse. Diesen Tag werden wir daher so schnell nicht vergessen.
Der 10. Tag: Die 10. Etappe führte uns von Huelva nach Gibraltar. Die Gesamtstrecke betrug 290 km. Für uns ein historischer Tag, wir mussten jedoch Sevilla passieren.
Sevilla ist eine der heißesten Städte Europas. Unser Glück war, dass wir Sevilla schon vormittags hinter uns ließen. Hermann hatte nach wie vor Probleme mit dem Kühler, er hatte sich ein Provisorium gebaut, um das austretende Kühlwasser nicht zu verlieren. Neun Kilometer vor Gibraltar in Algerica bezogen wir schon mal unser Hotel. Wir ließen die Mopeds und auch uns abkühlen und fuhren wir nach Gibraltar hinein.
Es war ein tolles Gefühl, das geschafft zu haben. Vor unserer Abfahrt hatten sehr viele Leute nicht daran geglaubt – im Gegenteil, uns wurde nicht einmal zugetraut aus Deutschland rauszukommen. Wir hatten allen Pessimisten das Gegenteil bewiesen.
In unserem Hotel blieben wir zwei Tage, so konnten wir uns erholen und unsere Mopeds wieder auf Vordermann bringen. Die vielen Kilometer hatten ihre Spuren hinterlassen.
Bei der Einreise nach Gibraltar musste die Landebahn des dortigen Flugplatzes überquert werden, bei einer Landung oder Start eines Flugzeuges war somit keine Einreise möglich.
Harald fuhr mit seiner Hercules den Rock of Gibraltar hinauf, Hermann und ich blieben unten, um unsere Mopeds zu schonen, wir hatten schließlich noch etliche Kilometer vor uns.
Der 11. Tag: Am Tag 11 blieben wir nochmal in unserem Hotel in Algerica. Früh um 7 Uhr wurde Hermanns RL unter die Lupe genommen. Hermann hatte den Kolben getauscht und die Wasserpumpe ausgebaut, da kam auch das ganze Problem zum Vorschein. An der Wasserpumpe hatte sich das Förderrad von der Welle gelöst, dies war auch der Grund der ständigen Überhitzung. Wir telefonierten mit einem Freund, er schickte uns per Express zwei gängige Wasserpumpen in unser übernächstes Hotel. Die defekte Wasserpumpe wurde provisorisch auf die Welle geklebt. Muss ja nur bis zum übernächsten Hotel reichen.
Der 12. Tag: Die 11. Etappe führte uns von Algerica nach Almunecar. Die Gesamtstrecke betrug 220 km. Der Motor der RL wurde nach wie vor sehr heiß, Hermann half ständig mit einer manuellen Wasserkühlung von außen nach. Auf dem Weg dorthin fuhren wir durch Estepona und Marbella, das sind die absoluten Urlaubs-Hochburgen. In Marbella nahmen wir dann auch unser Frühstück zu uns. Unser Hotel in Almunecar lag nur 50 Meter vom Strand entfernt, baden im Meer war da natürlich angesagt.
Der 13. Tag: Freitag der 13. und somit unsere 12. Etappe, führte uns von Almunecar nach Pescina. Die Gesamtstrecke betrug lediglich 150 km.
In unserem Hotel in Pescina müsste theoretisch an diesem Tag die Wasserpumpe angeliefert werden. Das eine ist die Theorie, das andere die Praxis. Die Wasserpumpe wurde am Freitag nicht geliefert. Samstags liefert DHL nicht aus, frühestmöglicher Liefertermin war somit erst Montag. Wir verlängerten unseren Hotelaufenthalt daher bis Montag.
Das Hotel lag inmitten der Wüste Sierra Alhamilla. Hier wurden schon etliche Westernfilme gedreht, unter anderem „4 Fäuste für ein Halleluja“.
Im Hotel gab es im Kellergewölbe ein Thermalbad. Das warme Wasser der Thermalquelle kam auch aus den Wasserhähnen im Hotelzimmer. Ein warmes Bad war sehr angenehm, kalt duschen aber leider nicht möglich. Der Hotelbesitzer sprach auch Deutsch und half uns sehr bei der Nachforschung des DHL-Paketes.
Der 14. und 15. Tag: Am Samstag und Sonntag war „Ruhetag“. Hermann und ich hatten eine kleine Wanderung durch die Wüste gemacht. Einen Tag verbrachten wir alle drei gemeinsam am Strand. Am Sonntag schauten wir dann das Endspiel der Fußball-WM. War alles sehr erholsam.
Der 16. Tag: Am Montag wurde am Vormittag tatsächlich das Paket angeliefert. Allerdings nicht von DHL, ein Freund unseres Hoteliers holte das Paket in Algerica ab und brachte es uns. Die Wasserpumpe wurde sofort eingebaut und wir starteten dann auch gleich wieder. Unser Ziel für die 13. Etappe war Torrevieja. Die Gesamtstrecke betrug 300 km. Unser Hotel lag direkt am Meer und hatte einen ganz tollen Pool. Hermanns Moped funktionierte wieder einwandfrei.
Der 17. Tag: Die 14. Etappe führt uns von Torrevieja nach Vall d’Alba. Die Gesamtstrecke betrug 340 km. Unser Ziel erreichten wir bereits um 14 Uhr. Unser Hotel lag mitten in den Bergen, hatte aber zumindest einen Pool.
Der 18. und 19. Tag: Die 15. Etappe führte uns von Vall d’Alba nach Calella. Die Gesamtstrecke betrug 350 km.
Calella liegt an der Costa Brava, unser Hotel lag direkt am Strand, die Mopeds waren sicher in der Tiefgarage untergebracht. Wir blieben zwei Tage und genossen das Meer. Harald fuhr am zweiten Tag zur Firma Barikit und machte dort eine Werksbesichtigung. Die Firma liegt 35 km von unserem Hotel entfernt, Hermann und ich hatten lieber am Strand relaxt.
Der 20. Tag: Die 16. Etappe führte uns von Callela nach Pouzilhac. Die Gesamtstrecke betrug 380 km.
Unser Hotel erreichten wir bereits um 14:30 Uhr. Die Hitze hier war fast unerträglich, da half dann nur der Pool. Der Ort ist bekannt für seine Weine, unter anderem werden hier so berühmte Weine wie Chateauneuf du Pape angebaut. Was tranken wir daher beim Abendessen? Natürlich französischen Rotwein der hier angebaut wurde.
Der 21. Tag: Die 17. Etappe, nach Hause waren es nur noch 1.030 km. Wir versuchten das in 2 Tagen zu schaffen, dann wären wir Sonntag wieder zu Hause.
Wir fuhren von Pouzilhac nach Baum Le Dame, das waren knapp über 500 km. Dort kamen wir gegen 19 Uhr an. Wir waren in einem einfachen aber sauberen Hotel untergebracht. Das Essen im Restaurant schmeckte sagenhaft. Unsere Mopeds konnten wir in der Garage des Hoteliers unterstellen.
Der 22. Tag: Die 18. und letzte Etappe führte uns von Baum Le Dame über Obertheres nach Rattelsdorf. Die Gesamtstrecke betrug 560 km und war damit die längste Etappe unserer Tour.
Vor der Abfahrt spannten wir nochmal unsere Ketten nach und fuhren dann kurz vor 8 Uhr los. Um 10:02 Uhr waren wir wieder in Deutschland.
Leider kamen wir auf Höhe Sinsheim in ein heftiges Unwetter. Wir warteten ab, bis es wieder einigermaßen aufgeklart hatte und fuhren dann weiter. Um kurz nach 19 Uhr waren wir dann in Obertheres, der Heimat von Hermann, wo wir noch schnell einen Kaffee tranken und Kuchen aßen bevor wir weiter nach Rattelsdorf fuhren. Um Punkt 20 Uhr kamen wir gesund und munter in Rattelsdorf an. In Obertheres und auch in Rattelsdorf wurden wir gebührend empfangen. Wir waren alle drei froh wieder zu Hause zu sein.
PS: Ich übernachtete in Rattelsdorf und fuhr erst am nächsten Tag in meine Heimat Obersulm.
Unser Fazit: Es hat sehr viel Spaß gemacht! Schaffen kann man so etwas nur gemeinsam in einem Team. Wir haben alle Herausforderungen während der Tour gemeistert und uns nicht aus der Ruhe bringen lassen. Danke auch nochmal an alle, die unsere Expedition mitverfolgt und uns Mut zugesprochen haben.
Viele Grüße von den drei Verrückten
Die „Hard Facts“
- Gesamtstrecke: 6.823 km
- Gesamt Dauer: 22 Tage
- Gesamt Spritverbrauch: 850 Liter
- Gesamt Zweitaktöl: 28 Liter
- Gesamt Kosten auf der Tour: 9.300 €
- Navigation: TomTom Rider 450
- Hotel-Buchungen: meist 2 Stunden vorher mit booking.com oder HRS
Technische Probleme bzw. Wartungen:
- Hermanns K50 RLC
nach ca. 1.500 km Vergaser tropft bzw. läuft über
nach ca. 1.000 km Tachowelle defekt
nach ca. 2.000 km Endschalldämpfer zu
nach ca. 2.500 km Zündkerze defekt und getauscht
nach ca. 3.000 km Wasserpumpe defekt und ausgetauscht
nach ca. 3.500 km vorsorglich Kolben und Kopfdichtung getauscht
3x Kette nachgespannt
- Reinholds Ultra 50
nach ca. 400 km Kaltstarterzug klemmt
nach ca. 800 km Tachometer defekt
nach ca. 2.000 km Drehzalmesser defekt
nach ca. 2.000 km Krümmer nachgezogen
nach ca. 2.500 km Endschalldämpfer nachgezogen
nach ca. 3.000 km Gaszug gerissen und getauscht (Moped umgefallen)
nach ca. 3.500 km vorsorglich Zündkerze getauscht
nach ca. 4.000 km Blinker Birne getauscht
3x Kette nachgespannt
- Haralds K50 Ultra LC
nach ca. 400 km Hauptständer-Feder gebrochen
nach ca. 1.000 km Lenkkopflager nachgezogen
nach ca. 3.000 km Zündkerze defekt und getauscht
nach ca. 6.000 km lässt sich die Kette nicht mehr richtig spannen
nach ca. 6.800 km Blinker und Hupe ausgefallen
4x Kette nachgespannt
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Kommentare
2 Kommentare zu “Gibraltar und zurück mit 50 ccm”
Hammer … !
Hi;
einfach geile Bericht und top mutig von euch!!!
Gruß
Dieter Grebener