aus Kradblatt 11/23 von Robert Waldow

Rennspaß mit dem Race Café

Rennspaß für Solo und Gespanne
Rennspaß für Solo und Gespanne

Ein intensives September-Wochenende auf heißem Asphalt liegt hinter uns und ich versuche die vielen neuen und berauschenden Eindrücke auf Papier bzw. erst einmal in den Computer zu bringen. Mehr oder weniger kurzfristig hatten wir die Entscheidung getroffen eine Veranstaltung des „Race Café Berlin“ zu besuchen.

Race Café Berlin ist einigen vielleicht durch das mittlerweile zur Kultveranstaltung für Schrauber gewordenen Rennspektakel „Built not Bought“ bekannt. Neben dieser Veranstaltung, die im Sommer auf dem Spreewald­ring südlich von Berlin stattfindet, gibt es seit nunmehr 12 Jahren die Veranstaltung „Twins meet Classics“ oder kurz TmC. 

Auf Tour im offenen Fahrerlager
Auf Tour im offenen Fahrerlager

Mit „Twin meet Classic“ sind klassische Motorräder mit zwei Zylindern bis zum Baujahr 1990 gemeint. Das TmC gibt es an zwei Terminen. Ein Termin im Sommer auf dem Spreewald­ring, allerdings nur für Solo-Maschinen. Das zweite TmC findet dann traditionell im Herbst auf dem Gelände des etwa 60 km nördlich von Berlin gelegenen Gelände des Driving Center Groß Dölln statt. In Groß Dölln bilden dann auch Motorrad-Gespannfahrer eine teilnehmende Gruppe.

Die Trainings- und Übungsmöglichkeiten außerhalb von öffentlichen Straßen sind relativ selten. Aus dem Wunsch heraus, sich mit dem eigenem Motorrad mal nach Herzenslust auf einer Rennpiste auszutoben, entstand bei der motorsportbegeisterten Familie Fischer eine Idee – frei nach dem Motto: „Es gibt nichts Gutes, es sei denn man tut es“. So wagte man das Risiko, selber eine passende Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Dass ihnen dieses Vorhaben mit viel Unterstützung von begeisterten Helfern mit Bravur gelungen ist kann man heute an den Teilnehmerzahlen sehen.

Schnelles Wasserbüffel-Gespann
Schnelles Wasserbüffel-Gespann

Doch zurück zur aktuellen Veranstaltung und unserer Entscheidung mit unserer kleinen Honda CX 500 und mit einem eigenem Lebensalter, das nun (leider) schon näher an der 70 als an der 60 ist, teilzunehmen. Ganz sicher, ob es für uns die richtige Veranstaltung ist, waren wir natürlich nicht.

Unsere CX 500 ist für Straßen- und nicht für Pistenbetrieb und so haben wir mit nervöser Neugierde das Anmeldeformular ausgefüllt. Technische Vorbereitungen bestanden aus Abbau der Spiegel, abkleben aller Gläser und das Anbringen einer Startnummer. Das so vorbereiteten Motorrad wurde auf den PKW Anhänger verladen und dann ging es aus der Lüneburger-Heide in das rund 300 km entfernte Biosphärenreservat Schorfheide zum Driving Center Groß Dölln. Bis zur Aufgabe des Geländes im April 1994 durch die russische Luftwaffe war das Areal Europas größter Militärflugplatz. 

Mit der Anmeldebestätigung zum TmC hatte es einige Infos zur Anfahrt und zum Ablauf vor Ort gegeben. Mit unserem Erreichen des Fahrerlagers und der Erwartung von Neuem und unbekannten Abläufen stieg nun doch schon etwas die Nervosität. 

Das Fahrerlager bietet etwa 200 Teilnehmern Platz. Etwa 130 Anmeldungen gab es, also mehr als genügend Raum sich auszubreiten. Wichtiger Punkt im Ablauf ist natürlich die technische Abnahme der Maschine und die Lautstärkemessung und damit die Entscheidung zur Zulassung für die Teilnahme auf der Rennstrecke.

Eindeutig Classics
Eindeutig Classics

Nachdem das Organisatorische inkl. Abnahme, „Soundcheck“ und Anmeldung erledigt war, wurde uns der Zeitplan für die zwei Tage überreicht und es gab etwas Entspannung. Wir nutzen den Abend um den anderen Teilnehmern einen Besuch abzustatten. Gleichzeitig wollte ich die Gelegenheit nutzen, uns als Neulinge in der Szene vorzustellen und die pistenerfahrenen „Jungs und Mädels“ um Nachsicht für die nächsten zwei Tage auf der Rennstrecke bitten. Die Bilder zeigen in welcher aufregenden Gesellschaft von Maschinen wir uns mit unserer Straßenmaschine befanden. Eigentlich hatten alle Maschinen mindestens doppelt soviel PS und ihre Fahrer/innen haben größtenteils jahrzehntelange Erfahrung im Wetteifern auf der Rennstrecke. Der gute Ratschlag von Allen: keine Sorgen machen, nicht zur Seite oder gar nach hinten schauen, die eigene Kurvenlinie konsequent fahren und auf alles andere würde man schon achten. Soweit die theoretischen Gedanken. 

Form follows function
Form follows function

Am frühen Samstag Morgen ging es dann nach dem Frühstück zu einer ausführlichen Fahrerbesprechung. Allgemeine Hinweise zum Verhalten im Fahrerlager und auf der Strecke und Erklärung der Flaggensignale der Streckenposten. Obwohl zwei Rettungswagen für die Zeit der Veranstaltung an der Strecke bereitstanden, sollte doch die wirklich oberste Priorität sein, dass alle nach dem Wochenende wieder gesund zu Hause ankommen.

Gefahren wurde in insgesamt fünf Gruppen. Beginnend von einer Gruppe mit Instruktoren über zwei Gruppen von normalen Freifahrern, einer Gruppe schneller Freifahrer bis zu der Gruppe der 12 Motorrad-Gespanne. Zusätzlich wurde auch noch ein „Hanging-off“ Kurs angeboten.

Nach Zeitplan und mit viel Aufregung ging es zur Einfahrt der Strecke. Unweigerlich musste ich an den Text von Steppenwolf denken: „Get your motor runnin’, head out on the highway, looking for adventure, in whatever comes our way“

Bestes Motto-Shirt
Bestes Motto-Shirt

Visier runter, die Schranke und die Gashähne gehen auf. Man fährt auf einer tollen Landstraße ohne Mittelstreifen und Gegenverkehr mit tollen und anspruchsvollen Kurven im Kreis. Das wäre die emotionsfreie und sachliche Beschreibung dafür was dann passiert. Aber sachlich und emotionsfrei ist es ganz und gar nicht, es ist viel, viel mehr!

Sobald die Reifen die ersten Meter auf dem Asphalt der Strecke zurückgelegt haben ist kein Platz mehr für Musik im Kopf. Bestenfalls denkt man noch an frühere Worte eines Instruktors, dass die Blickrichtung einen durch die Kurve zieht. Und tatsächlich muss ich zugeben, das allein das Bewusstsein auf einer Rennstrecke zu sein, die Konzentration und die Drehzahl des Motors steigen lässt. Und schon saugt die Strecke einen auf. 

Als Hilfe für eine optimale Kurvenlinie gibt es am Streckenrand kleine blaue Pylone mit denen die Einlenkpunkte markiert sind. Im Hinterkopf immer den Ratschlag die eigene Linie konsequent zu fahren auch wenn man hinter sich schon das Dröhnen der heranjagenden Meute hört. Jetzt zeigt sich die Gelassenheit und Erfahrung der anderen Teilnehmer. Kommen sie in einer engen Kurve nicht vorbei nutzen sie mit drehzahlfreudiger Lautstärke die nächste Gerade oder eine weite Kurve. Da heißt es stur bleiben den eigenen Kurs beibehalten und die „Jungs“ machen das schon. Ja, und sie machen es weil sie es können. 

Es gibt viel zu gucken
Es gibt viel zu gucken

Auch wenn man vielleicht ungern überholt wird oder hinterherfahren muss, so ist es doch ein beeindruckender Anblick wenn man direkt vor sich die Leichtigkeit des souveränen Handlings bei High Speed sieht. In solchen Momenten ist es allerdings auch gut, dass im Hinterkopf noch jemand mitdenkt und sagt: „ Nein! Nicht versuchen hinterherzujagen! Du fährst zum ersten Mal und du hast nur ein Straßenmotorrad“. Gut wenn die Stimme laut genug ist und einen vor unnötigem Blödsinn bewahrt. 

Der erste Törn, ich glaube er bestand aus 5 oder 6 Runden (zum Zählen hatte ich keine Zeit) auf der knapp 2,5 km langen Strecke wurde von allen Beteiligten sauber abgefahren. Ob eine obligatorische Spende von 50 € in die Partykasse für einen Unfall im ersten Törn das Geschehen positiv beeinflusst hat, glaube ich nicht. Ich hatte den Eindruck, dass jedem auf der Strecke die Verantwortung für sich und die anderen Teilnehmer bewusst ist und dass jeder die Gesundheit hoch einschätzt. Trotzdem Danke für eure Rück- und Nachsicht mit uns Anfängern.

Für den Samstag standen insgesamt sechs Starts je Gruppe zur Verfügung. Das Wetter meinte es mehr als gut, es war trocken aber leider auch um die 30 Grad warm.

Technische Abnahme, da müssen alle durch
Technische Abnahme, da müssen alle durch

Obligatorisch wurde nach jedem Törn die Fahrbekleidung auf links gedreht und zum Trocknen in die Sonne gelegt. Gleichzeitig wurde in dem Zeitfenster die Körperflüssigkeit wieder mit Wasser aufgefüllt. Wasser, Kaffee und Obst wurde durch den Veranstalter kostenneutral zur Verfügung gestellt und auch gerne angenommen.

Auf geht's - die Strecke ist frei
Auf geht’s – die Strecke ist frei

Um 18 Uhr wurde die Piste geschlossen und wie damals in dem unbeugsamen gallischen Dorf wurde der Abend mit einer Grill „Flatrate“ am Lagerfeuer beendet. Ob auf der Piste oder in der Feuerschale, vom Heizen versteht der Veranstalter was.

Für den Sonntag hatte sich eine Fortsetzung des trockenen und heißen Wetters angekündigt. Der heiße Asphalt versprach wieder guten Grip aber auch reichlich Abrieb an den Pneus. Für mich persönlich konnte ich ein weiteres Strecken-Highlight verzeichnen, als ich mich kurz nach Sonnenaufgang und vor dem Frühstück einem Instruktor anschloss, der zusammen mit seinem Hund die Strecke abwanderte. Zu jeder Kurve konnte er was erzählen. Vielleicht war es nur ein Morgenspaziergang aber ich glaube, ich bin die Strecke an dem Tag mit einem anderen Bewusstsein und Aufmerksamkeit gefahren. Danke an Balu und Gurki, das war eine tolle Streckenbesichtigung.

Für den Sonntag waren noch einmal vier Törns für jede Gruppe angesetzt und ab 14:30 Uhr wurden dann wehmütig die Paddock-Zelte abgebrochen und die Fahrmaschinen für die Heimfahrt verladen.

Gleichgesinnte am Feuer - wir kommen wieder …
Gleichgesinnte am Feuer – wir kommen wieder …

Den Pokal für die weiteste Anreise hatte sich ein Team aus Bayern verdient. Die Bajuwaren aus Landshut hatten tatsächlich 650 Kilometer für die Teilnahme an diesem Event zurückgelegt. Im Gespräch bestätigten sie, dass sie zu der Piste von Groß Dölln nichts Vergleichbares kennen und sich die An- und Abreise mit insgesamt 1300 km auf alle Fälle lohnen würde.

Überhaupt war das Lob der Veranstaltung der allgemeine Tenor. Schon bei der Fahrerbesprechung wurde den Veranstaltern Fatma und Michael Fischer und deren gesamtem Helferteam Lob und Beifall gezollt. Eine absolut stimmige Organisation, die keine Wünsche offen ließ.

Aber auch die Fahrer/innen waren toll. Jeder war mit der Priorität „Fahrspaß“ anreist und wenn man auf dem ein oder anderen Foto in die Gesichter anschaut, sieht man, dass nur die beiden Ohren die Breite des Lächelns begrenzten.

Fast jeder Teilnehmer will im nächsten Jahr wieder dabei sein und auch wir haben wir uns für das kommende Jahr mit neugewonnenen Freunden verabredet. Eine Veranstaltung, die eigentlich fest im Kalender eines jeden stehen sollte, der Spaß am zügigen Fahren hat.

Sobald die Termine für 2024 festgezurrt sind, werden sie auf www.RaceCafe.berlin bekanntgegeben. Dort findet man auch Fotos vergangener Veranstaltungen.