Verkaufs-Restaurationen …
aus Kradblatt 1/25 von Konstantin Winkler
Seit der „Eiserne Vorhang“ vor vielen Jahren zu bröckeln begann – und nun fast vollständig verschwunden ist (Russland müssen wir dabei aktuell leider außen vor lassen) – werden immer mehr Oldtimer aus Osteuropa bei uns zum Verkauf angeboten. Und das in fast allen erdenklichen Zustands- und Preiskategorien. Von Showroom-Condition bis zum wirtschaftlichen Totalschaden reicht die Bandbreite der Offerten. Während zur Jahrtausendwende noch hauptsächlich deutsche Vorkriegsmotorräder angeboten wurden, dominieren jetzt Gespanne aus russischer Produktion. Sogar aus Kasachstan kommen URAL-Gespanne hierher.
Im Internet fand ich ein sehr schönes russisches URAL-Gespann Baujahr 1968 mit seitengesteuertem Boxer-Motor und Rückwärtsgang. 26 PS bei nur 4.600 Umdrehungen pro Minute leistet der Nachbau der Vorkriegs-BMW R71. Auf Landstraßen genug für zügiges Vorankommen mit dem 350 Kilogramm schweren Gefährt. Der Beiwagen ist auch ein Nachbau von den Wehrmachtsgespannen. Beim Besichtigungstermin erwartete mich ein liebevoll restauriertes Gespann mit polnischer Zulassung. Alle vier Reifen waren neu, Rost war nirgends zu finden. Nach der prähistorischen Startzeremonie, bestehend aus Benzinhahn öffnen und Vergaser fluten, sprang der Motor nach ein paar beherzten Tritten auf den Kickstarter an und lief ohne Bläuen sofort rund.
Die Probefahrt hielt dann leider nicht, was die Optik und der erste Eindruck versprachen. Der Tacho war ohne Funktion, die rote Kontroll-Leuchte für die Lichtmaschine erlosch nicht und in der ersten Kurve kamen laute Schleifgeräusche von vorne. Die Investition in einen neuen Benzinhahn hat sich der „Restaurator“ gespart, die Schläuche gehen vom Tank direkt zu den Vergasern – immerhin hielten die Schwimmer dicht.
Das aus der Ukraine stammende Fahrzeug war optisch ansprechend, hatte aber im Bereich der Technik verkaufsfördernde Restaurationen für eine Handvoll Złoty erfahren. Auf die Mängel angesprochen, war der Verkäufer bereit, das Gespann für 4.000 € statt der gewünschten 4.750 € (VB) zu verkaufen. Ein faires Angebot! Generell sollte ein Gespann, das in Osteuropa „restauriert“ wurde, meiner Ansicht nach etwa 30 bis 50 % weniger kosten, als ein vergleichbares Exemplar aus Westeuropa. Ansonsten heißt es Lehrgeld zahlen und/oder die begnadeten Schrauberkenntnisse in langen Winterabenden verfeinern. Falls ein Winter dazu ausreicht.
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