aus Kradblatt 3/19, von Konstantin Winkler

Zwei Kolben für ein Pleuel …

Triumph BDG 250 Bj. 1957

Die Frühzeit der Marke Triumph spiegelt den Erfindergeist des frühen 20. Jahrhunderts wider. Man produzierte Büromaschinen, Fahrräder, Motorräder und Autos. Der gebürtige Nürnberger und Firmengründer Siegfried Bettmann wählte den Namen „Triumph“, weil dieses Wort in vielen Sprachen bekannt ist und seine Bedeutung verstanden wird. 1889 gründete er im englischen Coventry eine Fahrradfabrik, aus der sieben Jahre später ein Zweigwerk in Nürnberg hervorging. Im Jahr 1903 entstanden dann die ersten Motorräder. Nachdem es 1929 zum Bruch mit der Muttergesellschaft kam, wurden in Deutschland produzierte Triumph-Motorräder, im Ausland unter dem Markennamen „TWN“ (Triumph-Werke-Nürnberg) angeboten. 

Doppelkolben-Prinzip Triumph BDG 250 Bj. 1957 Doppelt läuft besser! 1939 debütierte ein sensationeller neuer Motor: Ein Doppelkolben-Zweitakter. 

Beim Doppelkolbenmotor haben zwei Kolben in direkt beieinander liegenden Zylindern einen gemeinsamen Brennraum. Die Kolben laufen nicht parallel, sondern ein Kolben eilt beim Verdichten vor und beim Arbeitstakt nach.

Die Vorzüge der Doppelkolben-Bauweise gegenüber einem herkömmlichen Einzylinder-Zeitaktmotor sind durch die Anwendungsmöglichkeit der Gleichstromspülung gegeben. Der Spülvorgang (Abgas raus, Frischgas rein) durch die voneinander getrennte Überström- bzw. Auslassbohrung des Zylinders bewirkt eine vollständige Trennung von Frisch- und Restgasen. Daraus ergeben sich geringe Gasverluste, beste Füllung und damit eine hohe Leistungsausbeute bei geringem Verbrauch. Solche Motoren gab es bei PUCH in Österreich schon vor dem 2. Weltkrieg, sowohl mit Gabelpleuel als auch mit geteilten Pleuel. Triumph dagegen setzte nur auf Gabelpleuel. Diese Bauart wurde auch nach dem 2. Weltkrieg beibehalten. 

1948 erschien die BDG 250 mit Starr-Rahmen, 1952 die BDG 250 H mit Telegabel und Geradeweg-Hinterradfederung.

11 PS bei 3.800 Umdrehungen pro Minute beträgt die Leistung der 250er Triumph. Die Werbung pries sie „als eine der vollendetsten Errungenschaften des neuzeitlichen Motorradbaus“ an. In der Praxis entpuppt sich die BDG als kraftvolle und zuverlässige Tourenmaschine. 

Motoraufbau Triumph BDG 250 Bj. 1957 Womit wir beim Startvorgang sind: Benzinhahn öffnen, Lufthebel (Choke) schließen und Schwimmerkammer fluten. Nun braucht man bei eingeschalteter Zündung nur etwas Gas geben und einmal kräftig kicken. Und schon macht sich der Motor akustisch bemerkbar. Und optisch. Reichlich bläuliche Auspuffgase signalisieren, dass alles wie geschmiert läuft. Ein Zweitaktgemisch 1:33 verlangt der Motor. Er klingt dumpf und mechanisch, aber nicht lärmend. Durch die optimale Verbrennung dank Doppelkolbenbauweise hört es sich im Leerlauf fast viertaktend an. Der formschöne Fischschwanz- Auspuff trägt auch zum tollen Sound bei. Balsam für die Gehörgänge aller Fans von Einzylindern. Schon bald kann der Lufthebel wieder geöffnet werden und die Arbeitstakte des Motors bei niedrig eingestelltem Leerlauf können mitgezählt werden.

Eine Offenbarung ist das leicht zu schaltende Vierganggetriebe. Es trifft jeden Ton. Präzise und auf kurzen Wegen. Als besonderes technisches Schmankerl sitzt vorne links am Motor der Leerlauf- Hebel. Mit diesem kann jederzeit von jedem Gang in den Leerlauf geschaltet werden.

Vom Getriebe zum 19-zölligen Hinterrad führt eine Kette. Dank geschlossenem Kettenkasten dürfte sie ewig halten, wenn sie die notwendige Minimalpflege bekommt.

Das Fahrwerk überzeugt durch korrektes Fahrverhalten, obwohl es nicht den modernsten Stand der Technik vorführt. Während viele andere Hersteller 1957 schon mit einer Hinterradschwinge glänzen konnten, hatte die Triumph noch eine Teleskop-Hinterradfederung. Die mechanisch-hydraulische Teleskopgabel ist auch für heutige Verhältnisse komfortabel. 

Cockpit Triumph BDG 250 Bj. 1957 Die Triumph reagiert authentisch auf  Bodenunebenheiten, die Richtungsstabilität ist für ein so altes Motorrad gut, jedenfalls bei artgerechter Haltung in Bereichen bis 80 km/h. Gemütliches Fahren ist ohnehin angesagt. Denn trotz ordentlicher Beschleunigung und Alltagstauglichkeit darf man nicht vergessen, dass man einen Oldtimer fährt. Die Sozia sitzt genauso bequem wie der Fahrer, denn der berühmte Schwingsattel kann sogar je nach Gewicht des Passagiers eingestellt werden.

Die beiden Vollnaben-Trommelbremsen liefern für ein so altes Fahrzeug hervorragende Verzögerungswerte, auch bei längerem Gefälle. Viel bremsen bedeutet aber auch viel Abrieb an den Belägen. Deshalb sollten von Zeit zu Zeit die Räder ausgebaut werden um das Innenleben auszustauben und zu reinigen.

Viele Details an der Triumph sind nicht nur formschöne, sondern auch wohldurchdachte Konstruktionen. So kann die Kurbelwelle ausgebaut werden, ohne den Motorblock aus dem Fahrgestell zu nehmen. Auch das Getriebe bleibt dabei unberührt. Umgekehrt ist es möglich, das Getriebe zu zerlegen, ohne am Motor zu schrauben.

Triumph BDG 250 Bj. 1957

Ende der 50er Jahre wollten immer weniger Leute Motorrad fahren. Die Devise lautete: Sparen für ein Auto. So wurden die Triumph Werke Nürnberg A.G. im Jahre 1957, wie viele andere Hersteller auch, Opfer des zusammenbrechenden Motorradmarktes. Die Produktion musste eingestellt werden. Max Grundig übernahm die Firma wegen ihrer Büromaschinenfertigung und produzierte unter der neuen Marke nur noch Büromaschinen – auch die ist bekanntlich mittlerweile Geschichte.

Heutzutage heben viele den Kopf und nicken anerkennend, wenn man mit dem letzten Modell unterwegs ist, das Triumph Deutschland baute. Obwohl sie recht unscheinbar ist und man ihr die Jahrzehnte, die sie bereits auf Europas Straßen unterwegs war, nicht unbedingt ansieht.