aus Kradblatt 7/23 von Konstantin Winkler

Der Herr der Ringe …

Links DKW RT 175 VS Bj. 1957, rechts DKW SB 350 Bj. 1937
Links DKW RT 175 VS Bj. 1957, rechts DKW SB 350 Bj. 1937

Lang, lang ist es her – im Jahre 1919 wurde ein 30 Kubikzentimeter kleiner Spielzeug-Zweitakter auf der Leipziger Messe vorgestellt. So entstand DKW – „Des Knaben Wunsch“. 

Ein Jahr später entwickelte man einen vergrößerten Zweitakter und montierte ihn liegend auf das Hinterrad eines Fahrrades. Der Volksmund hatte dafür gleich die passende Bezeichnung: „Arschwärmer“! Solch ein Fahrzeug startete 1921 beim Avus-Rennen in Berlin. Fortan hieß es: „DKW – das kleine Wunder, läuft bergauf wie andere runter“.

DKW RT 175 VS
DKW RT 175 VS

Ab 1933 baute DKW seine Zweitakter mit der für sich patentierten „ Schnürle-Umkehrspülung“. Im Zylinder befinden sich zwei Überströmkanäle und ein Flachkolben ersetzte den antiquierten Nasenkolben. 

Bodenständig und erfolgreich war die Zschopauer Firma. Eine der wenigen, die auf die zweitaktende Arbeitsweise schwörten. Wirtschaftlich, leistungsstark und unempfindlich waren die Motoren – bestanden sie doch aus nur drei bewegten Teilen: Kurbelwelle, Pleuel und Kolben.

Nach der Fusion mit Audi, Horch und Wanderer zur Auto Union entstand das Firmenemblem mit den vier Ringen, die noch heute die Autos von Audi zieren.

Schlichtes Cockpit der RT 175 VS
Schlichtes Cockpit der RT 175 VS

1939 lief die 500.000ste DKW vom Band der zu diesem Zeitpunkt weltgrößten Motorradfabrik.

Aus dieser Epoche stammt meine SB 350, Baujahr 1937, die ich – wie so oft – durch Zufall fand. Diesmal in Dänemark. Eine ältere Restauration, angemeldet und fahrbereit. 

DKW SB 350
DKW SB 350

Passend dazu befindet sich in meiner Sammlung das letzte DKW- Modell, eine RT 175 VS von 1957, die würdevoll die Spuren eines langen Motorradlebens zeigt. 

Zwei Motorräder wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Doch zwei Dinge haben sie gemein: Einen Einzylinder-Zweitaktmotor und die vier Ringe.

Als „Herr der Ringe“ möchte ich nun den (unmöglichen?) Vergleich der beiden Pedanten wagen. 

Es ist interessant, was sich in 20 Jahren Motorradgeschichte von 1937 bis 1957 getan hat. Aber verschwindend wenig, wenn man bedenkt, was sich z.B. von 1977 bis 1997 alles geändert hat. Ich denke da nur an Einspritzanlagen, Katalysatoren und Digitalanzeigen. Ganz zu schweigen von der Motorleistung. 1957 holte die BMW R 69 – das Traummotorrad schlechthin – sensationelle 35 PS aus ihrem zweizylindrigen Boxer. 20 Jahre später schüttelte Honda ganz locker 100 PS aus ihrem Sechszylinder der CBX. Vielleicht mal eine weitere Möglichkeit für mich, hier im Kradblatt Äpfel und Birnen miteinander zu
vergleichen …

Beim Fahren mit der SB 350 ist mehr zu beachten
Beim Fahren mit der SB 350 ist mehr zu beachten

Beide DKW haben einen Blockmotor, in dem auch die Kupplung und das Getriebe sitzen. Das Dreigang-Getriebe der Vorkriegs-DKW wird mit der linken Hand am Tank geschaltet, während die jüngere eine Viergang-Fußschaltung hat.

 Obwohl die Modernere nur den halben Hubraum hat, haben beide fast die gleiche Leistung, nämlich rund 10 PS.

Während motortechnisch in den 20 Jahren wenig passierte, liegen zwischen den Fahrwerken Welten. 

Vorkriegstechnik mit 10 PS aus 350 ccm
Vorkriegstechnik mit 10 PS aus 350 ccm

Die Vorkriegs-DKW hat einen Starrrahmen, Trapezgabel und einen gut gefederten Ledersattel. Der breite Lenker und die FuĂźrasten an der richtigen Stelle sorgen fĂĽr eine perfekte Sitzposition, entspanntes Fahren und trotzdem akzeptablen Federungskomfort.

Die Sitzpostion der jüngeren ist nicht annähernd so bequem. Trotz perfektem Federungskomfort durch das Vollschwingenfahrwerk und die breite Sitzbank.

Bremsen tun beide für damalige Verhältnisse sehr gut. Sowohl die prähistorische Halbnabenbremse (Achtung: hier wird mit der Hacke statt der Fußspitze gebremst!) als auch die modernere Vollnabenbremse.

Mir persönlich macht das Fahren mit dem Vorkriegs-Oldie mehr Spaß. Coolere Sitzposition und kernigerer Sound durch die beiden wenig gedämpften Fischschwanz-Auspufftöpfe. Nicht nur der größere Hubraum ist ausschlaggebend. Oldtimer-Fahrer haben auch noch andere Prioritäten. Die optische Erscheinung und Ausstrahlung haben eine ganz besondere Bedeutung. Klarer Punktsieg also für die SB 350!