aus Kradblatt 8/23 von Jochen Auffarth
Mutiger Umbau oder Sakrileg?

Ich hatte in meinem Leben bereits viele Motorräder. Frei nach dem Motto „Hubraum ist durch nichts zu ersetzen“ habe ich mich viele Jahre durch Harley & Co. geschraubt. Am Ende waren die Bikes so groß und schwer, dass ich keine Lust mehr hatte, sie für kurze Fahrten aus der Garage zu zerren. Schließlich wurde auch der letzte, über 300 Kilo schwere 6-Zylinder, verkauft und dafür ein neues Fahrrad angeschafft.
Schnell wurde mir das Radfahren zu langweilig. Die Lösung schien ein Umbausatz aus China zu sein. Nabenmotor, Batterie und Regler für rund 400 Euro. Bestellt, eingebaut und los ging’s.
Mein Fahrrad fuhr nun quasi ganz von selbst und die Fahrleistungen des Nabenmotors waren beeindruckend. Kraftvoll, lautlos und relativ ausdauernd schob mich der neue Antrieb über den Radweg. Und da war es wieder – das Motorradgefühl. Über Nacht wurde ich zum begeisterten Radfahrer – allerdings mit heftiger Unterstützung eines bürstenlosen Elektromotors.
Leider musste ich schnell feststellen, dass der Radweg keine Rennstrecke ist. Der tägliche Slalom um freihändig telefonierende Teenager, unsichtbare Hundeleinen und träumende Erstklässler war einfach zu gefährlich, als dass wirklich Fahrspaß aufkommen konnte. Es musste eine bessere Lösung her.

Das neue Gefährt sollte leicht und handlich wie ein Fahrrad sein, aber auch auf Bundesstraßen gut mithalten können, damit ich nicht ständig einen Brummi im Nacken haben würde. Schließlich sollte das neue Elektrofahrzeug auch den Diesel auf dem Weg zur Arbeit ersetzen und zumindest im Sommer mein ökologisches Gewissen beruhigen. Aber vor allen sollte das neue Gefährt super cool sein und abgehen wie ein Turnschuh.
Da ich schon immer altes Eisen lieber mochte als Joghurtbecher und ein wenig Werner-Blut durch meine Adern fließt, beschränkte ich meine Suche auf Motorräder der Nachkriegsjahre. Die relativ kleinen Krafträder mit ihrer einfachen Struktur würden eine perfekte Basis für einen batteriebetriebenen Red Porsche Killer bieten.
Ich fand schnell eine NSU Fox aus 1951. Scheunenfund, ohne Motor, ohne Räder und auch sonst war nicht wirklich viel dran – eben perfekt für einen Elektroumbau. Die Nachkriegsmodelle glänzen aber nicht nur durch ihren puristischen Charme, das frühe Baujahr bringt noch einen entscheidenden Vorteil mit sich: Bei der späteren TÜV-Abnahme ist keine Elektromagnetische Verträglichkeitsprüfung (EMV) der Gesamtanlage notwendig!
Erfahrene Schrauber wissen was jetzt kommt: Erst mal zum TÜV. Nachdem der TÜV meiner Heimatstadt wenig Interesse zeigte, mich bei dem Projekt zu unterstützen, habe ich beim TÜV Oldenburg vorgesprochen. Hier war die Reaktion eine ganz andere. Die Prüfer hatten bereits einschlägige Erfahrung mit Elektroumbauten und verfügten offensichtlich über tiefreichende Fachkompetenz. Nach einem ausführlichen Telefonat und einigen E-Mails stand der Masterplan.
Mit dem wertvollen Hinweis in der Tasche, dass sich der Elektro-Umbau möglichst am TÜV Merkblatt 764 orientieren solle ging ich ans Werk. Ich hatte mir vorgestellt, die NSU mit einem 72 Volt System auszurüsten um ausreichend Leistung und Reichweite zu gewährleisten. Zwar muss bei der Installation von Systemen über 60 Volt die Hochvoltrichtlinie berücksichtigt werden, aber wie sich später herausstellte, ist das nicht so kompliziert wie es sich anhört. Als Antrieb kam nur mein geliebter Nabenmotor von QS mit einer Leistung von 4 kW in Frage, was in etwa der Leistung des ursprünglichen 4-Takters entspricht. Zur Steuerung des Motors habe ich mich für einen Regler von Sabvoton mit bis zu 150 Ampere Ausgangsstrom entschieden. Die Energie sollte ein Lithium-Akku mit einer Kapazität von 5 kWh liefern. Es war anfangs schwierig, die zukünftigen Fahrleistungen präzise vorauszusagen, aber mein Ziel war es, eine Höchstgeschwindigkeit von ca. 100 km/h und eine Reichweite von ca. 60 km zu erreichen.

Nun ging es an die Beschaffung der notwendigen Komponenten. Da wir uns zu diesem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt der ersten Corona-Welle befanden und der Verkäufer kein Interesse an einem Besichtigungstermin hatte, wurde mir die NSU zerlegt in vier Pappkartons zugeschickt. Die folgende Nacht verbrachte ich damit, alles zu demontieren und zum Sandstrahlen vorzubereiten. Die NSU sollte aber nicht nur elektrifiziert werden, auch alles andere sollte auf den neusten Stand der Technik gebracht werden. Kegelrollenlager im Lenkkopf, Öldruckstoßdämpfer, hydraulische Scheibenbremsen, Fingerabdrucksensor und LED-Beleuchtung sollten in das alte Blechkleid implantiert werden, ohne das äußere Erscheinungsbild zu sehr zu verunstalten.

Nachdem die Teile vom Sandstrahlen wieder auf der Werkbank lagen wuchs langsam das Gesamtbild eines Elektrofahrzeugs vor meinem inneren Auge und ein Foto an der Wand erinnerte mich ständig an den Originalzustand der alten Dame. Nach einigen Tagen der Unentschlossenheit entschied ich mich für Räder und Bremsen von Simson, einen Monodämpfer von KTM und die LED-Beleuchtung einer Sportster. Ganz am Ende stand der Akku. Ursprünglich hatte ich geplant den Akku vollständig selbst herzustellen, um den vorhandenen Raum mit gebrauchten 18650er Zellen möglichst vollständig auszufüllen. Aber ich wurde von der Realität eingeholt. Erstens benötigte ich all die kleinen Ecken für Sicherungen, Ladebuchse, Kabel usw. und zweitens steckt in einem guten Akku eine Menge Arbeit. Also entschied ich mich einen Standard-Akku einzusetzen. Nach einigen Pappmodellen konnte ich die Größe des Batteriekastens bestimmen und den Akku bestellen. Die drei Monate Reisezeit aus China nutzte ich für den Bau des Batteriekastens und die Lackierung.

Ursprünglich hatte ich mich für ein schönes, freundliches Schwarz entschieden. Nach dem die Teile grundiert und mit 2 Schichten schwarzem Decklack beschichtet waren, wurde ich erneut von der Realität eingeholt – das Ergebnis war scheiße. Mein Dachdecker sagte mal: „Was du nicht wegschummeln kannst musst du betonen“ und dank YouTube hatte ich auch schon einen passenden Notfallplan in der Tasche. Ich tupfte hier und da ein wenig Zahncreme auf die schwarzen Teile. Danach lackierte ich 2 Schichten Silber darüber. Als alles Trocken war, konnte ich die Zahncreme mit einen Tuch abwischen und der schwarze Lack kam wieder zum Vorschein. Zum Schluss noch mit schwarz übergenebelt, Klarlack drauf und schon sah die Mühle aus, als hätte Steve McQueen grade ein paar schnelle Runden gedreht.
Die TÜV-Abnahme war ein absolut positives Erlebnis. Wie im Merkblatt 764 beschrieben hatte ich eine perfekte Dokumentation angefertigt. Neues Benutzerhandbuch, Elektroschaltplan, Komponentenliste, Datenblätter usw. Damit hatte ich bereits 99 von 100 Punkten erreicht und ein Lächeln in die Gesichter der Prüfer gezaubert. Der Rest war Routine. Checkliste abgearbeitet, Lichttest, Probefahrt und zum Schluss noch ein paar Selfies der begeisterten Prüfer.
Letztendlich übertreffen die Fahrleistungen der alten Dame meine kühnsten Hoffnungen. Höchstgeschwindigkeit und Reichweite sind zwar genau im erwarteten Bereich, aber das leichte Handling, die kraftvolle Beschleunigung und das geschmeidige Kurven- und Bremsverhalten sind einfach phantastisch und lassen daneben jede Harley alt aussehen. Nur die große Tour in den Süden schafft der kleine Renner wohl nicht.
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Kommentare
2 Kommentare zu “NSU Fox Bj. 1951 – Upgrade mit E-Motor”
Respekt – eine klasse technische Leistung + der Fahrspaß dürfte enorm sein !
Ich würde ja sagen „Mutige Wiederbelebung“. Ansonsten wäre die alte Dame als Teilespender verdunstet.