Es geht auch ohne Nordkap …
aus Kradblatt 12/24 von Jürgen Daug und Stefan Below
Nach meiner Tour nach Schottland (siehe Kradblatt 1/23) hatte ich mir als nächstes Ziel Norwegen ausgesucht.

Dieses Mal hatte ich einen Mitfahrer gefunden, Stefan, den ich schon aus den 1980er Jahren kenne. Er hat im Gegensatz zu mir schon mehr Tourerfahrung und legte Wert auf ein Mindestmaß an Planung.
Wir waren uns einig, dass wir nicht bis hoch zum Nordkap fahren wollten. Dafür wollten wir fahrfreie Tage einbauen, um uns die Gegend anzusehen. Unser Plan war, mit der Fähre von Kiel nach Oslo, dann direkt nach Trondheim und von dort die Küste herunter bis Kristiansand zu fahren. Von dort mit der Fähre nach Dänemark und heimwärts nach Burgdorf bei Hannover. Zeitvorgabe zweieinhalb Wochen.
Der Start an einem Samstagvormittag im Juli war schon einmal super. Als ich um 9.30 Uhr bei Stefan eintraf, war dieser noch am Koffer seiner 790er KTM beschäftigt. Ich stellte meine vollgepackte Honda Deauville ab, ging noch einmal um die Maschine herum und sah eine Schraube, welche in meinem Vorderreifen steckte. Bevor ich in Panik verfallen konnte, gab mir Stefan eine Reihe von Adressen, bei denen ich anrufen sollte. Bei Team Voiges, einem Yamahahändler mit Werkstatt in Uetze, hatte ich nach vielen Absagen Glück. Die haben mir innerhalb einer Stunde einen neuen Reifen montiert. Hier noch einmal vielen Dank an das Team.

Dann aber los, die erste Übernachtung war auf einem Campingplatz in Kiel geplant. Die Fahrt dorthin verlief problemlos, außer dass es kurz vor Kiel anfing zu regnen. Super, Zelte aufbauen im Regen macht Spaß. Im Zelt nebenan saßen Erika und Mike aus den Niederlanden, welche mit ihren Motorrädern ebenfalls nach Norwegen wollten. Wir haben uns bis in den späten Abend nett unterhalten, bis wir ins nasse Zelt krochen. Als wir am nächsten Morgen unsere nassen Zelte einpackten, brachen die beiden auch auf und suchten sich erst mal ein Hotel. Wir aber fuhren zur Fähre.

Während der 20-stündigen Fährfahrt gelang es mir, mein Zelt zu trocknen. In Oslo angekommen, fuhren wir direkt los in Richtung Trondheim. Vorbei an Lillehammer, übernachteten wir auf einem Campingplatz in Sjoa in einer Hütte. Die Campingplätze bieten dort fast alle Hütten, Cabins genannt an, die Preise beginnen umgerechnet bei ca. 50 € die Nacht, je nach Größe. Absolut empfehlenswert, ein Dach über dem Kopf, ein Bett und Strom, während der Regen aufs Dach prasselte.
Am nächsten Tag ging es weiter nach Trondheim. Hier mussten wir über einige Pässe fahren, auf denen ein eisiger Wind pfiff. Ich habe mir erst mal den Hintern abgefroren, bis ich mein Winterfutter in die Jacke machte. Anfängerfehler, meinte Stefan. Er hatte das bereits vor dem Start erledigt (Tourerfahrung).
Nachdem wir Trondheim erreicht und im Zuge eines fahrfreien Tages erkundet hatten, fuhren wir nach Byskogen, einem Campingplatz bei Kristiansund. Auch hier folgte ein zweiter Tag, weil wir die Atlantikstraße mit der Storseisund-Brücke ausgiebig befahren wollten. Das wurde mir als ein Highlight empfohlen und war auch wirklich empfehlenswert, besonders das Fischerdorf Bud hat uns sehr gefallen.
Am nächsten Tag ging es weiter in Richtung Bergen. Hier fuhren wir bis Sandane, wo wir wieder einen schönen Campingplatz fanden. Besonders schön war aber, dass wir tatsächlich mal ohne Regenkombi unter einem blauen Himmel fahren konnten. Allerdings begann, kurz nachdem wir unsere Hütte bezogen hatten, ein Gewitter. Tags darauf ging es weiter nach Bergen, leider wieder von Regen begleitet.

In Bergen suchten wir uns einen Campingplatz, der recht zentral in der Stadt liegt, was sich gleich im Preis bemerkbar machte. Wir wollten am nächsten Tag mit dem Bus nach Bergen fahren und nicht in Motorradkluft die Stadt erkunden. Auf dem Campingplatz trafen wir Mike und Erika wieder, welche wir ja in Kiel kennengelernt haben. Wir saßen abends noch lange zusammen und tauschten unsere Erfahrungen aus. Die beiden hatten mit dem Wetter wesentlich mehr Glück gehabt als wir. Am nächsten Tag fuhren wir zu viert mit dem Bus nach Bergen und verbrachten dort einen tollen Tag bei schönstem Wetter. Ein Tag ist für Bergen eigentlich viel zu wenig Zeit, die Stadt ist einfach super und es gibt sehr viel zu sehen.

Weiter ging es zum Preikestolen. Auf diese Felsplattform wollte ich unbedingt hinaufklettern, weil dort die Aussicht spektakulär sein soll. Auf dem örtlichen Campingplatz merkten wir aber schon, dass dort ein unglaubliches Gewusel tobte – die YouTuber und Instagrammer schienen den Platz fest in der Hand zu haben. Nichts für uns, wir suchten uns einen ruhigen Campingplatz in Tysdal, ca. 35 km entfernt. Hier beschlossen wir, den nächsten Tag getrennt zu verbringen. Stefan wollte sich diesem Gewimmel von den Internetsternchen nicht aussetzen, da bekäme er nur einen zu hohen Puls; und ich wollte unbedingt bergsteigen.
Am nächsten Morgen fuhr ich also bei Kaiserwetter zum Parkplatz am Preikestolen und merkte beim Aufstieg, dass es hier zwei Schlangen gab. Eine Schlange stieg den Berg herauf, die andere war auf dem Rückweg. Zu Tode erschöpft, kam ich nach 100 langen Minuten oben an und genoss eine wundervolle Aussicht. Leider konnte ich diese nicht in Ruhe genießen, da die Instagrammer und YouTuber sehr aktiv mit ihren Auftritten im Netz beschäftigt waren. Gelohnt hat sich der Aufstieg für mich dennoch, die Aussicht ist wirklich spektakulär. Wenn man mehr Ruhe haben will, muss man halt sehr früh oder abends hinaufklettern.

Während ich mich vom Preikestolen die 600 Meter in den Lysefjord herabschaute, fuhr Stefan mit seiner KTM direkt am Lysefjord herum und hatte einen schönen Tag. Dadurch hat er sich auch einen dreitägigen, tierischen Muskelkater erspart.
Abends in unserer Hütte in Tysdal stellten wir fest, dass wir mit unserer Tour eigentlich zu schnell sind und beschlossen, noch für einige Tage nach Schweden zu fahren, dort einige schöne Tage zu verbringen und dann die Fähre von Trelleborg nach Rostock zu nehmen. So fuhren wir am nächsten Tag bis nach Risør und buchten dort unsere letzte Hütte in Norwegen.

Tags darauf fuhren wir wieder nordwärts bis Horten und setzten mit der Fähre nach Moss über. Dann wieder südwärts, überquerten wir die schwedische Grenze und fanden einen Campingplatz in Kungsbacka, ca. 30 km südlich von Göteborg, wobei wir feststellten, wie hilfsbereit und nett die Schweden sind: Auf dem ersten Campingplatz gab es keine freien Hütten. Die Mitarbeiterinnen vom Platz telefonierten daraufhin mindestens 6 Plätze ab und zeigten uns anschließend auf einer Karte, wo eine Hütte für uns bereits reserviert war – unglaublich!
In Kungsbacka verbrachten wir einen schönen Tag – seit unserem Besuch in Bergen hatten wir nämlich auch mit dem Wetter Glück gehabt.

Am folgenden Tag packten wir unsere Sachen. Wir wollten uns eine gemütliche Hütte an einem See suchen und dort noch einige schöne Tage verbringen. Mittags begann es dann zu regnen. Der Regen wurde immer schlimmer, bis er zu einem Sturm anwuchs. Wir beschlossen, bis zur Ostküste durchzufahren, in der Hoffnung, dass der Sturm dort schneller wieder nachlassen würde. Dort suchten wir den nächsten Campingplatz auf und versuchten eine Hütte zu bekommen. Leider war keine frei und ans Zelten war bei dem Sturm nicht zu denken.
Auf dem Weg zu einem anderen Zeltplatz kamen wir an einer Hotel- oder Motelanlage vorbei und wollten, nass bis auf die Haut, dort unser Glück versuchen. Leider war alles verschlossen. Aus einem Nachbarhaus rief eine Frau Stefan zu, dass die Anlage drei Tage geschlossen sei, und fragte, wo wir herkämen. Als er ihr antwortete, dass wir aus Deutschland kamen, bot uns Ylva, so ihr Name, an, bei ihr im Wintergarten unterzukommen. Dieses Angebot nahmen wir natürlich dankbar an. Sie heizte den Wintergarten mit einem Gasofen an und kochte uns erst mal einen Kaffee. Als abends ihr Mann, Kjell, dazukam, beschloss dieser, dass wir in seinem Wohnmobil schlafen sollten. Es wurde ein gemütlicher Abend bei diesen schwedischen Engeln. Sie erzählten uns auch, dass der Sturm noch mindestens drei Tage andauern würde. Daher beschlossen wir, am nächsten Tag trotz des Sturmes nach Trelleborg zu fahren und vorzeitig eine Fähre nach Rostock zu nehmen. So starteten wir am nächsten Morgen, in wieder trockener Motorradkleidung, zum 120 km entfernten Trelleborg, nachdem wir uns ganz herzlich von unseren Rettern verabschiedet hatten.

Die Fahrt dorthin war sehr spannend, bei Tempo 60 fuhren wir häufig in voller Schräglage, um die seitlichen Windböen auszugleichen. Als wir nach einem verkehrsbedingten Halt mal wieder anfuhren, hat es mich mit meiner Honda sogar von der Straße geweht. Gott sei Dank ist weder der Honda noch mir etwas passiert. Wir erreichten die Fähre rechtzeitig und fuhren um 15 Uhr ab nach Rostock. Von dort aus ging es nach einer letzten Übernachtung wieder nach Burgdorf.
Im Nachhinein stellten wir fest, dass dieses Sturmtief namens Hans in Schweden und Norwegen schwere Verwüstungen hinterlassen hatte und wir Glück gehabt hatten, noch rechtzeitig mit einer Fähre nach Deutschland zu kommen. Bei Ylva und Kjell ist Gott sei Dank alles heil geblieben, wie sie uns kürzlich schrieben.
Fazit: Was habe ich gelernt?
1. Norwegen bietet großartige Landschaften mit vielen Fjorden, welche oft mit Fähren überquert werden, vielen langen Tunneln und vielen langen Brücken. 2. Die Schweden sind unglaublich hilfsbereit und herzlich. 3. Eine anständige Motorradausrüstung ist kein Luxus, sondern notwendig, wenn man richtige Touren fahren will. Ich habe mich nach der Tour erst mal von meinen Schönwetterstiefelchen getrennt und mir ein paar anständige Motorradstiefel gekauft. Mit trockenen Füßen fährt man eben besser.

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