aus Kradblatt 1/23 von Jürgen Daug

Seit vielen Jahren schwärmten mir immer wieder Bekannte von Schottland vor. So hatte sich langsam die Idee in meinen Kopf gebohrt, dort einmal hinfahren zu müssen, doch 2020 hat Corona sämtliche Reisepläne zunichtegemacht und 2021 haben es die Engländer nicht geschafft, die Tankstellen mit Benzin zu versorgen. So hatte ich mich sehr kurzfristig entschlossen, dieses Vorhaben 2022 durchzuführen. Also noch „last minute“ meine Honda Deauville, Baujahr 2001, durchchecken lassen und neue Reifen drauf (hier noch einmal Danke an Peter und Matthias), kurzfristig die Fähre von Amsterdam nach Newcastle gebucht und dann ging es am 11. Juli 2022 los.

Wolkenverhangen, der "Old Man Of Storr"
Wolkenverhangen, der „Old Man Of Storr“

Planung? Nö, nur bei der Fähre für den 11.7. die Hinfahrt und den 20.7. die Rückfahrt gebucht, zwei Wochen Urlaub geben nicht viel Reisezeit her. Für den Notfall ein altes Festivalzelt und Schlafsack eingepackt und auf ging es. Ich hörte ja auch immer, dass es durch Bed & Breakfast überall bezahlbare Übernachtungsmöglichkeiten gibt. Das war alles an Planung, alles andere wollte ich spontan entscheiden können.

Die Fahrt nach Amsterdam verlief problemlos und so konnte ich entspannt die Fahrt mit der Fähre genießen. Hier lernte ich Micha und seine Familie kennen, die mit zwei Bikes ihren Schrottlandtrip unternahmen. Im Gegensatz zu mir hatte sich Micha aber etwas mit Planung befasst. Wir wollten alle unsere Tour in Edinburgh beginnen und beschlossen, gemeinsam zu fahren.

Auf dem Weg nach Edinburgh machten wir einen Stopp am Bamburgh Castle. Die Besichtigung dieser Burg kann ich jedem nur empfehlen, da man auch die Räumlichkeiten ausführlich besichtigen kann. Wirklich beeindruckend. Die Idee kam von Micha, siehe Planung …

Gegen Abend kamen wir dann in Edinburgh an. Micha hatte schon ein B & B von Deutschland aus gebucht. Ich dagegen rief eine gute halbe Stunde die halbe Seite der aufgelisteten B & Bs an um immer wieder „no vacancies“, d. h. ausgebucht zu hören. Nach einer knappen Stunde beschloss ich nach Campingplätzen zu suchen und wurde schnell fündig. Auf dem Campingplatz wurde ich sehr freundlich begrüßt. Ich begann zu verstehen, was meine Bekannten meinten, als sie immer sagten, die Schotten seien alle so cool. 

Bummel durch Edinburgh
Bummel durch Edinburgh

Am nächsten Tag traf ich mich mit Micha und Familie, um Edinburgh zu erkunden. In Kürze: Mich hat noch nie eine Stadt so begeistert wie diese. Die historischen Gebäude, aber vor allem die gesamte Atmosphäre dieser Stadt, unglaublich. Aber Vorsicht: In Edinburgh werden sehr viele Motorräder gestohlen. Schilder weisen darauf hin. 

Auf meinem Campingplatz wurde Lars, einem dänischen Biker, seine BMW 20 Meter von seinem Zelt entfernt gestohlen – meine alte Honda blieb verschont. Gott sei Dank wurde sie bald gefunden und die Truppe vom Campingplatz organisierte noch eine Werkstatt, welche die massiven Schäden beseitigte, sodass Lars seine Reise zumindest fortsetzen konnte. (Schotten sind cool). Glück im Unglück aber ein Sch… Start für seine Motorradtour.

Blick auf Loch Ness
Blick auf Loch Ness

Am nächsten Morgen packte ich meine Ausrüstung zusammen und startete nach Inverness. Mein Weg führte mich durch den Cairn­gorms Nationalpark, wo ich schon einen guten Vorgeschmack auf die Highlands bekam. Saucoole Landschaft, Single Track Roads, das volle Programm. 

Gegen Abend erreichte ich Inverness und machte mich auf die Suche nach einem B & B. Wie bereits in Edinburgh wurde es allerdings ein Campingplatz, alles ausgebucht. Ich erfuhr, dass hier am Samstag die Highlandgames stattfinden, cool, die nehme ich natürlich mit. 

Da ich den Freitag noch irgendwie herumkriegen musste, fuhr ich am nächsten Tag von Inverness nach Fort Augustus, immer am Loch Ness entlang und wieder zurück. Mein Fazit: Landschaftlich nicht schlecht, aber nicht überwältigend. Der Blick auf den Loch Ness wird immer wieder von Büschen und Bäumen versperrt. Sicht ist aber häufig an Park- und Aussichtsplätzen möglich. Es gibt aber wesentlich schönere Landschaften in Schottland. Den Nessie-Kitsch habe ich mir übrigens erspart. 

Meinen Platz auf dem Campingplatz hatte ich übrigens gleich behalten.

Highland-Games in Inverness
Highland-Games in Inverness

Samstag besuchte ich dann die Highlandgames in Inverness. Hier werfen ja bekanntlich Männer in Röcken mit Baumstämmen. Aber die Atmosphäre dieser Highland­games ist einfach super. Dieses Miteinander, wie die Schotten leben und die Touristen mit einbeziehen, ist einfach fantastisch. Auch zeigte sich hier, wie auch bei den Kindern die Traditionen weitergeführt werden. Einfach ein Supertag mit vielen tollen Eindrücken die bleiben.

Am Sonntag packte ich wieder meine Sachen und startete nach Portree auf der Isle of Skye.

Camper auf dem Platz wünschten mir Glück. Sie waren eine Woche dort gewesen und es habe nur geregnet. Egal, ich wollte dorthin und bislang hatte ich es geschafft, im Urlaub in Schottland nicht einmal meine Regenkombi anziehen zu müssen. 

Ich erreichte Portree am Nachmittag und suchte nach einem B & B. Und jetzt alle: Es wurde ein Campingplatz. Da ich noch etwas Zeit hatte, fuhr ich zum Old Man of Storr, dieser hatte sich aber hinter tiefhängenden Wolken versteckt. So kehrte ich zum Campingplatz bei Portree zurück.

Am nächsten Morgen packte ich meine Sachen und erkundete die Isle of Skye. Nochmals nordwärts am Old Man of Storr vorbei, heute war er sichtbar, bis zur Ortschaft Staffin. Dort nahm ich die Staffin Road.  Diese Strecke wurde mir als Tipp empfohlen und war auch absolut toll zu fahren. Halt eine Single Track Road, das macht absoluten Spaß zu fahren. Danach besichtigte ich noch das „Skye Museum of Island Life“, ein Freilichtmuseum mit mehreren Reetdachhütten, welches das frühere Leben der Bewohner auf Skye zeigt. Hier gab mir ein deutscher Biker einen Tipp: Wenn ich bei der Zimmersuche Probleme hätte, solle ich einfach mal eine Touristeninformation besuchen. Die würden mir helfen. 

Campingplatz bei Portree
Campingplatz bei Portree

Hochmotiviert fuhr ich nach Portree und suchte eine solche auf. Ein junger Mann gab sich wirklich große Mühe und fand nach einer halben Stunde ein Quartier in Fort William, ca. 170 km entfernt. Egal, ich wollte mal wieder in einem Bett schlafen. Also rauf auf den Bock und los. Gegen 19 Uhr war ich dann dort und verbrachte eine unglaublich bequeme Nacht in einem Bett, nachdem ich Fort William abends noch erkundet hatte. 

Dei Brücke des "Hogwarts Express"
Dei Brücke des „Hogwarts Express“

Wie neugeboren fuhr ich am nächsten Morgen erst einmal zum Glenfinnan Viaduct und hatte noch gerade Glück, den Hogwarts Express zu sehen, als ich auf dem Parkplatz mein Motorrad abstellte. Nach einer kurzen Rast befolgte ich den Rat meiner Zimmerwirtin und fuhr durch das Glencoe Valley. Für mich ein absoluter Geheimtipp mit Gänsehautgarantie – so schön!

Da ja leider am nächsten Tag meine Fähre gebucht war, beschloss ich, möglichst weit zurück in Richtung Edinburgh zu fahren, um den Weg nach Newcastle nicht zu lang werden zu lassen. Ich fuhr bis 19:30 Uhr und googelte nach Campingplätzen im Umfeld von Stirling. Ich steuerte dann den nächsten an und erfuhr vor Ort, dass dieser Platz aber nur für Wohnmobile gedacht war. Freundlicherweise durfte ich aber auf einer Pferdeweide zelten, was ich dankbar annahm. 

Frühmorgens wieder einpacken und zur Fähre fahren, was alles recht problemlos klappte.

Bamburg Castle
Bamburg Castle

Fazit: Neun Tage Zeit, ohne Planung durch Schottland. Ist das ratsam? Ja, absolut. Ich mag es nicht, eine Motorradtour komplett durchzuplanen, wenn ich noch gerne fahren möchte, will ich das auch tun können. 

Wäre ich nicht alleine unterwegs gewesen, hätte ich natürlich ganz anders planen müssen, zumindest das ewige Zelten wäre mir dann wohl erspart geblieben. Allerdings wäre auch die Spontanität auf der Strecke geblieben. Glück gehört natürlich immer dazu, ich habe es geschafft, einen Schrottlandurlaub zu fahren, ohne einmal die Regenkombi anziehen zu müssen (aber die Rückfahrt von Amsterdam nach Burgdorf bei Hannover – da hat es vielleicht gegossen …), und habe mir auf einer Strecke nur in Schottland von zweitausend Kilometern vieles ansehen können.

Letztendlich sind neun Tage natürlich viel zu wenig Zeit für so ein wunderschönes Land und ich werde dort mit Sicherheit noch einmal hinfahren, vielleicht mit einem Wohnmobil? Ich werde bald 60, da verliert das Zelten etwas an Reiz. Und ja, die Schotten sind echt cool und ich gehöre jetzt zu den Leuten, welche in den höchsten Tönen von Schottland schwärmen. 

Die nächste Tour geht nach Skandinavien, Lars hat mir da einen Floh ins Ohr gesetzt, vermutlich wieder ohne Plan, aber dafür mit Zelt …