Adrenalin pur rauschte durch unsere Adern, als wir unsere Royal Enfield starteten. Durch das enge Gassengeflecht steuerten wir die schwer beladene Maschine aus Rishikesh hinaus. Ein rund 2.300 km langes Abenteuer lag vor uns.

Von Uttarakhand nach Punjab

Das erste Ziel war Amritsar. Die 430 km lange Etappe war unmöglich in einem Tag zu schaffen. Dafür waren die Straßenverhältnisse und der Verkehr zu chaotisch. Auch die Tatsache, dass wir zu zweit auf dem Motorrad saßen, machte die Fahrt nicht unbedingt komfortabler. Die erste Nacht verbrachten wir in dem eher unscheinbaren 320.000 Einwohner starken Städtchen Ambala. Tatsächlich war es dort nicht so einfach überhaupt eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden.

Mehrere Hotels wollten uns nicht aufnehmen. Sie seien nur einheimischen Gästen vorbehalten. Ob das eine Ausrede oder die Wahrheit war, sollten wir nie erfahren. Schlussendlich fanden wir eine Unterkunft und verbrachen dort unsere erste Reisenacht.

Der frühe Aufbruch um 5 Uhr morgens sollte für die nächsten rund sechs Wochen bald eine Tradition werden. Die unerträglichen Temperaturen bis zu 40 °C machten eine Fahrt um die Mittagszeit zur Tortur. In den frühen Morgenstunden war es dagegen so kühl, dass mehrere Schichten Kleidung notwendig waren.

Einen besonderen Zauber hatten die ersten Pausen des Tages inne. Um die Zeit des Sonnenaufgangs fing es in den Dörfern am Wegesrand an, geschäftig zu werden. Ein zuckersüßer Chai-Tee sorgte bei jedem ersten Stopp des Tages für ein wohliges Gefühl im Bauch.

Am zweiten Tag legten wir einen Zwischenstopp auf einer Pferdefarm in Ludhiana ein. Dort gab es nicht nur anmutige Stuten und Hengste zu sehen. Auf dem Anwesen tummelten sich auch Ziegen, Hunde, Hühner und Katzen. Nach einem Essen und viel Chai ging es weiter gen Amritsar. Auf goldentempleamritsar.org hatte ich viele Stunden mit Recherche über die Stadt und ihre Hauptattraktion verbracht.

Nordindien & Nepal - bleibende Erlebnisse und Bilder mit Royal Enfield

In der Stadt mit dem goldenen Tempel sollten wir in den frühen Abendstunden eintreffen. Der Verkehr war brutal. Wir verloren immer wieder die Orientierung. Amritsar ist für mich bis heute die verschlungenste Stadt Indiens. Denn auch die Abfahrt vier Tage später gestaltete sich schwierig. Trotz GPS irrten wir stundenlang durch das Straßengewirr und fanden den Weg aus dem Ort nicht.

Vielleicht wollte diese wunderschöne Stadt uns auch einfach nicht ziehen lassen? Den goldenen Tempel besuchten wir gleich zweimal. Einmal zum Sonnenuntergang, einmal morgens. Das faszinierende Gebäude inmitten des Wassers raubte uns den Atem. Die religiösen Gesänge aus den Lautsprechern hüllten uns ein. Menschen wurden unentgeltlich verköstigt. Im Goldenen Tempel wird niemand abgewiesen. Jeder kann gratis für ein paar Tage hier schlafen und sich versorgen lassen.

Dennoch war irgendwann der Tag gekommen, an dem wir das spirituelle Zentrum der Sikh im Bundesstaat Punjab verlassen mussten. Die Fahrt ging weiter in Richtung Rajasthan und war nicht gerade gesegnet. Durch ein Missverständnis beim Abbiegen kam es zu einem Unfall. Ein Kleinlaster schrammte uns seitlich. Glücklicherweise passierte uns dabei weniger als dem Motorrad. Der Unfall passierte zwar auf einer größeren Straße, allerdings war dort kein Ort in der unmittelbaren Nähe.

Unser Enfield war zwar lädiert, aber noch fahrtauglich. Trotz unseres Schocks fuhren wir in den nächsten Ort. In Muktsar gab es nicht nur einen exzellenten Mechaniker, sondern auch köstliche Pralinen und ein gemütliches Hotel. Die Reparatur sollte den ganzen nächsten Tag dauern. Am darauffolgenden Abend lieferte der Mechaniker unser Motorrad an. Der Hotelchef bestand darauf, dass wir das Bike in der Hotellobby parkten. Bis heute ist mir schleierhaft, warum. Die Stadt machte mir keinen außergewöhnlich kriminellen Eindruck. Dafür prägte sich die Enfield an der Rezeption für immer in meinem Gedächtnis ein.

Der Unfall hatte einige Prellungen verursacht, weshalb wir die nächste Übernachtung bereits in Sri Ganganagar einlegten. Hier trafen wir erneut in einer Stadt ein, in der es keine Unterkunft für Ausländer zu geben schien. Nach langem Suchen fanden wir schlussendlich ein Bett für die Nacht. Es lag allerdings weit über unserem Budget. Gemütlich war es trotzdem.

Ankunft in Rajasthan

Am nächsten Tag sollte sich unser Schicksal wenden. Wir erreichten die märchenhafte Stadt Bikaner in Rajasthan. Eine liebenswürdige Familie lud uns ein, bei ihnen zu wohnen. Wir bezogen ein Zimmer wie aus tausendundeiner Nacht. Ein weitläufiger Garten lud zum Entspannen ein. Die Dachterrasse war ein traumhafter Treffpunkt in den Nachtstunden.

Auch die Stadt selbst ist absolut sehenswert. Mitten in der Wüste erhebt sich das Fort Janagarh. In dem eindrucksvollen Bauwerk aus dem 16. Jahrhundert verbrachten wir viele Stunden.

Nordindien & Nepal - bleibende Erlebnisse und Bilder mit Royal Enfield

Gemeinsam mit unserer Gastfamilie Singh erkundeten wir Basare und besuchten Einheimische. Wir fühlten uns so wohl, dass wir eine ganze Woche in Bikaner blieben. Das gab uns Zeit, das Motorrad einer genauen Inspektion zu unterziehen. Wir füllten unsere Kraftreserven und Vorräte. Außerdem wurde die weitere Route festgelegt.

In Rajasthan ist die Auswahl an sehenswerten Orten enorm groß. Leider hatten wir leichten Zeitdruck. Unsere Visa standen kurz vor dem Ablaufen, weshalb wir den Grenzübertritt nach Nepal zeitnah antreten mussten. Wir beschlossen Pushkar, Bundi und Jaipur zu besuchen.

Pushkar ist ein lebendiges, buntes Städtchen. Wir trafen kurz nach dem jährlichen Kamelmarkt ein. In den Gassen rund um den heiligen Pushkar-See tummelte sich das Leben. Aber der große Ansturm der Millionen von Menschen war bereits vorüber. Auch hier verbrachten wir mehrere Tage. Das Umland mit schroffen Bergformationen, idyllischem See und kleinen Dörfern ist bequem mit der Enfield zu erkunden. Die Abwechslung zwischen quirliger Stadt und weitem Land fühlt sich großartig an.

In Bundi trafen wir ein paar alte Bekannte. Das Umland beeindruckte uns mehr als die Stadt selbst. Wir fuhren zu Sukh Mahal. An dem großen Seerosenteich steht das Haus, in dem Rudyard Kipling angeblich das Dschungelbuch schrieb. Hier reichte ein kurzer Stopp aus, weil wir das Haus nicht betreten durften.

Wesentlich länger fiel unser Aufenthalt an den gigantischen Bhimlat-Wasserfällen aus. Der Weg vom Parkplatz ist relativ beschwerlich. Um zum See am Fuße des Wasserfalls zu gelangen, muss der Fluss zu Fuß überquert werden. Danach geht es über Treppen viele Meter in die Tiefe. Unten erwartete uns ein dicht bewachsenes Tal mit erfrischendem Gewässer die Besucher.

Nachdem wir uns in Rajasthan viel Zeit zur Erholung gegönnt hatten, mussten wir anschließend Tempo machen. Unsere Weiterfahrt nach Nepal stand an. Die Route sah Stopps in Bharatpur, Badaun und Rudrapur vor. Unser Ziel war der Grenzübergang Banbasa-Mahendranagar.

Nordindien & Nepal - bleibende Erlebnisse und Bilder mit Royal Enfield Der Weg nach Nepal

Besonders erwähnenswert war der Aufenthalt auf einer Biofarm in Bharatpur. Auf dem Gelände wuchsen allerlei Obst- und Gemüsesorten. Die Besitzer verwöhnten uns mit exzellentem Essen. Wir schliefen nicht auf der Farm, aber im günstigen Royal Guest House der Familie.

In krassem Kontrast dagegen stand der Ort Rudrapur. Selten haben wir uns irgendwo in Indien so unwohl gefühlt. Im letzten Stopp vor unserem Grenzübertritt ließen wir das Motorrad noch einmal überprüfen. Wir kauften zusätzliche Ausrüstung und stockten unseren Vorrat an Zündkerzen auf. Auf den staubigen Straßen tummelten sich die Menschen. Sie starrten uns unfreundlich an. Die lächelnden Gesichter, die uns sonst überall begegneten, fanden wir in Rudrapur nicht.

Der Grenzübergang lief problemlos. Wir mussten sowohl uns als auch unser Motorrad registrieren. Die Prozedur dauerte einige Zeit, weil der Ansturm groß war. Dennoch gab es keine Herausforderungen. Und das, obwohl die Motorradpapiere nicht auf unseren Namen ausgestellt waren.

Das kleine Städtchen Mahendranagar ist gemütlich. Wir verbrachten einige Tage im Hotel Opera. Eigentlich wollten wir nach einer Erholungspause wieder zurück nach Rishikesh. Da unser Visum für Nepal allerdings für einen Zeitraum von 14 Tagen ausgestellt war, beschlossen wir, ins Hinterland Nepals zu fahren. Ziel war das Doti-Tal. Die Berge und verträumten Ortschaften nahmen sofort unser Herz ein.

Nordindien & Nepal - bleibende Erlebnisse und Bilder mit Royal Enfield Dagegen erschütterten mehrere Zwischenfälle unser Nervenkostüm. Das Motorrad blieb immer wieder liegen. In der Region wird gepanschtes Benzin verkauft. Zündkerzen mussten beinahe im Stundentakt ausgewechselt werden, dennoch war die Tour den Stress wert. Mit steigenden Höhenmetern wurde es deutlich kühler. Wir mieteten uns in ein kleines Familienhotel ein. Einen Tag bevor unser Visum auslief, fuhren wir dann zurück zur Grenze.

Das Motorrad blieb irgendwo im Nirgendwo erneut liegen. An Handyempfang war nicht zu denken. Irgendwann kam ein Bus vorbei und ich fuhr alleine zurück in unseren Ausgangsort.

Stunden später hatte ich einen willigen Mechaniker gefunden. Er fuhr mit mir zum Bike zurück. Dort hatte sich mittlerweile eine Horde Helfer eingefunden. Zusammen machten sie die Enfield fit. Zumindest bis nach Mahendranagar konnten wir damit fahren. In diesem Moment wussten wir noch nicht, dass Stunden später ein plötzlicher Wintereinbruch die Region von der Außenwelt abschneiden sollte.

Die Reparatur des Bikes dauerte länger als gedacht. Wir überzogen unser Visum. Zwei Tage später reisten wir ohne gültige Papiere aus. Niemand hielt uns auf. Die restliche Tour nach Rishikesh machten wir Kilometer. Wir brauchten nur eine Übernachtung, bis wir wieder an unserem Ausgangsort angekommen waren.

Mein Fazit dieses Abenteuers: Es war nicht leicht, es war nicht romantisch, aber es hat mein Leben und meine Sicht auf die Welt für immer verändert. Obwohl diese Tour bereits sieben Jahre hinter mir liegt, prägt sie mich bis heute.

Jedes Jahr gestalte ich einen eigenen Tischkalender bei fotokalender.com. Speziell für die Monate Oktober/November verwende ich immer noch Bilder dieser Reise. Sie wecken stets aufs Neue Erinnerungen und die Sehnsucht nach Indien. Ich würde jederzeit wieder mit dem Motorrad durch das Land fahren. Aber nächstes Mal vielleicht durch Südindien.