Endurotour Korsika 1Endurofahren auf Korsika ist echter Balsam für die Seele. Gerade im Frühjahr, wenn bei uns noch Winter herrscht. Jogi hat es ausprobiert …

aus Kradblatt 6/16
Text: Jogi / penta-media.de
Fotos: Jörg van Senden, Carsten Scheibe, Robert Pairan

Mit japanischem 250er Enduro-Trio auf Korsika unterwegs!

Endurotour Korsika 1Die französische Insel Korsika ist als Eldorado für Motorradfahrer bekannt. Das gilt für ihre Straßen, sowie für ihre Offroad-Pisten.

Wir haben uns von Hamburg aus mit dem PKW und einem Motorradanhänger auf den Weg gemacht, um vom französischen Toulon aus mit der Fähre auf die Geburtsinsel Napoleons (1769) überzusetzen.
Eine ausgiebige Pause haben wir uns in Cassis, einer kleinen Hafenstadt gegönnt, die alle romantischen Klischees erfüllt. Es lohnt sich hier etwas zu verweilen, um die Zeit bis zur Abfahrt der Fähre in Toulon entspannt zu genießen. Auch der Ausblick auf die Bucht von Cassis ist grandios. Die Strecke bis nach Toulon beträgt insgesamt ca. 1600 km. Bei freier Fahrt und wechselnden Fahrern haben wir es locker in 24 Stunden geschafft. Anstrengend war es trotzdem. Beinahe 60 Euro haben wir für die Nutzung der Mautstrecken für einen Weg berappen müssen.

Endurotour Korsika Faehre ab ToulonDie Corsica Ferries ( www.corsica-ferries.de ) fahren über Nacht, so dass man am frühen Morgen in Ajaccio ankommt. Bereits die Fahrt mit einer der Fähren, deren Schornsteine der „testa mora“ ziert, ist ein Erlebnis. Das Einfahren in den Bauch der Fähre ist das reinste Chaos. Die Kabinen sind klein, eng und überheizt. Zum Schlafen und Duschen langt es jedoch. Die übrige Zeit verbrachten wir im Restaurant-Saal des Schiffes. Hier ist man sehr um Ambiente bemüht, was allerdings an den unrund laufenden Schiffsschrauben und Motoren scheitert. Die aus Blechpaneele bestehende Decke scheppert in allen Tonlagen. Bei der Titanic zitterten nur die Gläser, als sie den Eisberg streifte. Bei den Corsica Ferries hingegen wandern sogar die Speisekarten vom Tisch. Dafür gehen die Fähren nicht unter.

Im Restaurant machten wir die erste Bekanntschaft mit korsischem Bier der Marke Pietra. Es wird aus Wasser, Hopfen, Gersten- und Maronenmalz gebraut, ist äußerst schmackhaft und mit 6 % Alkohol auch recht kräftig. Es hilft prima in der engen Kabine besser schlafen zu können. Kein Wunder, dass es gleich in einer 0,75 Liter Flasche angeboten wird.

Endurotour Korsika BergdoerferSchon drei Stunden nach dem Anlegen der Fähre hatten wir unsere Residenz „Hotel Agula Marina“ erreicht, von wo aus wir unsere Exkursionen über die Insel starten wollten. Das Hotel liegt in der kleinen Ortschaft Tiuccia, im Westen der Insel. Wir haben uns auf den Westen der Insel beschränkt, da wir nur eine Woche Zeit hatten. Um die ganze Insel halbwegs zu erkunden bräuchte man mehrere Wochen.Damit ist praktisch schon vorprogrammiert, dass wir noch einmal wiederkommen müssen.

Jochen Ehlers, Geschäftsführer von Endurofuntours ( www.endurofuntours.com ) und Korsika-Kenner, hat uns bei unseren Tagestouren geführt und uns Richtung Norden bis Porto und in das Landesinnere bis nach Orto hinein die interessantesten Locations gezeigt. Unterwegs durchfuhren wir malerische Dörfer, wie Vico und Murzo. In einigen Gärten stehen Clementinenbäume. Enge Gassen, schiefe Gemäuer, Marktplätze und Kirchtürme prägen die Ortschaften. Die Bevölkerung ist christlich geprägt. Entweder katholisch, griechisch oder byzantinisch orthodox.

Die Verständigung mit den Korsen war etwas schwierig, denn wir sprechen kein Französisch und Korsisch schon gar nicht. Mit Händen, Füßen und einem Lächeln im Gesicht klappt es aber auch, wie überall auf der Welt. Die Menschen auf Korsika sind uns stets freundlich und hilfsbereit begegnet. Obwohl der Tourismus, vor der Fischerei, die größte Einnahmequelle der Korsen ist, sprechen sie kaum Fremdsprachen. 70 % der jedes Jahr auf Korsika ihren Urlaub verbringenden Gäste kommen aus Frankreich.

Die Abspaltung von Frankreich für ein freies und souveränes Korsika ist heute kein Thema mehr für die Korsen. Die Globalisierung und Europa haben zum Umdenken bewogen. Keines der korsischen Probleme würde durch die Eigenständigkeit gelöst, ganz im Gegenteil.

Endurotour Korsika 2Das war früher anders. „A terra corsa a i corsi“ – Korsika den Korsen – oder „I Francesi fora“ – Franzosen raus – lauteten die Schlagworte der korsischen Autonomisten. Dabei stehen zwei Namen im Vordergrund. Zum einen Sampiero Corso (1498–1567), der an der Seite der Franzosen gegen die genuesischen Besatzer kämpfte, und Pasquale Paoli (1725–1807), dem es 1755 als gewähltem General tatsächlich gelang, die Insel kurzfristig in die Unabhängigkeit zu führen. Die Unabhängigkeit ignorierend verkaufte Genua die korsische Insel 1768 an die Franzosen, die ein Jahr später mit militärischer Übermacht der Eigenständigkeit Korsikas ein Ende bereiteten. Auch danach ging es auf Korsika nicht gerade friedlich zu. 1942–1943 war Korsika von deutschen und italienischen Truppen besetzt. 1970 entwickelte sich eine neue Autonomiebewegung, die korsische Befreiungsfront FLNC. Eine Serie von Sprengstoffanschlägen begann. Bei den Regionalwahlen 2010 stimmten immerhin noch 30 % der Korsen für die Autonomisten. Heute richtet sich ihr Blick mehr in Richtung Europa und die daraus resultierenden Vorteile.

Endurotour Korsika Besuch einer KaesereiKorsika ist berühmt für seinen Ziegenkäse. Dazu hat nicht nur das Comic-Heft „Asterix auf Korsika“ beigetragen. Wir haben eine Käserei besucht und waren angenehm überrascht, wie liebevoll sie dort mit ihren 150 Ziegen umgehen. Tagsüber grasen diese auf grünen Bergwiesen und werden erst gegen Abend wieder in den Stall gerufen, um gemolken zu werden und dort die Nacht zu verbringen. Jede Ziege hat einen Namen, auf den sie tatsächlich hört. Da mit den Tieren sehr freundlich und behutsam umgegangen wird, sind sie wenig scheu und sogar recht verschmust. Bereits nach wenigen Minuten stupsten uns die ersten Tiere an um gestreichelt zu werden. Das hätten wir nicht erwartet. Täglich werden aus der Milch der 150 Ziegen in der von uns besuchten Käserei 50 korsische Käselaibe hergestellt, die zwischen sechs und sieben Wochen in einem dunklen Raum reifen, bis sie verkauft werden können. Der Geruch ist wirklich extrem. Seine tapferen Liebhaber werden jedoch durch den fantastischen Geschmack entschädigt.

Eine weitere Spezialität sind die korsischen Wildschweine. Sie sehen aus wie braune Hausschweine, ernähren sich aber von allem, was sie in den Bergen zwischen den Bäumen und Sträuchern finden. Dadurch hat ihr Fleisch einen würzigen und aromatischen Geschmack. Die Schweine haben in der Regel einen Besitzer, der um sie an einem Platz zu halten, zusätzlich füttert. Das hindert die Schweine jedoch nicht daran zeitweilig abzuhauen und auf den Straßen herumzulaufen. Ähnlich wird es mit Rindern und Ziegen gehalten. Man sollte stets damit rechnen, dass Tiere auf der Fahrbahn umherlaufen. Man trifft sie ständig, mal tot mal lebendig.

Die Korsen scheinen gerne mit Gewehren herumzuballern. Mal schießen sie auf Verkehrsschilder, mal auf Schweine. Zerlöcherte Schilder und Reste von aus der Schale geschnittenen Schweinen belegen das. Die Gendarmerie sieht es anscheinend mit Gelassenheit. Sie hat ohnehin nicht viel zu tun. Wenn es Probleme gibt, dann eher mit Drogen- und Waffenschmuggel durch die Mafia. Aber auch nicht mehr als anderswo, versicherte man uns.

Endurotour Korsika lebendige SchweineEin weiterer Ausflug führte uns auf das Weingut „Clos D’Alzeto“, der Familie Albertini in Sari-d’Orcino. Der korsische Wein fällt sehr unterschiedlich aus. Er wird vorwiegend aus der korsischen Rebsorte Sciaccarello und den Sorten Nielluccio und Grenache gekeltert. Eine Weinprobe und eine Führung durch eine Winzerei sollte man sich nicht entgehen lassen. Wir haben, um bei der Verkostung nicht zurückhaltend sein zu müssen, ausnahmsweise den Wagen benutzt und vorher den Fahrer ausgelost. Auch Olivenöl wird von einigen Winzern zusätzlich zum Wein erzeugt.

In Rezza besuchten wir eine Pferde­-Ranch, denn die imposanten Berge Korsikas bieten auch Reitern ein wunderschönes Revier. Ein Motorradhelm kann durchaus auch als Reithelm verwendet werden, demonstrierte uns Jochen mit einem kurzen Ausritt bei der „Associu Cavallu e Mutagna“.

Endurotour Korsika totes SchweinFrühjahr und Herbst sind für Motorradfahrer die idealen Jahreszeiten um die knapp 9.000 km² große Insel kennenzulernen. Zwar wird es zum Abend hin sehr schnell kühler, aber tagsüber sind die Temperaturen ideal. Im Sommer ist es zu heiß. Juli bis Ende September ist die Zeit der Badegäste und Mittelmeertaucher.

Traumhafte Kurvenstrecken, unberührte Küstenlandschaften und schroffe Berglandschaften machen Korsika zu einem Mekka der Motorradfahrer. Mit 2706 Metern Höhe erreicht der Monte Cinto alpines Niveau. Sämtliche Klimazonen vereinen sich auf engstem Raum in diesem „Gebirge im Meer“. Über 1000 km Küste umfasst ein Gebirgsmassiv, in dem kaum 30 km vom Meer entfernt 70 Gipfel über 2000 Meter aufragen. Bis in den Juni hinein liegt hier oben Schnee, während das Meer bereits mit 20 Grad zum Baden lockt.

Wer etwas mehr Zeit hat sollte unbedingt die Route 81 fahren, die 700 km an der Küste entlang führt. Dort stehen auch viele der heute noch erhaltenen runden Wachtürme, von denen die Genuesen in etwa 150 errichteten, um über das Meer kommende Angreifer früher entdecken zu können und mit Feuern die eigene Bevölkerung zu warnen. Ein besonders gut erhaltenes Exemplar steht in Capu Rossu am südlichen Ende des Golfs von Porto. Im Rahmen einer dreistündigen Wanderung kann er besichtigt werden. Er liegt im Süden des Naturschutzgebietes „Scandola“, das seit 1982 als UNESCO-­Welterbe geführt wird.

Zwischen Porto und Piana klammert sich die enge und kurvenreiche Straße an herrliche rote Granitfelsen, die steil ins Meer hinab fallen. Die „Calanche von Piana. Von der Erosion zerkleinert und gemeißelt, ergeben sie den Eindruck von fantastischen Skulpturen, in denen man aus jeder Perspektive ein anderes Fabelwesen erkennen kann, je nach Lage der Tafoni, der von der Erosion in den Stein gebildeten Risse und Hohlräume.

Endurotour Korsika Honda Kawasaki YamahaWir waren mit dem japanischen 250er Dual Purpose Trio Yamaha WR250R, Honda CRF250L und Kawasaki KLX unterwegs. Alle drei Maschinen bieten einen gelungenen Kompromiss zwischen Straßen- und Geländemotorrad und sind dementsprechend mit Mischbereifung ausgestattet. Diese Reifen haben im Gelände zwar etwas zu wenig Grip, dafür sind sie auf Asphalt, im Vergleich zu reinen Off­road-Reifen, recht gut fahrbar. Völlig außer Konkurrenz wurden wir von Robert Pairan auf einer für den Offroad-Betrieb ausgelegten KTM begleitet.
Um uns ein Bild von den drei Japanern machen zu können, wechselten wir die Maschinen unter den Fahrern durch. Im abschließenden Gespräch über die Maschinen zeigte sich, dass sie, obwohl ihr Konzept auf den ersten Blick identisch ist, sehr unterschiedliche Qualitäten mit sich bringen.

Endurotour Korsika 1PS macht auch FreudeAlle drei Motorräder sind ordentlich verarbeitet, flüssigkeitsgekühlt und auch vom Gewicht unterscheiden sie sich nur marginal. Ihre Auspuffanlagen sind leise und un­spektakulär. Trotz der neuen Regelungen besitzt keine der drei Enduros eine ABS-Bremse. Die Sonderregelung für Fahrzeuge mit erhöhten Federwegen, von denen zu erwarten ist, dass sie vorwiegend im Gelände genutzt werden, macht es unabhängig von der Schonfrist bis 2017 für bereits homologierte Motorräder möglich.

Die Yamaha WR 250 R hat im Vergleich mit 31 PS den stärksten Motor und unterscheidet sich zu den beiden anderen Motorrädern dementsprechend in den Fahrleistungen. Auch das Fahrwerk ist etwas höher und geländegängiger. Man sollte jedoch die nötige Beinlänge mitbringen um sie sicher bewegen zu können. Sie ist ohne Frage das ambitionierteste Fahrzeug des Trios, aber mit 7.295 Euro plus Überführung
auch die teuerste Maschine. Ausstattung und Folien-Design unserer Yamaha kamen aus dem Hause Dumke & Lütt aus Hamburg Duvenstedt.

Die Honda CRF 250 L, mit 23 PS motorisiert, zeigte sich im Vergleich als wendigstes Motorrad. Obwohl ihr Motor nur ein PS mehr als der der Kawasaki leistet, fühlte sie sich wesentlich kräftiger und drehfreudiger an. Ihr Preis liegt mit ca. 4.600 Euro plus Überführung gleichauf mit dem der Kawasaki.

Die Kawasaki präsentierte sich nicht nur wegen ihrer gepolsterten Sitzbank, sondern auch wegen ihres Fahrwerks als komfortabelste Maschine. Das führte allerdings auch manchmal zum Durchschlagen auf besonders grobem Geläuf. Sie ist sehr gutmütig und auch ihre Motorcharakteristik hält keine Überraschungen parat. Sie besitzt als einzige Maschine einen Drehzahlmesser.

Gewinner oder Verlierer gibt es bei dieser Gegenüberstellung nicht. Körpergröße, persönliche Vorlieben oder das Budget sind letztendlich für die Wahl entscheidend. Echte Schwachpunkte leistet sich keines der drei Motorräder. Deshalb verwundert es auch nicht, dass jeder von uns am Ende der Reise einen anderen Favoriten hatte.