aus Kradblatt 3/24 von Andreas Thier, Fotos: Andreas + Malle

Die etwas andere Motorradtour durch die Alpen

Bei „Malle“ geht es nicht um die Lieblingsinsel der Deutschen. Malle ist eine Londoner Marke für stylische und funktionelle Vintage-Bekleidung, Zubehör und Accessoires. Und die Malle Mountain Rally ist eine spaßorientierte Vintage-Rally. Andreas war in den Alpen dabei …

Etappenstart in den Alpen
Etappenstart in den Alpen

Längste Etappe. Der Scheinwerfer wirft seinen Lichtkegel auf das dunkle Asphaltband. Die Augen versuchen darin so vorausschauend wie möglich die Fahrbahn zu erfassen. In gewisser Weise ist die Wahrnehmung der Welt auf diesen Lichtkegel reduziert. Eine Konzentration auf das Wesentliche. Kurve an Kurve windet sich die Passstraße im undurchdringlichen nächtlichen Schatten der hohen Berge nach oben.

Unvergessliche Ausblicke
Unvergessliche Ausblicke

Eine Kette synchronisierter Glühwürmchen arbeitet sich an den Hängen und Flanken aufwärts. Sonorig und souverän versehen die Zweizylinder ihren Dienst. Mit den gleichmäßigen Abständen, gleichen Schaltpunkten und Beschleunigungsphasen klingt das Ganze wie komponiert. Wir sind auf dem Weg zum 2284 Meter hohen Julier Pass. Die Sonne ist längst untergegangen.

Wir – das steht für eine kleine Gruppe auf Royal Enfields sowie einer Moto Guzzi. Wir sind Teilnehmer der Malle Mountain Rally. Das Format wurde von Robert Nightingale und Jonny Cazzola unter dem Label ‚Malle London‘ gegründet. Es sind keine Wettkampf-, sondern Orientierungsfahrten. Übernachtet wird in Großzelten, an ausnahmslos sehr ausgesuchten Orten. Bewirtung und abendliches Zusammensein erfolgen in noblen Schlössern oder Landhäusern. Sophisticated!

Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Gefahren wird normalerweise in festen Teams von jeweils vier bis sechs Fahrern. Aber so eine Rally ist fernab von normal. Es kommt fast unvermeidlich zu versprengten Einzelfahrern, die aber gerne von anderen Gruppen aufgenommen werden. Das bezeugt den Geist der Rally – It’s all about completion, not competition. Es geht um das Ankommen, nicht um Wettkampf.

Bunt gemischtes Starterfeld
Bunt gemischtes Starterfeld

Auf der Nordseite des Julierpasses legen wir noch einmal einen kleinen Stopp ein. Sorgsam schauen wir uns in die Augen, um festzustellen, ob alle noch fit genug sind. Und auch um uns ein wenig Mut zu machen. Die Nacht ist angebrochen und nicht für jeden ist es selbstverständlich unter solchen Bedingungen zu fahren, schon gar nicht einen Alpenpass. Eunice reklamiert Abnutzungserscheinungen und aufziehende Müdigkeit. Jemand spendiert ein Kohlehydrat-Koffein-Gel aus dem Ausdauersport und sie ist schnell wieder oben auf. Und so macht sich die Glühwürmchen-Kolonne auf den Weg zur Passhöhe.

Roter Teppich für die Rally
Roter Teppich für die Rally

Die Abfahrt bringt uns ins Oberengadin. Wir folgen dem Hochtal in Richtung Westen, wo sich das Camp befinden soll. Der letzte Streckenabschnitt ist ein Waldweg, der daran zweifeln lässt, ob man hier im Dunklen noch auf Zivilisation stoßen wird. Aber Navigation ist, wenn man trotz allem ankommt.

Erleichtert und zufrieden erreichen wir das Camp und treffen Tom und Jules wieder.
Beim Dinner werden die Akkus wieder aufgeladen. Die Anspannung fällt ab und in allerlei Gesprächsrunden tauschen wir uns über die Tageserlebnisse aus. Und das sind nicht wenige. Leuch­tende Augen strahlen in der Nacht.

Die absolvierte zweite Etappe ist mit 356 km die längste der Rally. Gestartet sind wir südlich von Meran. Quasi zum Einrollen folgten wir dem Etsch Tal flussaufwärts. In der Folge überquerten wir bei Sonnenschein das Stilfser Joch, Umbrail Pass, Ofenpass und den Flüela Pass, um dann den nördlichsten Checkpoint in Vaduz, Liechtenstein anzusteuern. Via Chur, Lenzerheide und den Julier Pass erreichten wir das Camp im Oberengadin.

Auch wenn es keine Wettkampffahrt ist, sind 356 km natürlich eine Ansage. Mit touristischem Reisen hat das Ganze nichts zu tun. Es ist lang, sportlich und herausfordernd. Aber genau darum geht es den Teilnehmern. Die enorme Erlebnisdichte wird durch den Zusammenhalt der Teams noch einmal gesteigert.

Erste Etappe. Am Vorabend des Starts trifft sich der Rally-Tross auf einem Schloss bei Innsbruck. Der Hof füllt sich mit Motorrädern, die nicht minder interessant sind wie ihre Fahrer. Das vorwiegend britische Fahrerfeld mischt sich mit Teilnehmern aus verschiedenen Ländern. So finde ich mich in einem sechsköpfigen Team wieder, dessen Teilnehmer aus fünf Ländern stammen. Tom aus Großbritannien, Royal Enfield, Medien-Profi. Jules aus Belgien. Francesca aus Italien. Eunice, Royal Enfield Händlerin aus Portugal. Charlie, Journalist aus Großbritannien. Ich liebe diese Internationalität. Auch das ist eine Stärke der Rally.

Gipfeltreffen auf dem Iseran
Gipfeltreffen auf dem Iseran

Startnummern werden ausgegeben. Es wird noch geschraubt, ge­fummelt und der Ölstand kontrolliert. Alle sind freudig angespannt. Die Atmosphäre ist großartig. Mit großem Hallo treffe ich ‚The Great Mile‘ Teilnehmer wieder. Während dieser Rally sind wir 2019 von Lizard Point nach John o’Groats gefahren, also einmal längs durch die britische Insel. 

Nach dem Dinner findet das abendliche Riders Briefing statt, in dem es Informationen zur Strecke und den Checkpoints des Folgetages gibt. Anschließend sitzen wir noch in interessante Gespräche vertieft, zusammen. 

Nach dem Regen einen Regenbogen
Nach dem Regen einen Regenbogen

Der Start am ersten Tag ist immer wuselig, da sich erst eine gewisse Routine der Teilnehmer zum morgendlichen Ablauf einstellen muss. Geschickt führt Robert Regie und bekommt alle Gruppen mit einem Abstand von wenigen Minuten über die Startlinie.

Die alte Brennerstraße fährt sich viel angenehmer als gedacht. Die Navigation ist zunächst einfach und die Checkpoints im Streckenverlauf sind gut zu finden. Obwohl wir noch nie als Team zusammen gefahren sind, entwickeln wir erstaunlich schnell einen gemeinsamen Rhythmus. Die Etappe führt durch die westlichen Dolomiten. Grödner Tal, Sella Pass, Passo di San Pellegrino, Passo di Rollo. Rund 20 Kilometer südlich von Bozen wechseln wir auf die Westseite der Etsch. Schmale und ausgesuchte Wege führen uns oberhalb des Etsch Tales über Kaltern und Eppan zu unserem Tagesziel südlich von Meran. 

Hoch zum Stilfser Joch
Hoch zum Stilfser Joch

Wir dinieren in einem beeindruckenden Castel und campieren auf einer benachbarten Wiese. Die Abende auf Roberts Rallys sind absolut großartig. Eine höhere Konzen­tration von interessanten Menschen ist mir selten begegnet.

Die schwierigste Etappe (3. Tag). Seit dem zweiten Tag fahren wir in einer vereinbarten Team Formation. Tom fährt in der Führungs- und ich in der Endposition. Tom verfügt über eine Navigations-App am Lenker und ich bin neben ihm der Einzige mit Navigationsmöglichkeit. Ganz klassisch, Straßenkarten in der Kartentasche auf dem Tank. Francesca, Eunice, Jules und Charlie haben ihre Maschinen über Royal Enfield Italy für diese Rally gemietet, inklusive Guide – Tom.

Mittlerweile sind wir ein gut eingespieltes Team. Auf den kurvenreichen Strecken hat Tom kaum eine Chance alle Fahrer hinter sich im Auge zu behalten. Mein roter Helm hebt sich aber deutlich von den anderen ab. Somit weiß Tom, dass wir komplett sind, wenn er einen roten Punkt im Rückspiegel wahrnehmen kann.

Andernfalls braucht er sich keine Sorgen zu machen, wenn die Gruppe mal auseinanderreißt. Mit meinen am Vorabend präparierten Straßenkarten übernehme ich die Führung der Restgruppe. Spätestens am nächsten Checkpoint sind wir dann wieder vereint. Außerdem hat Tom damit die Chance mal vorauszufahren, um Aufnahmen oder Filmsequenzen mit den Enfields einzufangen.

Royal Enfield passen gut ins Bild
Royal Enfield passen gut ins Bild

Dieser dritte Tag führt uns vom Oberengadin ins Rhonetal. Auf der Strecke liegen ein paar große Brocken. Splügen Pass, San Bernardino, Gotthard, Furka. Wir haben auf 1.800 m Höhe genächtigt und bereits bei der Fahrt den Maloja Pass hinab ist es regnerisch und kalt. Anschließend arbeiten wir uns die Passstraße zum Splügen hoch – und es ist richtig harte Arbeit. Eingehüllt in dichtesten Nebel kann man kaum von Sichtweite reden. Langsam aber stetig schrauben wir uns dennoch höher. Es ist grenzwertig. Aber es gehört wohl zum Wesen einer solchen Rally, Grenzen etwas zu verschieben. Mit Regen und niedrigen Temperaturen bleibt der Tag fordernd.

Nach dem Furka ist dann easy going angesagt. Wir folgen dem Rhonetal, was wenig kapriziös ist. Zum Ende der Etappe klettern wir über schmale Schotterwege auf der Südseite des Tales in Richtung Hochalmen. Die kleinen Dörfer und Häuser­ansiedlungen werden immer verwinkelter. Die Royal Enfields fühlen sich wahrscheinlich wie im Himalaya. Ich schätze das gute Drehmoment und das Handling meiner Guzzi V7. Den Abend genießen wir bei regionalen Spezialitäten auf einer Hochalm mit einer weiten Aussicht auf das Rhonetal und die hochalpine Bergwelt.

Der Threewheeler dient als Servicecar
Der Threewheeler dient als Servicecar

Ruhe vor dem Sturm? (4. Tag). Der vierte Tag sorgt für Entspannung. Mehr als die Hälfte der knapp 260 Kilometer legen wir im Rhonetal zurück und versuchen uns nicht in Radarfallen locken zu lassen. Bei Monthey schlagen wir uns durch die Berge und gelangen über den schönen und schmalen Pas de Morgine nach Morzine. Der letzte Checkpoint vor dem Tagesziel liegt sehr versteckt und wir entdecken ihn erst nach mehreren Runden durch den Ort. 

Bei so einer Tour gehört es dazu, die Wetterlagen und Entwicklungen im Auge zu behalten. Zumal es bereits September ist. Seit Tagen sitzt uns eine von Norden heranziehende Front im Nacken, die Schneefälle bis runter auf 1.600 m bringen soll. Und morgen steht der Col de l’Iseran mit 2.770 Metern Höhe auf dem Programm. 

Oldschool-Navigation
Oldschool-Navigation

Richtungswechsel (5.Tag). Nachdem wir nun vier Tage lang in Richtung Westen gefahren sind, freuen wir uns auf südliche Gefilde. Doch vorher müssen wir über den Col de l’Iseran. Fahrerisch läuft es rund. Mit Leichtigkeit schwingen wir zusammen durch die Berge. Mit der Passhöhe erreichen wir den höchsten Punkt der Rally. Es ist zwar mächtig kalt, aber wir genießen die fantastische Aussicht. Wir haben großes Glück. Mit nur einem Tag Abstand bleibt die Front hinter uns. Der Sturm bleibt uns erspart.

Über den Col de Mont Cenis erreichen wir Susa und Briançon. Nicht nur die Landschaft, auch die Lebensart wird allmählich mediterran. Die französischen Seealpen heißen uns willkommen. Man lebt mehr draußen, begegnet sich in Straßencafés. Bei Ortsdurchfahrten wird uns zugewunken. An den Checkpoints interessieren sich Passanten für die Rally und die klassischen Motorräder. 

Das Camp erwartet uns bei einem liebevoll hergerichteten Chateau. Die Eigentümer sind sehr reizende Gastgeber und wir genießen eine vorzügliche Küche. Die abendlichen Gespräche sind wieder so vielfältig wie die Teilnehmer.

Einer der Checkpoints
Einer der Checkpoints

Die finale Etappe (6. Tag). Mit Temperaturen um den Gefrierpunkt war es die kälteste Nacht der Tour. Die Kaltluft greift nach uns. Nicht wenige der Pässe, über die wir in den letzten Tagen gefahren sind, liegen nun unter einer Schneedecke. Uns trennen noch rund 250 Kilometer Fahrstrecke vom Ziel: Monaco.

Fleecejacken und anderes werden untereinander ausgeliehen, damit niemand mehr als vermeidbar frieren muss. Erst auf der letzten Passabfahrt zum Mittelmeer werden wir uns der warmen Bekleidung entledigen.

Spannend wird es am Colle di Tenda, 1.908 m. Während sich die Nordauffahrt sehr handig fahren lässt, ist die Naturstraße der Abfahrt so schmal und kurvig, dass sie ausschließlich im Einbahnverkehr befahren werden darf. Für jeweils 45 Minuten wird eine Richtung freigegeben. Die Staubfahne unserer Karawane sieht wohl spektakulär aus.

Mit viel Fahrfreude düsen wir über die letzten kleinen Pässe bis zum Mittelmeer. Mit großen Augen und breitem Grinsen erreichen wir bei Menton die Küste. Aber noch sind wir nicht am Ziel. Natürlich ist es nur ein Katzensprung von Menton nach Monaco. Aber je näher wir dem Ziel kommen, desto dichter und wuseliger wird der Verkehr. Wir schaffen es nicht als Gruppe zusammenzubleiben, was aber auch nicht schlimm ist. Ich verfüge über etwas Ortskenntnis und so gelangen wir auf einem semi-offiziellen Weg durch das Yachthafengelände auf die westliche Hafenmole – Wir sind am Ziel.

Eine tolle Rally, ich komme gerne wieder …
Eine tolle Rally, ich komme gerne wieder …

Finish. Ausschließlich freudige Gesichter sind der Beweis einer rundum gelungenen Veranstaltung. Die Stimmung auf der Mole ist eine Mischung aus zufriedener Erschöpfung und freudiger Aufgedrehtheit. Wir lehnen uns zurück und genießen das coole Ambiente des Yachthafens von Monaco. Erfrischung bringt ein Sprung ins Mittelmeer.

Robert ist es mit seinem Organisationstalent und unermüdlichen Einsatz zu verdanken, dass dies möglich ist. Im Vorfeld erschien es mir fraglich, ob die Rally außerhalb von Großbritannien die Exklusivität der Camps erreichen kann – ja, das konnte sie.

Erreicht wurde auch eine enorme Erlebnisdichte und dieser besondere Team-Spirit, der die Mountain Rally unvergesslich macht.

Die große Malle Mountain Rally 2024 findet vom 8. bis 15. September statt. Vorher geht es vom 9. bis 16. Juni auf 1500 Meilen bei der großen Malle Rally durch Großbritannien. 

Alle Infos zu diesen und weiteren Malle-Vintage-Veranstaltungen sowie dem kompl. Malle-Sortiment findet man online unter www.mallelondon.com.

Auf Andreas privater Website findet ihr <hier> noch eine längere Beschreibung der Tour.
Fürs Kradblatt mussten wir sie etwas kürzen …