aus Kradblatt 8/14
von Marcus Lacroix
Aller guten Dinge sind drei, oder?!
Aller guten Dinge sollen bekanntlich drei sein. Gilt das auch für die kleinen Dukes von KTM? Nach der Präsentation der KTM 125 Duke (Kradblatt Mai 2011), den überzeugenden Kilometern mit der 200er Duke (Kradblatt August 2013) folgt nun der dritte Streich, denn wir sind ja neugierig: Seit Jahresbeginn läuft bei uns eine 390er Duke im Alltagseinsatz.
Während sich die 125er aufgrund der Führerscheinklasse A1 vor allem an die Jugend wendet – ggf. auch noch an ein paar junggebliebene Inhaber des alten Autoführerscheins (vor 1.4.1980, jetzt recht unbürokratisch auch größere Maschinen bis 48 PS durch Update A1➔A2 möglich!), bot sich die 200er mit 26 PS auch Motorradfahrern mit größeren Führerscheinen an. Da eine 200er im leistungsorientierten Deutschland aber eher wenig Freunde findet, wurde deren Import aus Indien, wo die kleinen Duke-Modelle bei Bajaj produziert werden, 2014 offiziell zugunsten der 44 PS starken 390er eingestellt. Die Unterschiede zwischen den Modellen sind, abgesehen vom Motor, marginal. Die 390er wird ab Werk mit tadellos funktionierenden Metzeler Sportec M5 statt den indischen MRT ausgeliefert, Ausstattung, Sitzposition und Fahrwerk sind identisch.
Der erste Kontakt mit unserer 390er fiel etwas enttäuschend aus. Sie springt schlechter an als die 200er, der Motor läuft untenherum ruppiger und insgesamt rauer, die Gasannahme ist im kalten Zustand schlechter und leistungsmäßig spürte man das Mehr von 190 ccm (genau genommen nur 373,2 minus 199,5 = 173,7 ccm) und 18 PS zunächst auch nicht wirklich.
Zumindest die Leistungsentfaltung war natürlich kein Wunder, befanden wir uns doch noch in der Einfahrphase. Die 1000er Inspektion, die mit gar nicht mal so günstigen 241,58 Euro abgerechnet wurde, brachte dann die Befreiu ng: Drehzahlen bis zum Begrenzer! Die 44 Pferde galoppieren bei 9500 U/min. Jetzt zeigte sich, dass die 390er, gemessen an der 200er, doch ein deutlich erwachseneres Motorrad ist. Endlich kann man auf der Landstraße auch bei „den Großen“ mithalten.
Unten herum – also bei Drehzahlen bis 7500 U/min – lässt sich die Duke gemütlich fahren, darüber wird es dann richtig spaßig. Durch das geringe Gewicht von 139 kg (Werksangabe ohne Sprit) ergibt sich eine wirklich ordentliche Beschleunigung. Als V-max werden 160 km/h problemlos erreicht, flach gemacht und mit Anlauf sind nach digitalem Tacho auch 170 Sachen drin. Man darf halt nur keine Angst vor Drehzahlen haben. Letztendlich ist das untertourige Fahren zwar möglich, aber nicht so das Ding des Einzylinders. Zwar hackt die Duke nicht so brutal an der Kette wie ein großer Eintopf und sie ist mit vorsichtiger Gashand selbst im sechsten und damit letzten Gang in einer Ortschaft fahrbar, die mechanischen Geräusche lassen einen aber freiwillig runterschalten. Es ist wie beim Treppensteigen: Viele kleine Schritte sind gelenkschonender als fünf Stufen auf einmal genommen. Das kann die 200er besser.
Bei der 200er bemängelten wir eine zu kurze Übersetzung, sie lief bei Vollgas im letzten Gang schnell in den Begrenzer. Ein kleineres Kettenrad schuf Abhilfe. Die 390er fühlt sich eher zu lang übersetzt an, woran die Geräuschvorschriften sicher ihren Anteil haben. Durch den quirligen Motor fällt das aber kaum auf und wann ist man mit der kleinen Nackten schon mal Vollgas unterwegs? Ein Unterfangen übrigens, das man durchaus als Abenteuer werten darf. Bei einer 400 km Autobahntour nach Hamburg und zurück bin ich wo immer es ging Vollgas gefahren. Böiger Seitenwind und Turbulenzen von LKWs bringen bei Vollgas deutliche Unruhe ins leichte Motorrad, die einen unerfahrenen Piloten schon verunsichern kann. Da hilft nur Gas weg oder Zähne zusammenbeißen. Ergebnis der Stress-Tour: der Benzinverbrauch ließ sich auf knapp 4,4 Liter/100 km hochschrauben. Der Durchschnitt auf den bisherigen rund 4000 km liegt bei 3,69 Ltr. (siehe www.spritmonitor.de). Als Minimalverbrauch verbuchten wir während der gemütlichen Kradblatt-Leserreise 3,08 Ltr./100 km. Unsere 200er Duke brachte es im Durchschnitt auf 3,16 Ltr. und minimal auf 2,44 Ltr./100 km Da es einfach Spaß macht, die 390er Duke häufiger als nötig mit Schmackes zu beschleunigen, geht der Verbrauch in Ordnung, auch wenn es heutzutage z.B. im Vergleich mit den schwereren BMW F 650/800 oder Honda NC Modellen nicht sooooo wenig ist.
Apropos reisen: Die 390er Duke eignet sich sehr wohl auch als Urlaubsmaschine – natürlich ohne Sozius, denn der sitzt wenig bequem. Unsere Kradblatt-Leserreise brachte fast 1000 Kilometer in drei Tagen auf die Uhr. Ausreichend Gepäck nahmen die originale und sehr empfehlenswerte KTM-Hecktasche über dem Soziusplatz auf, die uns schon bei der 200er begleitete, sowie ein paar Softbags von Kriega. Ausprobieren konnten wir auf der Tour die ca. zwei Zentimeter höhere Ergo-Sitzbank aus dem umfangreichen KTM Powerparts-Programm, die es für 136,50 Euro zu kaufen gibt. Der Sitzkomfort nimmt spürbar zu, allerdings sollte man bei dem Preis auch ruhig mal mit dem Sattler seines Vertrauens sprechen, der sicherlich individuelle Lösungen bezüglich Komfort und Sitzhöhe anbieten kann. Die kleinen Dukes werden ja vermutlich meist von eher kurzbeinigeren Menschen gekauft. Die Bremsleistung der Duke geht so weit in Ordnung, erfahrenere Fahrer können mit schärferen Belegen aber noch was mehr rausholen. Im Falle des Überbremsens greift das Bosch-ABS zuverlässig korrigierend ein.
Ein Punkt, über den ich mich schon bei der 200er geärgert habe, ist der mangelhafte Spritzschutz am Hinterrad der kleinen Dukes, wenn man auf nassen Straßen unterwegs ist. Mir ist schon klar, dass dieses Problem auch andere „moderne“ Motorräder mit schlankem Heck haben – unsere Husqvarna Nuda nässt sich (bzw. den Fahrer) auch gerne ein. Was mich dabei aber wirklich ärgert ist die Tatsache, dass die 125/200/390er Duke auf dem indisch/asiatischen Markt, wo es wohl öfter Scheißwetter gibt als bei uns, serienmäßig mit einem extra Schmutzfänger – genannt „Mudguard“ – ausgestattet sind. In Indien sogar mit anschraubbarem Sari-Schutz, damit die Sozia nicht plötzlich nackig da sitzt; Ok, auf den kann man hier verzichten. Trotz Teilenummer, die ich über ein thailändisches Duke-Forum organisieren konnte, kann ein deutscher KTM-Vertragshändler die recht günstigen Teile nicht über sein System bestellen – schöne neue globalisierte Welt. Bei ebay ist bisher leider nichts zu finden, indische KTM-Vertragshändler antworten nicht auf E-Mails und der einzige funktionierende Kontakt wollte freche 250 US Dollar inkl. Versand für gebrauchte Teile. Aber ich gebe noch nicht auf…
Stellt sich abschließend die Frage: lohnte sich das Update von der 200er auf die 390er Duke? In einem Punkt ganz sicher, denn ein ABS ist zwar nicht zwingend notwendig, beruhigt die Nerven im Ganzjahreseinsatz aber doch ein wenig. Ansonsten ist die 390er fahrleistungsmäßig natürlich schon eine andere Hausnummer als die 200er. Wer allerdings vorwiegend gemütlich oder mit rücksichtsvollen BigBike-Fahrern unterwegs ist, braucht die Mehrleistung nicht unbedingt. Da es die 200er hierzulande aber nur noch gebraucht zu kaufen gibt, stellt sich die Wahl beim Neukauf nicht mehr.
Die 390er Duke kostet inkl. Nebenkosten 5245 Euro, für 610 Euro mehr gibt es eine Honda CB 500 F. Yamaha MT-07 oder Suzuki Gladius spielen mit rund 1000 Euro mehr hingegen schon in anderen Hubraum- und Leistungsklassen. Das geringe Fahrzeuggewicht – genial auch beim Rangieren – erreicht keiner der Mitbewerber und als Zweitmotorrad ist so ein Spielmobil sowieso klasse. Mehr Infos und Probefahrten gibt’s beim freundlichen KTM-Vertragshändler…
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