aus bma 8/13
von Marcus Lacroix
Ende November 2012. Da stand er nun auf dem Hof, mein „kleiner Kürbis” – wie die lütschen KTM Duke Modelle in der Szene auch genannt werden. Fette 200 ccm Hubraum, satte 26 PS Leistung, nagelneu, auf geht’s…
Nach geschätzten 20 Metern Fahrstrecke, ich war im dritten von sechs Gängen angekommen und fragte mich ernsthaft, was ich mir eigentlich dabei gedacht hatte, dieses Motorrädchen ohne Probefahrt zu kaufen.
Also rekapitulieren wir mal: Die eigentlich hauptsächlich für den Winterbetrieb angeschaffte gebrauchte 660er Enduro erwies sich doch als etwas hoch und schwer. Die Setzerin meinte, sie würde auch gerne mal wieder fahren – aber bitteschön auf was leicht handelbarem. In bma Ausgabe 11/12 schwärmte Leser Joachim Lehnert davon, wie viel Spaß er doch mit seiner 250er Sym Wolf im Alltag hat. Die Präsentation der 125er Duke 2011 auf der ADAC-Anlage in Lüneburg war mir noch in bester Erinnerung (liest du <hier>) und last but not least: Ich war nach all den Jahren und vielen gefahrenen Motorrädern einfach neugierig, ob so ein kleines Motorrad einen eingefleischten Motorradfahrer wirklich überzeugen kann.
Für gewöhnlich bekommen wir Testfahrzeuge für einige Tage. Das reicht zwar um Eindrücke zu sammeln und Berichte zu schreiben, aufschlussreicher ist es aber schon, wenn man ein Fahrzeug länger bewegen und richtig Er-fahr-ungen sammeln kann. Also verkaufte ich die Enduro wieder und schnappte mir eine der letzten 2012er 200er Duke, die es erst ab 2013 mit serienmäßigem ABS geben sollte. Der Listenpreis betrug 4395 Euro zzgl. 200 Euro Nebenkosten. Frage: Wieso sind die NK eigentlich nicht am Wursttresen oder im Baumarkt ausgewiesen?! Man kommt doch eh nicht drumrum.
Um das Fazit mal vorweg zu nehmen: Ja, die 200er Duke kann auch alte Hasen wirklich überzeugen – wenn man bereit ist sich auf sie einzulassen. Schließen wir also mal die Personen aus, die wohl eher nicht glücklich mit dem – bei fahrwerksmäßig baugleichen 125/200/390 ccm eigentlich mittleren – kleinen Kürbis werden. Da wären die langen, die übergewichtigen und die chronisch ungeduldigen Menschen. Machen wir uns nichts vor, ein 190 cm, 100 kg Mann auf der Mini-Duke sieht einfach lächerlich aus. Ich bringe es auf 176 cm bei 70 kg netto und die Duke wirkt da schon nicht wirklich stattlich. Übertriebene Eile relativiert sich bei 26 PS auch etwas – zumindest gemessen an heutigen Maßstäben, denn eine Vmax von knapp 130 km/h erreicht jeder Supersportler im ersten Gang. Und wer unter einer Profilneurose oder einem Stummelschwänzchen leidet, greift auch eher selten zu einem kleinen Motorrad (was keinen Rückschluss auf meine Nudel zulassen soll).
Aber wer soll die kleine – übrigens in Indien produziert – KTM Duke in Mitteleuropa denn nun kaufen? Bei der 125er ist die Zielgruppe ja klar, aber 200 ccm?! In Deutschland gelten bei vielen Motorradfahrern 500 bis 650 ccm als nette Anfänger-, Wiedereinsteiger- oder Frauenmotorräder. 50 bis 70 PS sollten es dabei schon sein. „Echte” Motorräder haben von allem mehr. Allerdings haben die auch meistens mehr Gewicht. Die rund 139 fahrfertigen Kilogramm der Duke dürften ein Wert sein, bei dem zumindest Kenner aufhorchen. Das beste Carbon wiegt keine Plauze auf!
Ein guter Kauf ist die 200er auf jeden Fall für alle, die ein „stylisches, funny Urban-Commuter-Bike” (sprich ein schickes, spaßbringendes Pendler-Fahrzeug) suchen und nicht auf Roller stehen. Die Duke macht optisch gut was her, verweist sie doch auf ihre kernigen großen Brüder aus Österreich. Auch zierlichere Personen – ich komme einfach nicht um das Wort „Frauenmotorrad” herum, auch wenn bei den Holden nicht jede in 36 schlüpft – werden ihre Freude an der Duke haben. Sie ist unglaublich leicht zu handhaben. Bremsen, kuppeln, schalten, (einhändiges) schieben, wenden, parken, vorwärts, rückwärts – alles kein Problem. Quasi die Wiederentdeckung der Leichtigkeit. Nur sehr kurzbeinige Menschen gucken erst mal in die Röhre – Tieferlegung ist aber möglich.
Als Zweit- oder Drittfahrzeug ist die Duke schon mal erste Wahl oder wenn der Partner nur gelegentlich selbst fährt und eine große bzw. schwere Maschine ihn überfordert. Die Unterhaltskosten sind jedenfalls ein Witz, speziell wenn noch ein Altvertrag rumliegt. Aktuell zahle ich zusammen an Steuern und Versicherung inkl. Teilkasko lächerliche 65 Euro im Jahr! Die meisten Menschen werden sich ein Motorrad aber nicht nur zum Pendeln kaufen – auch für längere Touren und Urlaubsreisen muss es herhalten. Wer meint, hier geht nichts, was nicht auch laut Prospekt oder Vergleichstest in Motorradzeitschriften als „reisetauglich” tituliert wird, der irrt gewaltig.
Nach über 3800 Kilometern im Raum Weser-Ems ging es Anfang Juli mit der Duke in den Harz. Die jährliche bma-Leserreise stand an und erfahrungsgemäß sind da eher leistungsstärkere Maschinen vertreten – so auch in diesem Jahr.
In der flotteren der beiden Gruppen sollte die Duke zeigen, ob sie mithalten kann und dabei auch noch Spaß bringt. Sieht man von gelegentlichen zügigen Überholmanövern ab, bereiteten die 26 PS keine Probleme. Der Anschluss war immer schnell wieder gefunden. 100% Landstraße, 1035 Kilometer in drei Tagen – die reinste Freude. Den Kyffhäuser rauf und runter und in den Kurven des Harz war die Mini-Duke immer ganz vorne mit dabei. Und an der Tankstelle war sie die Königin der Welt. Minimal 2,44 und maximal 2,94 Liter nuckelte sie aus dem 10,5 Liter Kunststofftank. Und das obwohl sie richtig drehen musste. Bei 10.500 Umdrehungen flackerte mehr als einmal der Schaltblitz.
Drehzahl ist überhaupt das Thema – und Schalten, wie eingangs schon erwähnt. Der 200er Einzylinder rollt zwar problemlos und „hackfrei” im sechsten bei unter 4000/min durch Ortschaften, beim Gasaufziehen passiert dann aber recht wenig. Für nennenswerten Vortrieb bewegt man sich zwischen sieben und den zehneinhalb Touren. Der Balken der digitalen Drehzahlanzeige ist schlecht ablesbar – ist aber auch egal. Schreit der Motor, geht’s voran, blubbert er, rollt man entspannt vor sich hin. Sehr hilfreich ist hingegen die Ganganzeige. Die sonstigen reichlich vorhandenen digitalen Zusatzinformationen verbuche ich als ignorierbaren Spielkram.
Mit einem kleinen Motorrad gewöhnt man sich bei zügiger Fahrt einen flüssigeren Fahrstil an. Kurvengeschwindigkeiten müssen hoch sein, Gänge müssen passen, denn brutales Rausbeschleunigen ist einfach nicht möglich. In der norddeutschen Tiefebene mit verstärkter Nutzung von (Stadt)Autobahnen liegt der Verbrauch etwas höher. 3,87 Ltr./100 km ist mein Maximum, 3,16 der Schnitt. Wer selbst gucken möchte: www.Spritmonitor .de, KTM 200 Duke, User „my666“.
Auf der Autobahn läuft die Duke bei knapp 130 km/h in den Begrenzer, was ziemlich nervt. Mit einem testhalber montierten 39er Kettenrad erreicht man eine 7% längere Übersetzung. Rein rechnerisch wären dann im sechsten Gang 138 km/h drin, die schafft die Duke aber nur unter günstigen Windbedingungen. Dafür lässt sie sich mit der langen Übersetzung aber insgesamt entspannter fahren, wirkt weniger nervös – oder spritzig, je nach Sichtweise. Mir taugt das 39er jedenfalls. Wer selbst mal rechnen möchte, findet hier ein geniales Werkzeug: www.gearingcommander.com.
Viel diskutiert wird in Internet-Foren bekanntlich über Reifen. Die 200er Duke rollt serienmäßig mit indischen MRT-Gummis und die sind, laut Aussagen mancher User, nicht fahrbar bis lebensgefährlich! Ehrlich gesagt hatte ich auf 2600 Kilometern – auch im Winter und bei Regen – nicht eine Situation, in der die MRT ein Problem gewesen wären. Auch bei der Präsentation der 125er erwiesen sie sich schon als erstaunlich ausgewogen. Für einen direkten Vergleich tauschten wir bei 2600 km die MRT trotzdem gegen Bridgestone S20. Die Bridgestone fühlen sich in der Tat besser an, die Maschine liegt irgendwie satter und ist bei großer Schräglage zielgenauer. Das alles im Alltag aber in einem Bereich, der einen vorzeitigen Wechsel meiner Ansicht nach nicht rechtfertig – es sei denn man fühlt sich einfach nicht Wohl mit einem Reifen. Unsere Duke wird auch zukünftig mit Bridgestone bereift unterwegs sein.
Die Fahrwerksabstimmung ist ab Werk allenfalls für einen 50 kg-Inder passend. Die Federbasis lässt sich vorspannen, was man gewichtsabhängig auch tunlichst tun sollte – bzw. seinen Händler machen lässt, denn ein Hakenschlüssel fehlt im eh recht mäßigen Bordwerkzeug.
Sehr empfehlenswert sind die originalen Handschützer (109 Euro), die auf einer stabilen Aluschiene montiert werden. Sehen super aus, passen genau und bieten guten Wetterschutz (speziell im Winter in Verbindung mit Heizgriffen). Ebenfalls ein „must have” ist die Gepäckbrücke (80,90 Euro), die über dem Soziusplatz montiert wird. Der 2-Personen-Betrieb ist zwar theoretisch möglich, doch tut sich das wohl kaum jemand häufiger an. Die Soziusrasten lassen sich auch ganz einfach abschrauben. Auf der Brücke nimmt via Quicklock eine variable Hecktasche (131,40 Euro) platz, die vom Volumen (12-18 Liter) her für drei Tage Harz locker reicht. Auch im Alltag ist das Ding sehr praktisch! Der originale KTM-Tankrucksack (140,60 Euro) passt gut und fasst ggf. zusätzliches Gepäck. Weniger praktisch finde ich die kleine 10-Liter-Hecktasche (100 Euro) – was da reinpasst, geht (fast) auch in die Taschen einer Tourenjacke. Die montierte kurze Nummernschildhalterung (191,20 Euro) aus dem umfangreichen KTM-Zubehörprogramm (=PowerParts) sieht gut aus, ist aber unpraktisch. Durch die Öffnung rotzt es einem den Dreck bis über den Helm. Ich habe ein Gitter eingeklebt, damit geht es besser und sieht klasse aus.
Die Verarbeitung der österreichischen Inderin ist insgesamt gut, nur bei wenigen Details wäre etwas mehr Liebe angebracht, wie z.B. die unnötig lange Stahlflex-Bremsleitung hinten.
Würde ich die KTM 200 Duke weiterempfehlen? Ja, auf jeden Fall. Sie zeigt, wie abgehoben die Vorstellungen und Ansprüche vieler Motorradfahrer heutzutage sind. Natürlich macht auch Leistung Spaß, aber die Duke zeigt eindrucksvoll, wieviel Spaß Understatement machen kann. Problemlos im Alltag und wenn es sein müsste, würde ich mit ihr auch bedenkenlos auf große Tour ans Mittelmeer oder zum Nordkap gehen.
Wer ein kleines, leichtes und nacktes Motorrad mit etwas mehr Druck haben möchte, darf sich bei seinem freundlichen KTM-Vertragshändler aber auch gerne mal die 390er Duke mit 42 PS anschauen.
PS: Die 390er Duke habe ich im Anschluss an die 200er gekauft …
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