aus Kradblatt 12/22 von Silvana und Fritz

Plattdeutsch: „Hebbt wi noch Hoor?“
Hochdeutsch: „Haben wir noch Haare?“

Silvana und Fritz mit ihren NSU
Silvana und Fritz mit ihren NSU

Im Spätsommer beschlossen meine Frau und ich mit unseren zwei Oldies, einer NSU Fox Bj. 1951 und NSU Max Bj. 1953, zum Oldtimertreffen nach Puschendorf (Mittelfranken)zu fahren.

Die beiden Schmuckstücke hatten wir im Januar aus einer Oldtimersammlung erworben und  nach jahrzehntelanger Standzeit wieder zum Leben erweckt. Nach einmal komplett drüber schrauben ging es ein paar kleine Probefahrten später zum TÜV und anschließend zur Zulassung. 

Die erste offizielle Ausfahrt führte auf die zwei Kilometer entfernte Rehdorfer Kärwa und anschließend zur vier Kilometer entfernten Zirndorfer Eisdiele.

Dass wir nicht weiter wegfuhren, war eine reine Vorsichtsmaßnahme, weil wir ja noch nicht wussten, ob die Technik schon alltagstauglich war. 

Zum Glück! Denn nach der Eisverkostung stand meine Max in einer großen Benzinlache. Da kommst du groß raus vor der Eisdiele! Wie sich herausstellte, war der Messingschwimmer im Bing-Vergaser vollgelaufen und dadurch funktionsunfähig. Keine Chance mehr auf einen Start. 

Also abwarten, bis die Eisdiele zumacht damit die Blamage in Grenzen bleibt, wenn wir das Moped mit dem Anhänger heimholen. 

Da die geplante Fahrt nach Pu­schen­dorf anstand, besorgte ich mir online einen neuen Schwimmer und baute ihn erfolgreich ein. Probefahrt: alles tippitoppi. 

Somit ging es zum Oldtimertreffen nach Puschendorf. Beide Maschinen liefen reibungslos und wir konnten sie stolz in Gesellschaft vieler wunderschöner Raritäten präsentieren. 

Nach ein paar gemütlichen Stunden bei Kaffee und äußerst leckeren Kuchen beschlossen wir, die Heimfahrt anzutreten. Anziehen, dann startklar den Benzinhahn öffnen, um nun äußerst blöd zu schauen, wie die Schwimmerkammer der Max schon wieder überläuft. Ich konnte es nicht glauben und hatte sofort die Befürchtung, dass der neue Schwimmer auch ein Loch hatte und somit wieder mit Sprit vollgelaufen war. Also, wieder ausziehen und das zum Glück mitgenommene Werkzeug zum Einsatz bringen. 

Schwimmer ausbrennen 3-2-1 ... BUMM ...
3-2-1 … BUMM …

Kaum hatte ich das Werkzeug vor dem Moped ausgebreitet, standen auch schon die ersten „Spezialisten“ auf der Bildfläche. Und umso älter sie waren, umso besser ihre Tipps. Einer der älteren Spezialisten schritt dann, nachdem ich den Schwimmer ausgebaut hatte, sofort zur Tat. Er meinte „Mann“ muss den Schwimmer mit einem Feuerzeug so lange erhitzen bis der Sprit durch Ausdehnung aus dem Eintrittsloch wieder austritt. 

Ich als Knalltrauma-Geschädigter traute mir das nicht zu. Somit übernahm der gute Mann die Initiative und erhitzte den Schwimmer unter laufenden sachkundigen Anweisungen eines anderen Spezialisten. 

Es funktionierte tatsächlich! Der Sprit strömte aus dem kleinen unsichtbaren Loch und wurde dabei auch gleich abgefackelt. Ein dritter Spezialist, der aus Sicherheitsgründen auch etwas weiter weg stand, mahnte: „Mann“ solle es nicht so heiß werden lassen, da sonst das Lötzinn schmilzt. 

Kaum ausgesprochen, gab es einen heftigen Knall und der Schwimmer entschied sich für eine Schnell­entladung durch Explosion. Mit einer spektakulären Stichflamme und einem völlig deformierten Messingteil endete die Show. Die erste und einzige Reaktion des sachkundigen Spezialisten lautete. „Hommer nu Hoor?“.  Aber außer ein paar versengten Härchen an den Armen des todesmutigen Spezialisten ist Gott sei Dank nichts Weiteres passiert. 

Jetzt blieb nur noch die Wahl zwischen „wieder mal Anhänger holen“ oder zu versuchen, einen 7 g Schwimmer zu organisieren. 

Den Schwimmer hat es zerrissen
Den Schwimmer hat es zerrissen

Ich versuchte in meiner Verzweiflung das Unmögliche und fragte mich auf der Veranstaltung nach einem solchen speziellen Schwimmer durch. Bald traf ich auf den ehemaligen Vorsitzenden der Mopa-Freunde und fragte auch ihn nach einem solchen Exem­plar. Das Erste, was er fragte: „Wart ihr wohl das, mit dem lauten Knall?“

Auch er war scheinbar Spezialist genug, um zu wissen, was wir getrieben hatten. Und tatsächlich zauberte er dann einen passenden Schwimmer aus dem Hut bzw. aus der Werkzeugkiste seiner alten Triumph. 

Nach erfolgreichem Einbau konnten wir nach einem wunderschönen und erlebnisreichen Tag in Puschendorf ohne weitere Zwischenfälle die Heimfahrt antreten. 

Ein großer Dank an dieser Stelle nochmal an die mir unbekannten „knallharten“ Spezialisten und an die Mopa-Freunde Puschendorf für eine tolle Veranstaltung.

Der Artikel erschien bereits bei unseren fränkischen Kollegen von der Zweirad (www.zweirad-online.de). Man stelle sich die Frage nach dem Haar also in fränkischem Dialekt vor …