aus Kradblatt 08/22 von Konstantin Winkler

Gut geschützt auf Tour

Honda CBX 650 mit Pichler Verkleidung
Honda CBX 650 mit Pichler Verkleidung

Aller guten Dinge sind drei: Vierzylinder-Motorräder der traditionsreichen Marke Honda, angetrieben über eine wartungsarme Kardanwelle und aus- bzw. aufgerüstet (man könnte auch aufgebrezelt sagen) mit Vollverkleidungen der ebenfalls traditionsreichen deutschen Firma Pichler. 

Gegründet wurde die Firma „Pichler Kunstsofftechnik“  übrigens im Jahre 1963. Sie war eine der ersten GFK (Abk. für Glasfaserverstärkter Kunststoff) verarbeitenden Herstellungsbetriebe in Europa. Noch heute gibt es das Unternehmen  im niederbayerischen Eggenfelden. Entsprechend unproblematisch ist die Ersatzteilbeschaffung, wenn eins der Motorräder mal Opfer der Schwerkraft wird und beispielsweise die Scheibe zu Bruch geht. Vieles ist noch zu bekommen, sowohl neu als auch gebraucht. Interessantes Detail an diesen Verkleidungen: Die Blinkergläser stammen von der ersten serienmäßig vollverkleideten BMW, der R 100 RS.

So ein Autoradio war damals ein echter Hingucker
So ein Autoradio war damals ein echter Hingucker

Außer der Kardanwelle und einer Pichler-Verkleidung haben die beiden Honda dann aber wenig gemeinsam. Während die GL 1100 (die 2. Serie der Gold Wing) einen wassergekühlten Boxermotor hat, ist der Reihenmotor der CBX 650 E luftgekühlt und aufwendig konstruiert. Die acht Ventile haben Hydrostößel, was ein eventuelles Einstellen überflüssig macht. Eine wartungsarme Steuerkette treibt die Nockenwellen an, während die Gold Wing zwei Zahnriemen hat.

Honda GL 1100 Gold Wing - immer noch ein klasse Tourer
Honda GL 1100 Gold Wing – immer noch ein klasse Tourer

Der größere Hubraum verleiht dem dicken Boxer nicht unbedingt mehr Power, außer aus den Tiefen des Drehzahlkellers. Die 82 PS der 1100er stehen 55 PS der kleineren 650er gegenüber. Die Literleistung ist dabei geringer: 75 GW-PS gegen 86 CBX-PS/Ltr. Durch das niedrigere Gewicht lässt sich die 650er aber trotz der geringeren Leistung leichter händeln und beschleunigen.

Einen Kupplungszug sucht man bei der CBX vergebens. Auch hier wird auf hydraulischem Wege gearbeitet, was man an je einem Ausgleichsbehälter an den Lenkerenden erkennt. 

Die Getriebe lassen sich so schalten, wie man es seit Jahrzehnten von den Japanern kennt: Perfekt! Ich erspare mir und der geneigten Leserschaft Lästerliches bezüglich allseits bekannten Mitbewerbern …

Die CBX hat sogar noch einen Gang mehr. Nach der „5“ kommt in der digitalen Ganganzeige „OD“ für „Overdrive“ – eine lange Übersetzung zur Reduzierung der Drehzahl.

Die Verkleidungsform gefällt auch heute noch
Die Verkleidungsform gefällt auch heute noch

Wer der Meinung ist, ein hässlicheres, eckiges Cockpit als bei den BMW K-Modellen gibt es nicht, hat wohl noch nie einen Blick auf Tacho und Drehzahlmesser bei einer CBX geworfen.

Mit zeitgenössischen Krauser- Koffern nebst Topcase lässt es sich vortrefflich reisen. Der Wind- und Wetterschutz ist vorbildlich. Man glaubt kaum, mit fast 40 Jahren alten Bikes unterwegs zu sein. 175 km/h Spitze läuft die CBX, 195 km/h die GL. Aber das tun wir den betagten Motoren nicht an. Die Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen ist das selbst auferlegte Ende der Fahnenstange. 

Bremsen tun sie auch. Und sogar sehr gut! Obwohl die beiden vorderen Scheibenbremsen der CBX hinten nur von einer einfachen Trommelbremse unterstützt werden, bremst die Gold Wing mit ihren 3 Bremsscheiben genauso gut. Na ja, sie hat ja auch ein bisschen mehr Speck an den Hüften, sprich 290 Kilogramm Leergewicht stehen 226 Kilo gegenüber. 

 Ziel unserer Ausfahrt ist das jährlich Ende Juli stattfindende Oldtimer-Treffen im dänischen Hokkerup. Auch wenn das Gros der dortigen Fahrzeuge wesentlich älter ist, ernten wir bewundernde Blicke. Vorteil Youngtimer: Viele kennen sie aus der eigenen Jugend!

Die 220 Kilometer von Hamburg dorthin über viele Landstraßen und wenig Autobahnen verlaufen genussvoll und entspannt. 

Über Geschmack und Optik lässt sich streiten und vortrefflich kontrovers diskutieren. Ob Motor, Tank oder Sitzbank – alles wirkt bei der Gold Wing liebevoll konstruiert. Die CBX ist da einfach nur funktional.

Lichtjahre entfernt sind Beliebtheit und Preise. Während alte Gold Wing gesuchte Klassiker sind, will eine CBX trotz zuverlässiger Technik kaum jemand haben – Oldtimer fahren zum Discount-Preis. Spaß machen sie beide. Behäbig cruisen oder sportlich & handlich unterwegs. Und ein Hingucker sind sie auch beide, nicht nur auf Oldtimer-Treffen.