aus Kradblatt 8/17
von Tobias Tantius

Die unbekannte Marke aus Hamburg

Bei Motorrädern aus Hamburg denken wir an die 1920er Jahre. Damals gab es einige kleine Hersteller wie M.F.B, Grüco, Meybein oder Hermes. Max Brettschneider bot Mabret-Motorräder mit 350er und 500er Küchen-Motoren an. Und nach dem Krieg versuchte sich Ing. Richard Engelbrecht mit seinen Reh-Maschinen. 

200er HillmannUnd Hillmann? Bestenfalls bringen wir diesen Namen mit englischen Autos, statt mit Zweirädern aus der Hansestadt in Verbindung. Nicht verwunderlich, denn die kleine Firma von Heinrich Hillmann trat als Hersteller nicht sichtbar am Motorradmarkt auf, machte keine Werbung und streute keine Prospekte. Den Verkauf ihrer wenigen Maschinen mit dem Zeppelin im Logo, überließ sie dem regionalen Zweiradhandel, denn Hillmann war eine Fahrradgroßhandlung.

Bereits 1929 gründete Heinrich Hillmann seine Zweiradhandlung im Brandsende 11. Schon zwei Jahre später begann die Produktion eigener Fahrräder mit dem Zeppelin. In Hamburg-Fuhlsbüttel gab es die Zeppelin-Halle und hin und wieder schwebte ein Luftschiff über der Stadt. Vermutlich haben die „Fliegenden Zigarren“ Hillmann so beeindruckt, dass er den Zeppelin in sein Markenlogo integrierte. Neben dem Hillmann-Schriftzug gesellte sich 1935 Hillmania als Billigmarke dazu.

Hillmann Moped von 1955/56Ende der vierziger Jahre wurde das erste „Original-Hillmann“ Mofa-Model mit eigenem Rahmen angeboten. Die leichte Maschine unterschied sich nicht sonderlich von den unzähligen Mitbewerbermodellen seiner Zeit. Als Antrieb kam ein 98 ccm Ilo-Motor mit 2,25 PS zum Einsatz. Der Mode entsprechend war der Herren- oder Damen-Rahmen Schwarz bzw. Dunkelrot lackiert. Angeblich belief sich die Stückzahl auf unter 150 gebaute Fahrzeuge. Nur ein Exemplar (Rahmen-Nr. 114) ist heute noch bekannt.

Der Hauptsitz blieb bis 1957 unter der alten Adresse, jedoch musste aufgrund steigender Nachfrage 1950/51 die Fahrradproduktion in größere Räumlichkeiten verlagert werden. Hillmann fand diese in der Alsterkrugchaussee Nr. 385 d, einem Hinterhofgebäude, wo er schließlich ein halbes Dutzend Mitarbeiter beschäftigte.

Hillmann TanklogoIn den 50er Jahren nimmt der Bedarf an motorisierten Zweirädern zu. Auch Hillmann erkennt den Trend und weitet seinen Krad-Bau aus. Neben dem eigentlichen Großhandelsprogramm von Fahrrädern, Fahrradteilen und Zubehör, werden nun auch Motorräder mit 98er, 125er und 200er IIo-Motoren gebaut. Mit Preisen um 1.400 DM finden die Maschinen kaum Absatz und bringen nahezu keinen Gewinn, was Hillmann aber nicht beeindruckt. Er leistet sich den Luxus einer eigenen Motorradherstellung. Die wenigen selbsthergestellten Rahmen wurden nach der Lackierung in den gleichen Öfen, wie die Fahrräder getrocknet. Das führte zu Chargen-Herstellung. Jedoch blieb die Zahl der gebauten Motorräder im Zeitraum von vier oder fünf Jahren bei ca. 50 Maschinen, von denen vermutlich nur 10 mit dem großen 200 ccm Motor an den Zweiradhandel ausgeliefert wurden. Dieser übernahm auch die Wartung und Inspektionen, sowie die anfallenden Reparaturen.

98er Hillmann mit ILO-Motor von 1948

Eine 200er Hillmann (vermutlich Bj. 1955), wurde 1965 durch Einzelabnahme wieder zugelassen. Das Fahrzeug entspricht dem Stil der damaligen Bauweise: Doppelrohrahmen, vollgefedert, mit Schwingsattel, geschlossenem Kettenkasten und Kickstarter. Auffällig: das Sattelrohr. Es führt senkrecht nach unten und bricht damit das harmonische Gesamtbild der Maschine. Hillmann hatte die Rahmenführung offensichtlich an der praktischen Notwendigkeit ausgerichtet. Ebenso die Schutzblechstreben aus einem Rundstab. Vorne liegen sie außen auf dem Schutzblechrand an. Das hintere Blech ist geteilt. Auch hier sind die Streben verstärkt und eine Zusatzaufnahme verteilt die Vibrationsspannung. Farblich setzt sich die 2-Takter-Maschine nicht durch Besonderheiten ab. Sie kommt in schlichtem Schwarz mit dezenter Goldlinierung auf den Schutzblechen daher. Nur die Tankseiten leuchten rot und tragen das Firmenlogo; ein weißer Ring mit der Aufschrift „Hillmann“ durch den sich die Spitze des goldenen Zeppelins schiebt. Das Motorrad ist vermutlich eines von zwei Fahrzeugen, dass an die Feuerwehr in Horneburg ging. Die eingestanzte Rahmennummer 1001 stammt aus der laufenden Gesamtproduktion aller Hillmann-Rahmen. Da überwiegend Fahrräder gebaut wurden, lässt sie daher keinen Schluss auf die tatsächliche Menge der Motorradproduktion zu.

Hillmann war durch die Fahrradproduktion zwar ausgelastet, dennoch wollte man einen weiteren Kundenkreis erreichen – die Mopedfahrer. Auch hier ging die kleine Firma eigene Wege und stellte einen schlichten Rohrrahmen mit eigenen Motoraufhängungen her. Die Mopeds fielen in der Länge recht kurz aus und wirkten überaus schlicht. Die üblichen Anbauteile wie Tank, Schutzblech, Gabel und Lenker wurden dazugekauft. Für Preise um die 600 DM verließen zwischen 100 bis 150 Mopeds mit Sachs- oder Ilo-Motor die Werkshallen. Ungewöhnlich: Einige Exemplare sollen mit Mota-Motoren ausgestattet gewesen sein. Die Farbpalette war seinerzeit sehr überschaubar. Es konnte zwischen Hellblaumetallic, Schwarz und Grau gewählt werden. Ebenso wie die Motorräder, wurden die Mopeds nur an den Zweiradhandel verkauft. Ohne Werbung dafür, versteht sich!

Im Februar 1961 übernahm Neffe Heinz Hillmann die Firma. Der gelernte Kaufmann erkannte die Unwirtschaftlichkeit der eigenen Rahmenproduktion und beendete sie alsbald. Bis 1963 wurden noch einzelne Fahrräder hergestellt. Das Hauptgeschäft bestand fortan nur noch aus dem Großhandel mit Zukaufrädern, u.a. von Göricke, die als Hillmann „umgelabelt“ wurden und an den Einzelhandel gingen. Weiterhin standen auch billige Räder, als Hillmania-Rekord im Angebot.

Anfang der 90er Jahre zog Hillmann erneut um, da die Gebäude in der Alsterkrugchaussee abgerissen werden mussten. Der dritte Standort im Wellingsbüttler Weg 38 sollte auch der letzte sein. Da Heinz Hillmann keinen Nachfolger für seine Firma finden konnte, sagt er „tschüss“, und gab im Februar 1998 das Geschäft auf.

Egon und Tobias Tantius betreiben das private ET-Zweiradmuseum im Birkenweg 18, 38524 Sassenburg OT Grußendorf. Öffnungszeiten nach telefonischer Vereinbarung unter 05379-1669, Eintritt kostenfrei. Aktuelle Infos gibt es auch auf Facebook.