aus Kradblatt 10/14
von Klaus Herder

 

KLASSE MITTELKLASSE: Ducati Monster 821

Ducati Monster 821Ja, ich bekenne freimütig: Ich bin Bedienungsanleitungs-Leser, Landkarten-vorab-Studierer und rein beruflich sogar Pressemappen-Konsument. Das unterscheidet mich zwar von der Mehrzahl meiner Geschlechts- und Berufsgenossen, vereinfacht aber meistens den privaten und beruflichen Alltag ein wenig. Man(n) wird einfach nicht mehr so überrascht von den Dingen, die da auf einen zukommen können. Und man stößt auf Sachen, die einem sonst womöglich entgangen wären. Zum Beispiel Zusatz-Funktionen und versteckte Aussichtspunkte. Oder auch – um auf das Thema Pressemappe zu kommen – auf Motorrad-Zielgruppen, an die man sonst überhaupt nicht gedacht hätte. Die Monster 821 ist laut Ducati-Marketingprosa nämlich nicht nur die „attraktivste Mittelklasse-Monster aller Zeiten“. Bei ihr und ihren Monster-Schwestermodellen handelt es sich gemäß offizieller Verlautbarung auch um das „Motorrad der Wahl für Kenner und Prominente wie Schauspieler, Musiker, Formel 1-Fahrer und Top-Athleten“. Oha, das klingt heftig anspruchsvoll. Neben einer Statistenrolle im Kindergarten-Weihnachtsmärchen vor knapp 50 Jahren und meiner aktuellen, allerdings recht überschaubaren Gesangskarriere im zweiten Bass der Eddelaker Liedertafel habe ich promimäßig nicht sehr viel zu bieten. Qualifiziert mich womöglich eine gewisse Kennerschaft, um den heiligen Monster 821-Stuhl besteigen zu dürfen? Jawoll, Glück gehabt, denn die Monster 1200 S bescherte mir anlässlich einer ausführlichen Probefahrt bereits Tränen der freudigen Rührung (siehe Kradblatt 6/14). Ich darf mich der kleineren Schwester also ruhigen Gewissens nähern.

Ducati Monster 821 BremseMit der mir bekannten und schwer gelobten 1200er ist die 821er deutlich enger verwandt, als man auf Anhieb vielleicht vermuten würde: Jede Menge Elektronikgedöns (Ride-by-Wire-Gasgriff, drei Fahrmodi, dreistufiges ABS, achtstufige Traktionskontrolle – alles gewaltig miteinander vernetzt) und vor allem der wie bei der 1200er als mittragendes Rahmenbauteil dienende Elf-Grad-Testastretta-Motor (tolle Laufkultur dank zahmer Steuerzeiten mit nur elf Grad Ventilüberschneidung – daher der Name) machen deutlich, dass nun auch beim Monster-Nachwuchs die Technik-Neuzeit angekommen ist. Der wassergekühlte Vierventiler, der bereits als Hypermotard-Antrieb jede Menge Lob einheimsen konnte, ersetzt die luftgekühlten Zweiventiler der Monster 696 und 796. Und das bereits kurzfristig, denn die bisherigen Einstiegsmodelle, die in Sachen Fahrdynamik etwas den Anschluss an die erstarkte Mittelklasse verloren haben (Stichwort Yamaha MT-09!), werden nicht mehr gebaut. Von den knapp 20 Kilogramm leichteren, aber eben auch 20 bzw. 27 PS schwächeren Zweiventilern gibt es nur noch Restbestände.

Ducati Monster 821Mit 10690 Euro kostet die Monster 821 immerhin 2800 Euro weniger als die günstigste Monster 1200. Wer zur komplett in Schwarz und ohne Sitzbankabdeckung antretenden Monster 821 Dark greift, spart sogar glatte 3000 Euro. Da dürfte es dann wenig überraschen, dass bei der 821er an der einen oder anderen Stelle ein wenig gespart wurde: Zweiarm- statt Einarmschwinge, Stahl- statt Alulenker, eine einfachere Bremspumpe und schlichtere Federelemente zeigen, dass auch in Bologna kaufmännische Grundkenntnisse vorhanden sind. Kunststoff statt Alu als Kühlerblendenmaterial ist zu verschmerzen, und der Verzicht aufs edle und schön bunte, unter bestimmten Umständen aber nicht wirklich gut ablesbare TFT-Display im Cockpit ist auch kein Beinbruch. Wer die 1200er nicht kennt, wird noch nicht mal ansatzweise bemerken, dass überhaupt irgendwo gespart werden musste. Ganz im Gegenteil: Die Monster 821 wirkt bereits beim ersten Befingern und Besteigen ungemein wertig und erwachsen.

Die Freude des hinterm flachen und breiten Lenker leicht sportlich und erstaunlich bequem untergebrachten Betrachters weicht nach dem völlig problemlosen Anlassen der noch größeren Freude des Zuhörers: Bereits im Leerlauf tönt es aus dem nach oben angeschrägten Doppelauspuff ziemlich kernig. Nicht wirklich prollig, aber es ballert doch immerhin so herzhaft, dass die interessierte Nachbarschaft bestens darüber informiert wird, dass Herr H. mal wieder auf Tour geht.

Ducati Monster 821War es in der Monster-Frühzeit durchaus hilfreich, ein paar Zentimeter länger zu sein – das Über-den-Tank-Strecken und auch die Sitzhöhe waren wirklich nichts für Fast-Zwerge – können nun auch körperlich ein wenig Benachteiligte das Monsterfahrer-Dasein genießen. Neben dem 40 mm näher in Richtung Fahrer montierten Lenker sorgt dafür die erfreulich variable Sitzhöhe. Standardmäßig sind 810 mm im Angebot, das Entfernen der vier Auflagen reduziert die Angelegenheit auf 785 mm. Mit einer Zubehör-Sitzbank sind sogar 765 und 745 mm machbar, womit die 821 die niedrigste Sitzhöhe zu bieten hat, die jemals an einer serienmäßigen Ducati gemessen werden konnte. Eine weitere Sitz-Alternative macht die Sache mit 830 mm auch für ausgesprochene Langbeiner tauglich. Lautete das Monster-Sitzplatzmotto lange Zeit nur „Friss oder stirb“, scheint die Ergonomie-Neuzeit nun auch bei Ducati angekommen zu sein. Das gilt auch für den Soziusplatz, der nicht nur vorhanden, sondern nun auch nutzbar ist. Und das nicht nur von einer Gepäckrolle, sondern auch von einem leibhaftigen Mitfahrer, der sich über unerwarteten Komfort freuen darf.

Ducati Monster 821 SchwingeDie Motoren-Neuzeit gibt’s bei Ducati schon etwas länger, denn der 821 ccm große Motor (endlich ist das Modellbezeichnungs-Rätsel gelöst) macht schon seit geraumer Zeit in der Hypermotard einen hervorragenden, nämlich erfreulich durchzugsstarken und dabei recht kultivierten Job. Für die Arbeit in der Monster 821 bekam der Vierventiler nun Gleit- statt Wälzlager an der Kurbelwelle sowie eine neue Ölpumpe spendiert. Die Einspritzanlage der 1200er-Monster mit 53er-Drosselkappen (Hypermotard: 52 mm) kümmert sich sehr sparsam (deutlich unter fünf Liter auf der Landstraße) um die Gemischaufbereitung, und eine neue Airbox schafft Platz für den ebenfalls von der 1200er bekannten 17,5-Liter-Tank aus Stahlblech, was besonders Besitzer von Magnet-Tankrucksäcken interessieren dürfte.

In der 821er-Konfiguration leistet der Motor 107 PS bei 9250/min und stemmt maximal 89 Nm bei 7750/min auf die Kurbelwelle. Nach dem Griff zum leichtgängigen Kupplungshebel und dem Rühren im präzise, aber etwas knochig zu schaltenden Getriebe nimmt die Ducati unter herzhaftem Bollern munter Fahrt auf. Bereits ab 2500/min oder ab rund 70 km/h darf es der letzte von sechs Gängen sein.

Ducati Monster 821 FrontWährend man es in der Monster-Frühzeit im Drehzahlkeller öfter mal mit einem sprotzenden, auf die Kette einhackenden Mimöschen zu tun hatte, ist aus der einstigen Diva mittlerweile eine richtig umgängliche Partnerin geworden. Die aber auch durchaus frech sein kann, vorausgesetzt, man wählt über die Blinker-Rückstelltaste (gern auch während der Fahrt) „Sport“ als Fahrprogramm. Damit gibt’s eine sehr, sehr direkte Gasannahme, eine eher zurückhaltend eingreifende Traktionskontrolle und ein ABS, das nichts gegen Stoppies und ein dabei abhebendes Heck hat. Anders gesagt: In der Stadt oder auch bei Nässe ist „Touring“ manchmal die deutlich bessere Fahrprogramm-Wahl. Damit hat man zwar auch noch die volle Leistung zur Verfügung, doch Gasannahme, Traktionskontrolle und ABS benehmen sich spürbar gesitteter. „Urban“ ist mit maximal 75 PS und dem sehr frühzeitigen Eingreifen aller elektronischen Helferlein das Fahrprogramm des Vertrauens, wenn man sich mit der Monster 821 verkauft hat und eigentlich lieber einen 125er-Roller hätte. Oder anders gesagt: eigentlich entbehrlich. Ab Werk ist das Zusammenspiel der achtstufigen Traktionskontrolle DTC mit den drei „Riding Modes“ klar definiert, doch Spielernaturen mit viel Zeit und Nerven können den ganzen Kram auch frei konfigurieren. Und glücklicherweise mit Hilfe der Reset-Funktion auch wieder in den originalen Werkszustand zurückversetzen.

Vollgetankt wiegt die Monster 821 moderate 209 Kilogramm. Der Twin hat keine Mühe, diese Masse plus maximal 181 Kilo Zuladung sehr zügig nach vorn zu katapultieren. Im Idealfall innerhalb von 3,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h und auf maximal 225 km/h – die Mittelklasse ist halt auch nicht mehr das, was sie zu Zeiten einer SR 500 einmal war. So ab 5500/min merken selbst etwas unsensiblere Naturen, was den aktuellen Vierventiler vom alten Zweiventiler unterscheidet. Der Oberbegriff lautet „Drehfreude“. Der Vierventiler schreit heftig röhrend immerzu „Mehr, mehr, mehr!“ und fetzt mit einer solchen Vehemenz durchs Drehzahlband, dass es eine wahre Freude ist. Bis 10000 Touren ist ganz großes Kino angesagt, und das erledigt der Motor erstaunlich kultiviert, was allerdings nicht mit „weichgespült“ verwechselt werden sollte. Dass da ein amtlicher Zweizylinder und kein schnöder Reihenvierer arbeitet, ist in Sachen „good vibrations“ und vor allem soundmäßig permanent zu erleben. Besser gesagt: zu genießen. Und nicht nur beim Gasgeben tönt es lustvoll, auch im Schiebebetrieb gibt’s mit unanständig bratzelnden Fehlzündungen herrlich auf die Ohren. Wer es dann doch einmal übertreibt, wird von der ausgesprochen sanft eingreifenden Traktionskontrolle wieder eingefangen – natürlich nur im Rahmen der physikalischen Möglichkeiten, versteht sich. Ein gewisses Maß an Resthirn sollte man trotz aller elektronischen Helferlein auch als Monster 821-Treiber nutzen.

Ducati Monster 821 CockpitEine solide Fahrwerksleistung macht es dem Monsteristi leicht, das muntere 821er-Treiben heil zu überstehen. Die Ducati ist sicher nicht die Handlichste ihrer Klasse, ihre nicht verstellbare Kayaba-Gabel und das immerhin in Federvorspannung und Zugstufendämpfung variable Sachs-Federbein gehören nicht zu den sensibelsten Vertretern ihrer Art. Aber mit ihrem ausgewogenen Handling, ihrer auch bei Topspeed vertrauenerweckenden Stabilität und ihrer jederzeit hervorragenden Berechenbarkeit ist sie bestens für Fahrer geeignet, die keine Lust auf Experimente haben und einfach nur fahren wollen. Die Zeiten, in denen eine Monster eine ziemliche Zicke sein konnte – vorn zu weich, hinten zu hart, unbequem und obendrauf mit einem ausgeprägten Eigenleben ausgestattet – sind längst vorbei. Die Monster ist eine solide Fahrmaschine, mit der (Wieder-)Einsteiger und Könner gleichermaßen Spaß haben werden. Die mächtig zupackenden und mit einem Bosch-ABS der neuesten Generation kombinierten Brembo-Stopper passen gut dazu, was aber nicht ausschließt, dass in Sachen Dosierbarkeit wohl noch etwas mehr wünschenswert wäre. Sehr sicher einfangen lässt sich die Fuhre aber auch schon so.

Ducati Monster 821Die nur alle 15000 Kilometer zum Service antretende Monster 821 ist – natürlich – in Ducati-Rot lieferbar. Dazu gibt’s einen roten Rahmen und schwarze Räder. Wer „Star White Silk“ als Grundfarbe wählt, bekommt zum roten Rahmen mattrote Räder. Das Farbangebot für die Monster 821 Dark hatten wir bereits: Schwarz. Die Zukunftsaussichten für die jüngste Vertreterin der Monster-Baureihe sind ebenfalls klar: rosig. Die Sache mit den „Kennern und Prominenten“ in der Pressemappe ist vielleicht Bullshit, die Aussage „attraktivste Mittelklasse-Monster“ aller Zeiten trifft die Sache aber auf den Punkt. Und wenn es die 1200er nicht gäbe, dürften die Ducati-Pressemappenschreiber auch durchaus das Wörtchen „Mittelklasse“ weglassen.

 

2. Meinung von Marcus Lacroix:

Die Ducati-Vertragshändler haben 821er und 12er Monster am Start und so konnte ich beide dort fahren. Während die 1200er Porno-pur ist und mir pers. der Sportmodus im Alltag zu krass, lässt sich die 821 auch in diesem Modus entspannt fahren. Genial ist bei beiden die Traktionskontrolle! 2800 Euro reichen für eine ganze Menge Benzin oder Zubehörteile, allerdings wären für mich das farbige Cockpit und die sexy Einarmschwinge der 12er zu verlockend. Probiert am besten beide selbst mal aus. Euren nächsten Händler findet ihr <hier> beim Kradblatt…