aus bma 3/10

von Thorsten Janßen

Dnepr Citroen 2CV Gespann„Niemals ein Gespann. Nee nee. Also wenn’s soweit kommt, hör ich mit dem Motorrad fahren auf…“ – erschreckend wie deutlich mir meine eigenen Worte noch im Kopf sind. Und das ist schon recht lange her. Gespann fahren – das war alles andere als „richtig“ Motorrad fahren. Keine Kurvenlage, nicht annähernd die Leistung eines großen Supersportlers… also was sollte daran so toll sein? Das ist was für Bergaufbremser, Schattenparker, Warmduscher. Für mich jedenfalls nicht! Wir machen einen Zeitsprung, gehen gut 30 Jahre weiter und schreiben das Jahr 2007. Ich sitze vorm Rechner und suche im W-W-W nach einem Dreirad für große Männer. Ja, tatsächlich – ich suche ernsthaft nach einem Gespann. Was war geschehen?

Ich hatte zu diesem Zeitpunkt nahezu alles besessen oder zumindest gefahren was auf zwei Rädern „Rang und Namen“ hat. Und irgendwann fing ich an, nach etwas anderem zu suchen als nach noch immer mehr Leistung, immer weniger Gewicht, immer „gleicherem“ Feeling. Der eigentliche Spaß am Motorrad Fahren trat unbemerkt mit den Jahren mehr und mehr in den Hintergrund, wurde immer kurzweiliger. Und dann, ganz plötzlich, keimte im Unterbewusstsein deutlicher und immer deutlicher die Frage: Warum nicht auch mal ein Gespann ausprobieren? Alles hatte ich besessen – nur noch nie ein Gespann. Ja, das war ein Zeichen – jetzt war ich reif.

Es musste ein Gespann her. Aber nicht irgendein Gespann – nein, es sollte aus einem Land kommen dessen damalige Landesflaggenfarbe durchaus Ähnlichkeit mit einer reifen Tomate hatte. Ebenfalls ausschlaggebend für die Suche war ein Baujahr möglichst in der Nähe meines Geburtsdatums – also 60er Jahre. Ich wollte zeitlose Formen, kleine Nummernschilder, keine Abgasuntersuchung etc. etc.

Dnepr Citroen 2CV GespannNach einigem Suchen war ich doch überrascht, für welch schmales Budget man ein anscheinend fahrbares altes Gespann aus der Heimat Gorbatschows bekommen konnte.

Nun denn, das Angebot eines älteren Herren aus Bayern erweckte mein Interesse. Preis stimmte, Optik und geschilderter Zustand schienen genau zusammen zu passen. Logische Konsequenz – gekauft. Unbesehen. War ein Fehler (stellte sich aber erst später heraus). Da mir die Fahrt mit einem Anhänger in die Nähe Münchens von Ostfriesland aus zu Zeit und kostenaufwändig war, ließ ich mir den russischen Bomber von einem Transportunternehmen vor die Haustür liefern – für 200 Euronen. Diese Aktion hatte 14 Tage gedauert, dann hielt im September 2007 ein LKW in unserer Straße direkt vor unserer Haustür und lud das Objekt der Begierde ab.

Jaaaa, das schien auf den ersten Blick mit den Vorstellungen die ich hatte überein zu stimmen. Hier manifestierte sich realer russischer Schwermaschinenbau aus der Zeit Marx und Lenins. Na ja, fast. Ich hatte nie vorher ein solches Gespann wissend betrachtet und war schon nach recht kurzer Zeit nur durch das akribische „Erschauen“ und Ertasten der teilweise rustikalen Detaillösungen fasziniert. Das Finish, die Lösung technischer Probleme, die Ausführung eigentlich hinlänglich bekannter Bauteile waren mit gänzlich fremd. Aber das hatte was. Es war so ganz anders. Während ich mich bei meinen zahlreichen meist japanischen, teilweise enorm leistungsfähigen Motorrädern schon über kleinste Makel wie Kratzerchen o.ä. aufregen konnte, war auf einmal der Begriff „Finish“ neu definiert – wie unwichtig kann eine derbe Beule in einem Kotflügel sein, wie groß und durchaus reizvoll kann der grobe und unpräzise Stahlguss einer Gabelbrücke reizen. Das war der Hammer. Alles was nach Stahlblech aussah, war auch aus dem selbigen Material – und das sogar in ungewohnten, anscheinend schusssicheren Wandstärken. Kunststoff war einwandfrei für das Material der Reifen und sonst eigentlich für nichts verwendet worden. Überhaupt machte das Gespann, übrigens eine Dnepr K 750 von 1957, schon durch sein pures Gewicht einen „bleibenden“ Eindruck bei mir. Da musste wirklich zugepackt werden, um den Eisenhaufen zu bewegen.

Dnepr Citroen 2CV GespannDie Startprozedur kannte bestimmt schon mein Opa – Schwimmerkammern fluten, Zündhebel am Lenker verstellen, Luftfilterschieber auf „ZU“. Dann ohne Zündung zweimal gekickt. Nun den massiven Zündschlüssel im Zündschloss in der Lampe runterdrücken – und nach der O.T. – Suche kraftvoll getreten: Pöt pöt pöt pöt pöt pöt pfft pöt pöt . . .er lief tatsächlich. Und das sogar recht „rund“. Ich muss zugeben, dieses Teil übte schlagartig eine Faszination auf mich aus, die der Begeisterung gleichkam die ich erlebte, als ich meine erste Dampfmaschine unterm Weihnachtsbaum 1967 mit Papas Hilfe zum laufen brachte. Das war das gleiche Gefühl, ich schwörs euch!

Der Rest ist eigentlich schnell erzählt – nächsten Tag angemeldet, erste kleine Tour. Zweite Tour, dritte Tour, vierte . . .Krawummmm. Aus. Vorbei. Was war passiert? Das Pleul vom linken Zylinder offenbarte nach der Zylinder Demontage einen glatten Bruch. Toll. 140 Kilometer hielt die Begeisterung. Dann hätte ich das Teil anzünden können. Ich war sauer. Nun denn – wer so blauäugig ein Gespann Made in CCCP erwirbt, muss bestraft werden. Und das ist eben umgehend eingetreten.

Nachdem ich meinen Frust nach einigen Tagen – in denen ich das Gespann mit „Nichtbeachtung“ strafte – überwunden hatte, entschloss ich mich (auch durch das ungewohnt gute Zureden meiner Frau (?)) alles was sich dreht und bewegt zu ersetzen gegen bekannt haltbarere Technik. Entweder sollte es aus dem Land der aufgehenden Sonne kommen oder gerne auch aus dem Land der Weißwürste. Das ich dann das Wichtigste, den Motor, aus einem Auto aus dem Land des Baguettes zweckentfremdete (das ich schon zu Studienzeiten heiß und innig geliebt hatte und das einem heimischen Schwimmvogel nicht unähnlich sieht), war mir zu Beginn des Projektes – „Macht HUGO (so sollte es nun heißen – eine Idee meines 4 – jährigen Sohnes) unsterblich“ – nicht wirklich bewusst. Der Motor sollte erst getauscht werden gegen ein fabrikneues russisches Originalexemplar. Das war nach eingehender Recherche im Internet tatsächlich noch zu bekommen. Sagenhaft. Für mein Gespann – sorry, für Hugo, konnte man noch einen originalen Motor in NEU bekommen. Schon erstaunlich. Dieser Motor ist aber nun nicht ganz billig, und ist wohl auch im Neuzustand von dem Begriff „Zuverlässig“ weiter entfernt als ich es mir wünschte.

Dnepr Citroen 2CV GespannAlso wurde diese Version verworfen. Es bot sich dann ein Wechsel auf einen bajuwarischen Motor an. Auch nicht schlecht. Dann kam mir durch Zufall beim Stöbern auf meinem Lieblingsschrottplatz der Motor einer ENTE ins Blickfeld. Ente. 2CV. Döschewo. Auch ein Boxer. Zwei Zylinder, luftgekühlt. Leistungsmäßig fast identisch und er hat den Ruf, dass er nahezu unzerstörbar war. Oder auch noch ist. Enten wurden doch meist „entsorgt“, weil sie verrostet waren, seltenst weil das Motörchen schlapp machte. Die Abmaße schienen OK. Das ausschlaggebende Argument war dann aber der Preis: 100 Euro für den Motor. Das war genial. Schlimmstenfalls hatte ich dann den Hunderter in den Sand gesetzt, bestenfalls hatte ich für das Geld eine treue und zuverlässige Antriebsquelle gefunden, die es gewohnt war, weit mehr Gewicht zu schleppen.

Dnepr Citroen 2CV GespannDa das russische Getriebe sowieso nicht ohne Modifikationen an den Motor passen würde, entschloss ich mich nun einen rundum Schlag zu machen und das Getriebe einer BMW – Boxer Maschine zu verbauen. Ja, und dann könnte man auch gleich den Kardan und den eigentlichen Antrieb der BMW Spendermaschine mitverbauen (dass das Verbauen des Kardans und des Winkeltriebes so dermaßen arbeitsaufwändig werden würde, hatte ich nicht gedacht. Hätte ich es zu diesem Zeitpunkt gewusst – ich glaube ich hätte diese Bauteile russisch gelassen).

Tja, und dann wollte ich die russischen Vielecke (gemeinhin fälschlicherweise als Felgen bezeichnet) gegen haltbarere, runde Exemplare austauschen. Und auch hier bot sich ein Wechsel auf die Stahlfelgen der Ente an. Netter Nebeneffekt war die nun mögliche Nutzung von wesentlich haltbareren und merklich günstigeren PKW Reifen der Dimension 135/15 (sind viel billiger als die eigentliche Größe der Ente: 125/15). Nebenbei wurde die Dnepr Gabel noch ersetzt gegen ein Exemplar der Kawasaki Z 650 von 1979 – stark eingekürzt; die Federbeine spendierte wiederum eine Harley Davidson. Als Bremse vorne wurde eine Trommelbremse, die eigentlich an der Ente hinten Verwendung findet, zweckentfremdet. Wenn auch ihre Bremsleistung mit heutigen Doppelscheiben im LP – Format nicht mithalten kann – es bremst nun um Welten besser als mit der originalen „Bremsattrappe“. Tja, und wenn sich die Bremse vorne verbessern ließ, dann ging das hinten bestimmt auch. Und so bremst Hugo nun mit folgendem „Cocktail“: Bremsbeläge und Träger BMW R 100, Bremstrommel Trabant 601 – zusammengebracht mit Eigenbau-Adapter in den sicherheitshalber auch noch zwei Radlager zusätzlich implantiert wurden. Funktioniert genial. Erwähnenswert ist vielleicht noch das Suzuki GS 500 Zentralfederbein, das sich nun um den Komfort des Beiwagenbootes und des Passagiers kümmert. Kabelbaum Eigenanfertigung.

Dnepr Citroen 2CV GespannRichtig zeitaufwändig gestaltete sich noch der Tank. Das sehr knuffig geformte Benzinfass wollte ich unbedingt weiterverwenden. Da ich aber auch auf gar keinen Fall auf den einzelnen Citroen Zentralvergaser (nie wieder synchronisieren der Vergaser) mit der dazu gehörenden originalen Ansaugspinne verzichten wollte – eben auch mit der angeflanschten Citroen Lichtmaschine – stand diesem Vorhaben eine unpassend geformte Tankunterseite im Wege. Schweren Herzens wurde die Flex bemüht und massiv die Tankunterseite solange beschnitten, bis sie sich überreden ließ, dem Vergaser und der Lichtmaschine ein neues Zuhause zu gewähren. Mühsam fertigte ich nun aus Stahlblech ein Gerippe, das es dem Vergaser erlaubte, durch den Tank nach oben anzusaugen und die Lichtmaschine nicht bei Ihrer Arbeit zu stören. Das dieses „Gestückel“ benzindicht sein musste, verstand sich von selbst. Man glaubt ja gar nicht, durch was für winzige Löcher sich der Kraftstoff seinen Weg bahnt. Die Tankmodifikationen haben wirklich vier volle Tage gedauert. Nu isser dicht. Das Luftfiltergehäuse fertigte ich selbst, ebenso die Gummiverbindung zum Vergaser. Die ehemalige Klappe auf dem Tank, die das frühere Werkzeugfach abdeckte wurde höher gesetzt damit sie nun im „geschlossenen“ Zustand einen Spalt von ca. 2 cm rundum frei ließ. Hierdurch konnte mein Entenherz nun genüsslich Luft holen.

Die Thermik verbesserte ich durch die Montage eines doch recht großen Ölkühlers, der originale Enten Ölfilter wurde höhergelegt.

Die Verbindung Motor / Getriebe stellt eine aus massivem Aluminium gefräste Platte her, die auch die selbstgefertigte Schwungscheibe aufnimmt. Das Anfertigen der Krümmer war ein „Spaß“ von gut einer Woche, die zwangsläufige Form derselbigen ist schon etwas ungewöhnlich – funktioniert aber hervorragend. Als Schalldämpfer verbaute ich zwei zigarrenförmige Originalschalldämpfer, die ich durch eine Buchse noch etwas „beruhigte“. Der Sound ist nun sehr angenehm und stört niemanden.

Dnepr Citroen 2CV GespannDa es nun schon merklich gegen Mitte des Sommers ging und ich endlich fahren wollte, verzichtete ich auf die ursprünglich geplante Tortour – Sandstrahlen, Beschichten etc. und ließ einfach den Pinsel in die gemischte militärähnlich grüne Farbe tauchen.

Mittlerweile haben Hugo und ich (ab – und an auch mit meiner Frau und meinem Sohn) gut 4500 pannenfreie Kilometer hinter uns. Ich bin selbst immer wieder erstaunt welch ein Spaß das Fahren mit solch einem alten Gespann macht. Sicher – Originalitätsfetischisten rümpfen die Nase, das ist aber OK. Es reicht mir, erst auf den zweiten oder dritten Blick zu merken, dass hier durchaus nicht alles alt ist was alt scheint.

Hugo fährt wirklich super, ich habe eine Reisegeschwindigkeit für mich als passend auserkoren von gut 70 Km/h. Da schmerzen die herandüsenden Fliegen im Gesicht nicht so sehr und man sieht noch etwas von der Landschaft.

Die TÜV Abnahme hat besser geklappt als befürchtet; anscheinend hat man mit solch einem alten Fahrzeug bei manchem Prüfer einen „ochhöör“ Bonus. Es wurde genau geprüft, Probe gefahren und sogar mit einem speziellen Messgerät die Bremsverzögerung gemessen.

Was soll ich sagen, gleich beim ersten Anlauf bekam ich den heißersehnten „Stempel“ und die Aussage vom Prüfer „Endlich mal was Anderes…“. Die Sonne schien heiß, Hugo pöttelte zufrieden im Leerlauf so niedrig vor sich hin, dass man meinte, die Kurbelwellenumdrehungen mitzählen zu können; ich hatte Frei – der Tank war voll – das war einer der Tage die ich wohl so schnell nicht vergessen werde.

Ich hatte in den 30 Jahren, die ich nun aktiv Motorrad fahre, so ziemlich alles besessen; angefangen von der Honda CB 125 J mit 14 PS bis zur Kawasaki ZX 12 R mit bestialisch starkem Motor – kein Motorrad hat mich aber so nachhaltig beeindruckt wie mein Hugo. Ich freue mich riesig auf die Saison 2010 – und plane schon mutig immer weitere Touren. Mal sehen was sich so mit 70 km/h abspulen lässt. Das Popometer jedenfalls fühlt sich merklich wohl auf dem Schwingsattel von 1957. Ist eben nicht alles besser heutzutage…

Anmerk. der Redaktion:
Thorsten hat auch eine tolle Z-Kawa-Suki auf die Räder gestellt. Den Artikel findet Ihr <
hier>.