aus Kradblatt 2/22, von Sascha Lehmenhecker, Fotos: Diana Brinkmann

Restaurierung eines deutschen Klassikers

Gute 30.000 Kilometer habe ich nun mit meinem selbstgebauten Dieselmotorrad auf Deutschlands Straßen verbracht und es wurde Zeit, für ein neues Projekt. 

Was hat eine DKW mit einem Frankfurter Würstchen gemein? Nein, nicht die Herkunft ;-)
Was hat eine DKW mit einem Frankfurter Würstchen gemein? Nein, nicht die Herkunft 😉

Ein Oldtimer sollte es sein, möglichst alt, möglichst gut in Schuss und möglichst nicht zu teuer. Also alles Leergut zusammengesammelt, ein paar Wochen nur Toastbrot gegessen, um dann festzustellen, dass das Geld für ein Vorkriegsmodell nicht reicht. 

Na gut, nach einer kurzen Recherche im Internet für was das Leergutgeld denn reichen würde, fand ich eine DKW RT200/2 Bj. 1955 und die stand abholbereit sogar ganz in der Nähe. „Motor dreht und Getriebe schaltet“ stand in der Anzeige, mehr kann man für die angesetzten 1100 € nicht verlangen, zumal sie auf den Bildern ziemlich vollständig aussah. 

Bestandsaufnahme: Das braucht Arbeit
Bestandsaufnahme: Das braucht Arbeit

In der Hoffnung, das Moped durch Reinigen des Gemischaufbereiters und das Wiederherstellen des Zündfunkens schnell wieder zum Laufen zu bekommen, schnallte ich meinen Trailer hinter das Auto und machte mich auf den Weg. 

Nach guten 50 Kilometern stand das Häufchen Elend in einem Garagenhof dann vor mir. Von weitem sah sie gar nicht so schlecht aus, das war es dann aber auch. An dem Moped konnte man gut erkennen, was passiert, wenn Eisen mit Feuchtigkeit und Sauerstoff in Verbindung gebracht wird. Kein Blechteil war vom Rost verschont geblieben, die über den Kickstarter gefühlte Kompression zauberte mir auch kein Lächeln ins Gesicht und der Rest sah irgendwie aus, wie kurz vorher zusammengesteckt. Wie ein Gebrauchtwagenhändler aus Peterslahr sagen würde: „Katastrophe“! Da ich aber nicht mit leeren Händen nach Hause fahren wollte, schob ich sie auf den Trailer und zahlte dem nicht verhandlungsbereiten Verkäufer zähneknirschend den vollen Preis. 

Auch der Motor brauchte Zuwendung
Auch der Motor brauchte Zuwendung

Zu Hause angekommen, schob ich sie dann auf die Bühne und fing an, alles zu zerlegen. Der Plan war eigentlich, die Blechteile mit ein wenig Konservierungsöl einzucremen, den Vergaser ins Ultraschallbad zu legen und der Rest würde sich schon irgendwie ergeben. Ich mag Mopeds, an denen die Zeit nicht spurlos vorbeigegangen ist. Ein bisschen Patina, ein wenig verblasster Schriftzug und vielleicht noch eine kleine Delle irgendwo am Tank. Mit all dem hätte ich gut leben können, aber hier war die Substanz einfach zu schlecht. 

Also den Pulverbeschichter meines Vertrauens angerufen und gefragt, was man da machen könne. Was soll ich sagen, es endete, wie meistens, mit dem Wegbringen von Leergut! Selbst der Pulverbeschichter war schwer zu motivieren und brauchte einige Wochen für seine Arbeiten. Da Spachteln bei Pulverbeschichtungen nicht wirklich eine Option ist, nahm ich mich der Teile mit den kleinen Dellen an. 

Kompression wird überbewertet
Kompression wird überbewertet

Ich hatte mir eigentlich schon immer eine kleine Lackierkabine bauen wollen, hätte ich das bloß gemacht! Also nach dem Schleifen, Spachteln, Schleifen, Spachteln usw. habe ich die Teile dann bei 5 C° doch im Garten lackiert und festgestellt, dass das keine gute Idee ist. Also alles noch einmal, nur dieses Mal mit Unterstützung eines Wärmestrahlers und siehe da, gar nicht so schlecht (ich hoffe, es lesen keine Lackierer diesen Artikel …) Da ich nicht das Händchen für Freihand-Linierungen habe, lackierte ich den Tank erst weiß, klebte dann die Linien ab und lackierte alles noch einmal schwarz. Freihand wäre mir lieber gewesen, aber das Leergut war alle. 

Die Radnaben habe ich glasperlengestrahlt und mit neuem Felgenbett und Speichen versorgt. 

Der Motor war genauso eine Katastrophe wie der Rest! Meine Vermutung: eines der beiden Kurbelwellenlager hatte sich in den Kurbellwellenstumpf eingearbeitet und das dadurch entstandene Spiel sorgte für einen Kolbenfresser. Offensichtlich hatte mein Vorgänger den Kolben dann brutal aus dem Zylinder geprügelt, wodurch wahrscheinlich die Ausbrüche zwischen den Ringen entstanden sind. Gefühlt schien hier das Projekt für gescheitert erklärt worden zu sein, der Kolben ohne Ringe wieder zurück in den Zylinder verfrachtet, der Vergaser lieblos ohne den Schieberkolben wieder zurückgesteckt und so weiter … Das zum Thema „Motor dreht, Getriebe schaltet“! 

Es geht voran
Es geht voran

Das Getriebe hatte tatsächlich noch keinen Zahnausfall und brauchte nur ein wenig Zuneigung. Ich weiß nicht, wo der verbaute Kupplungskorb vorher seinen Dienst verrichtet hat, in diesem Moped jedenfalls nicht. Der Ersatzteilmarkt für die Nachkriegs-DKWs ist noch recht gut und ein Gebrauchtteil war schnell gefunden. 

Um den schwachen, kontaktgesteuerten Zündfunken etwas aufzupeppen, ersetzte ich die Zündung durch eine elektronische. 

Noch ein paar Glasperlen auf die Seitendeckel gepustet, diverse alte zusammengenähte Lappen überredet, ein bisschen Glanz auf den Motor zu zaubern und eh die Vögel mit ihrem Frühlingskonzert angefangen hatten, stand die Probefahrt an. 

Da der Aufbau der DKW so originalgetreu wie möglich sein sollte, hatte ich auf den Anbau von Blinker, Bremslicht und Spiegel verzichtet. Bei der ersten Fahrt war nicht daran zu denken, den Lenker loszulassen, um das Abbiegen mit winkender Hand anzuzeigen. Mit der rechten Hand musste ich den Motor bei Laune halten, Standgas war noch nicht optimal eingestellt, und die linke Hand wollte auch nicht wirklich von der Lenkstange weichen. 

Um die ganze Sache zu entspannen, baute ich nach den ersten 10 Kilometern einen Rückspiegel an, damit ich mich nicht mehr Umdrehen musste, um zu sehen, wer hinter mir rumlungerte. 

Fahrleistungen? Ja, hat sie. Man muss sich aber dran gewöhnen …
Fahrleistungen? Ja, hat sie. Man muss sich aber dran gewöhnen …

Gute 100 Kilometer brauchten die DKW und ich, um zueinander zu finden. Habe ich am Anfang noch versucht, das leichte Schwanken zu korrigieren, weiß ich nun, dass man sie einfach laufen lassen muss. Es wäre auch verwunderlich gewesen, wenn sich fast 60 Jahre alte Fahrwerke fahren lassen würden, wie die modernen von heute. Beim Zusammenbau der Vorderradgabel hatte ich schon so etwas geahnt. Die heutigen Gabeln dichten das Tauchrohr und das Standrohr mittels Wellendichtring ab. Damals musste der Faltenbalg diesen Dienst verrichten. Faltenbälge werden heute vielleicht noch zum Schutz der Stand­rohre vor Steinschlag genutzt, aber niemand würde auf die Idee kommen, Faltenbälge zu nutzen um das Öl in der Gabel zu halten.

Vielleicht ist der Vergleich übertrieben, aber gefühlt fährt sich die DKW manchmal wie eine Bockwurst auf zwei Rädern. Was nicht heißen soll, dass die Fahrt mit einem Oldtimer keinen Spaß macht, ganz im Gegenteil. Ich würde die Fahrt mit einem Oldtimer der mit einer neuen Maschine immer vorziehen. Ja, sie sind ein bisschen anspruchsvoller in der Fahrweise, haben dafür aber deutlich mehr Charakter.  

Saschas DKW RT 200/2 kann sich wieder sehen lassen.
Saschas DKW RT 200/2 kann sich wieder sehen lassen.