Schneekoppe und mehr

aus Kradblatt 7/25 von Hermann Franck

Die Hohe Tatra, das kleinste Hochgebirge der Welt, stand schon länger auf meiner Löffelliste. Angetrieben durch die Reportage aus Reihe „Sagenhaft“ von Axel Bulthaupt (ARD Mediathek) rutschte das Ziel schlagartig auf Position eins der Liste. Die Vorstellung, einen der über 1000 Bären zu sehen und kilometerlang durch unberührte Landschaft zu fahren, zog mich an. Die Realität war dann ernüchternd, aber die Reise war trotzdem ein Erlebnis.

Die Honda Africa Twin ist ein tolles Reisemotorrad
Die Honda Africa Twin ist ein tolles Reisemotorrad

Los ging die Tour mit der Honda Africa Twin früh am Sonntag huckepack bis hinter Dresden. Das erste Tagesziel war Liberec. Bis dahin waren es „nur“ 120 km die es aber in sich hatten. Es ging durch schmale, teilweise schlechte, Straßen zum Teil in engen Kurven hoch und runter. Fahrerisch war das eine Herausforderung, es machte mächtig Spaß war aber durch die permanente Konzentration auch anstrengend. Im Hotel in Liberec angekommen, war ich platt. 

Deftiges Frühstück in Liptovský Mikuláš (früher Liptau-Nikolaus)
Deftiges Frühstück in Liptovský Mikuláš (früher Liptau-Nikolaus)

Das gesamte Gebiet im Dreiländer Eck Deutschland/Polen/Tschechien, durch das ich auch auf der Rückfahrt fuhr, ist absolut empfehlenswert. Sehr abwechslungsreich, hügelig, grün und voller sehenswerter und geschichtsträchtiger Orte wie Liberec, früher Reichenberg.

Am Folgetag ging es ca. 300 km weiter Richtung Osten bis nach Bruntál (früher Freudenthal). Auch diese Strecke war sehr spannend und sehenswert. Viele interessante Orte und Straßenverhältnisse, die Stoff für Lagerfeuergeschichten liefern. Es gab mehrere Situationen, in denen ich mich über die langen Federwege der Africa Twin sehr gefreut habe.

Am dritten Tag ging es weiter gen Osten bis nach Liptovský Mikuláš (früher Liptau-Nikolaus). Die Fahrt war wieder sehr abwechslungsreich und lieferte Zufallsfunde, auf die ich bei meinen Touren, trotz vermeintlich guter Planung, immer wieder stoße. Ich war plötzlich in der „Mala Fatra“. Der Name war neu für mich, klingt wie ein Zauberspruch aus Harry Potter. Die hohen Berge, die grünen Täler veranlassten mich aufs Geratewohl abzubiegen und in einem Tal bergauf zu fahren. Am Ende des Tales habe ich den Seitenständer herausgeklappt und mich ins Gras gesetzt um die Gegend in mich aufzusaugen. Es war atemberaubend schön und total ruhig. Erst am Tagesziel angekommen, habe ich gelesen, dass die Mala Fatra eine der bedeutendsten Fremdenverkehrsregionen der Slowakei ist. 

Wunderschöne Ausblicke
Wunderschöne Ausblicke

Der zweite Zufallsfund war das Tagesziel, die Stadt Liptovský Mikuláš. Eine Innenstadt mit vielen Wasserspielen, Sitzgelegenheiten und Restaurants. Einfach sehr ansprechend.

An Tag vier meiner Reise wurde es ernst: Die Hohe Tatra! Es ging, entgegen des Uhrzeigersinns um das Gebirge bis nach Zakopane. Das Highlight des Tages war ein Abstecher in ein Tal nördlich von Liptovský Mikuláš. Am Ende des Tals gab es einen herrlichen Blick auf die Berge der Hohen Tatra. Der Rest der Tagesetappe war dann eher von touristischen Eindrücken geprägt. 

Die Tatsache, dass das ganze Gebirge ein Naturschutzgebiet ist, war mir schon vor Reiseantritt bekannt. Die Realität brachte aber eine ernüchternde Erfahrung. Das Gebirge lässt sich im Grunde nur auf einer einzigen, gut ausgebauten Straße umrunden. Die Orte an dieser Strecke sind touristische Hotspots mit zum Teil riesigen Hotels, Souvenir-Buden, Restaurant etc. Die wenigen ins Gebirge führenden Straßen enden zum Teil auch an solchen Hotspots. Bisweilen waren die Parkplätze – trotz des Werktags – komplett belegt. Eine für Motorradfahrer wie mich enttäuschende Erfahrung, andererseits habe die Tiere hier ihre Ruhe. Und das ist bestimmt auch gut so.

Typischer Straßenverlauf
Typischer Straßenverlauf

Die Strecke des fünften Tages führte nördlich der Tatra nach Nysa (früher Neiße). Die Fahrt war wieder sehr abwechslungsreich und bot eine Mischung aus sehr gut ausgebauten kurvigen, aber auch abenteuerlichen, Straßen.

Sehenswert ist der Ort Chochłów. Es ist das einzige Dorf des Tatra-Vorlandes mit einer original erhalten gebliebenen hölzernen Bebauung (Balkenhäuser), gebaut um das Jahr 1900. Ich habe einen großen Respekt vor den Handwerkern, die vor über 100 Jahren solche langen und absolut passgenauen Balkenlagen für die Holzhäuser hergestellt haben. 

Ein sogenanntes "Umgebindehaus"
Ein sogenanntes „Umgebindehaus“

Da Zakopane auch auf meiner Löffelliste stand, habe ich mir ein Hotel mitten in der Stadt gesucht. Geliefert hat mir das eine Erfahrung, die den Begriff „overtourism“ mit Leben füllte. Die Stadt war überfüllt mit Menschen, es war laut und der Eindruck beim Stadtrundgang war geprägt von der schreienden Optik der Läden mit Plastiksouvenirs, Plastikspielzeug und der lauten Musik aus den Lokalen. Aber wieder eine Erkenntnis gewonnen. Da brauche ich nicht wieder hinzufahren! Tief in meinem Inneren war ich froh über jeden Kilometer, den ich mich von Zakopane entfernte. 

Die Strecke des vorletzten Reisetags ging von Nysa nach Zwickau. Die Strecke führte südlich von Jelenia Góra (früher Hirschberg) vorbei an der Schneekoppe, die ich auch gerne mal „live“ sehen wollte. Leider war dieser Teil der Tour auch wieder sehr ernüchternd. Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal solch eine Dichte von touristischen Zentren und solch großen Hotelblöcken gesehen zu haben. 

In der Mala Fatra
In der Mala Fatra

Entschädigt wurde ich vom letzten Drittel der Tour. Viel Grün, abwechslungsreiche interessante Orte und immer mehr von den eigentümlichen aber dort sehr verbreiteten „Umgebindehäusern“. Die Häuser bestehen im Erdgeschoss aus Fachwerk, das Mauerwerk wird aber innerhalb des Fachwerks hochgemauert. 

Unterwegs gab es dann wieder einen spannenden Zufallsfund. In der Ferne sichtbare Türme machten mich neugierig und über kleinste Straßen näherte ich mich dem Gebäude, dass ich im Nachgang mit der Hilfe von Wikipedia als „Schloss Kamenz“ indentifizierte. Eine spannende Geschichte und ein beeindruckendes Bauwerk!

Zwickau war dann wieder eine positive Überraschung. Mit der Stadt verband ich nichts, jetzt weiß ich, dass es eine gemütliche Stadt ist, wo ich wieder hinfahren möchte. Zumal die Gegend (siehe mein Tipp von Tag 1) ein Motorrad-Eldorado darstellt.

Der letzte Tag bescherte mir dann eine schöne Tour, vorbei an vielen Umgebindehäusern an die Elbe und weiter Richtung Dresden zum Parkplatz, wo Auto & Anhänger auf die Rückfahrt warteten.

Zum Schluss noch ein Wort zur Schreibweise der Orte. Mich irritiert und berührt es immer, wenn die Orte, der ehemalige deutschen Gebiete, noch mit ihren alten Namen bezeichnet werden. Aber kurioserweise findet man die Orte im Routenplaner, bei Google oder in Hotelsuchmaschinen manchmal nur mit der alten deutschen Bezeichnung. Darum habe ich diese immer dazugeschrieben.