aus bma 11/00

von Ulf Teschke

Auf dem Weg nach Norden
Ich schaue in den Rückspiegel und bin nicht sicher, ob ich Wolken und Berge oder schneebedeckte Berge oder beides sehe. Auch mein Blick zurück kann diese Frage nicht ganz eindeutig beantworten. Der Cassier-Highway bringt mich nach Norden. Das nächste größere Etappenziel ist der Alaska-Highway bei Watson Lake, welcher sich am Schnittpunkt beider Straßen von Ost nach West zieht.
AlaskaStartpunkt meiner Tour war Seattle. Die Fähre von Port Angeles brachte mich nach Vancouver Island. Ganz im Norden der Insel ging es von Port Hardy mit der Fähre die Inland-Passage nach Prince Rupert. Sicher eine der schönsten Fährrouten der Welt, doch leider regnete es, und an Bord konnte man nur mit Mühe die Hand vor Augen erkennen. Durch die grünen Wälder ging es weiter Richtung Norden nach Stewart. Hier, wo die Fjorde tief bis in das Landesinnere vordringen und somit die für die Holzverladung notwendige Hochseeschifffahrt ermöglichen, betrete ich in Hyder erstmals Alaska. Dieser Südzipfel Alaskas ist nur über Kanada oder per Schiff zu erreichen. In den wenigen Orten dieser Region herrscht eine etwas eigenartige Atmosphäre.
Ich nutze einen Tag, um hoch in die Berge zu fahren. Der Weg ist steinig und steil. Nach einer 50 Kilometer langen Fahrt durch eine wun- derschöne Hochgebirgswelt erreiche ich den grandiosen Salmon-Gletscher. Hier sollen schon diverse Arktisfilme gedreht worden sein. Da das Wetter gut ist, fahre ich noch etwas weiter und treffe auf ein großes verlassenes Bergarbeitercamp. Alles sieht ziemlich verwüstet und doch wie erst kürzlich verlassen aus. Kurz hinter einer aufgegebenen riesigen Goldmine muss ich umkehren, das Hochwasser hat die Brücke weggespült. Zwei weitere Versuche, einen Weg den Berg hinauf zu finden, scheitern ebenfalls an weggerissenen Überfahrten. Ich deute dies als Zeichen, dass es Zeit ist umzukehren. Ein kleines verlassenes Blockhaus weckt jedoch meine Abenteuerlust. Und nach seiner Erkundung wird es tatsächlich höchste Zeit, die 70 km Gebirgspiste zurückzufahren.

 

AlaskaDie nächste größere Siedlung am Cassier-Highway ist Dease Lake. Von dort führt eine über 100 km lange Piste zur alten Goldgräbersiedlung Telegraph Creek. Trotz unterschied- licher Berichte die Übernachtungsmöglichkeiten in der Gegend betreffend, will ich es wissen. Durch Regen kämpfe ich mich über durchgeweichte Straßen nach Westen. Das Wetter bessert sich und phantastische Ausblicke lassen mich innehalten. In tausenden von Jahren haben die ge- waltigen Flüsse tiefe Canyons in die Berge gewaschen. Die Straße schlängelt sich mit bis zu zwanzigprozentiger Steigung an den Hängen entlang.
Telegraph Creek empfängt mich mit dem Hauch des letzten Jahrhunderts. Verlassene und zum Teil verfallene Holzhütten prägen das Örtchen. Als ich mich nach Übernachtungsmöglichkeiten erkundige, verweist man mich an die einfachen Forestzeltplätze Richtung Wildnis – in einem Gebiet, das jetzt Indianerreservat ist. Mein Weg endet auf einer großen Lichtung. Der zugewucherte Zeltplatz zeugt von einer ehemaligen Nutzung als Provincial Park.
Nach Befragung von zwei unfreundlichen Indianern suche ich mir den am wenigsten zugewucherten Platz und baue mein Lager auf. Unklar bleibt, ob das Zelten nun erlaubt, geduldet oder unerwünscht ist. Wasser gibt es nicht, und bei meiner Suche stoße ich auf eine Indi- anerbehausung, die aus Brettern und blauen Abdeckplanen besteht. Wasser erhalte ich, aber auch den Hinweis auf Bären in dieser Gegend. Ich ergreife Vorsichtsmaßnahmen und esse weit abseits vom Zelt am Fluss. Die restlichen Lebensmittel verstaue ich im Koffer und hänge diesen nach einigen Versuchen fünf Meter hoch in einen Baum.
Plötzlich schrecken mich Schüsse auf. Eine lachende Horde mit Gewehren bewaffnete, halbwüchsige Indianer zieht vorbei. Mir ist etwas merkwürdig zumute. Wieder am Zelt bemerke ich, dass beide Feuerzeuge im Koffer verstaut sind. Das Lagerfeuer fällt heute abend also aus – schade um das schon gehackte Holz.
Die Nacht ist nicht sehr erholsam. Schüsse schrecken mich immer wieder auf, und irgendeinem Nagetier scheint mein Zeltstandort auch nicht zu gefallen. In unmittelbarer Kopfnähe knabbert es ständig am Überzelt herum, lässt sich aber nicht erspähen. Etwas unruhig schlafe ich ein.
Am nächsten Morgen beschließe ich, noch etwas tiefer in die Wildnis vorzudringen – ein 40 km langer Fahrweg soll zu einer alten Goldmine führen. Brüchige Holzbrücken zeugen von kaum vorhandener Wartung des Weges. Hier und da sind bereits Furten für geländegängige Fahrzeuge neben den verrotteten Stegen. Ich balanciere über die abbruchreifen Überfahrten und kämpfe mich aufge- weichte Steigungen hoch. An einem Hang kreuzt unerwartet eine Quelle den Weg, und wegen der starken Steigung lässt sich ein Umfallen nicht verhindern. Mit Geduld und viel Kraftaufwand bekomme ich die Maschine wieder hoch.Alaska
Nun wird mir die nicht ganz harmlose Situation bewusst, in der ich mich befinde. Einsame, alte Blockhäuser von Goldsuchern vergangener Tage säumen den Wegesrand. Als der Weg immer schlechter passierbar wird, und ich dann auch noch Bärenspuren entdecke, kehre ich nach 35 km um.
Über Telegraph Creek fahre ich weiter Richtung Dease Lake. Der Weg führt nach Norden, vorbei am wunderschönen Teslin Lake. Mein Tagesziel ist Whitehorse – die Metropole des Nordens, mit 25.000 Einwohnern die weitaus größte Stadt und seit einigen Jahren auch Hauptstadt des Yukon-Territory. Hier empfängt mich der frisch restaurierte Raddampfer SS Klondike. Einer Besichtigung kann man sich kaum entziehen. Der Hauch des Goldrausches von vor 100 Jahren ist noch deutlich zu spüren, und er soll mich in den nächsten Wochen nicht mehr loslassen. Mein Zeitplan hält mich leider davon ab, ein paar Tage mit dem Kanu Richtung Dawson zu paddeln – vielleicht auf der Rückfahrt, denke ich, wie so oft.
Zunächst mache ich aber noch einen Abstecher nach Skagway. Eine der schönsten Straßen der Welt – wie ich im Reiseführer lese – bringt mich über den Pass mit der kanadischen Grenzstation zur Küste des Pazifiks. Ich stelle fest, dass der Reiseführer nicht übertrieben hat. Einprägsam schillern die schneebedeckten Bergkuppen im Abendrot.
Die nächsten Tage bin ich auf dem Alaska-Highway bis zu seinem Ende kurz vor Fairbanks unterwegs. Er wird durch die extremen klimatischen Bedingungen zunehmend schlechter. Der Bau einer Straße auf Dauerfrostboden ist wohl nach wie vor ein großes Problem. Die Besiedlung wird immer dünner. Hinter Beaver Creek passiere ich zum dritten Mal auf dieser Tour die Grenze zum nördlichsten Bundesstaat der USA.

Auf dem Dalton Highway
Der Weg von Fairbanks nach Deadhorse an der Prudoe Bay am Arktischen Ozean ist weit, genau 414 Meilen. Der Highway wurde erst 1996 für die Öffentlichkeit freigegeben. Gebaut wurde er zur Wartung der Alaskapipeline in diesem Bereich. Es handelt sich um eine gute Schotterstraße. Allerdings sind viele Trucks unterwegs, und entsprechend ist die Staubentwicklung bei Gegenverkehr oder Überholmanövern. Mal hoppelt, mal gleitet die GS über die Straße – je nach ihrer Beschaffenheit.
Die Landschaft zieht an mir vorüber wie in einem Film. Beruhigend gleichmäßig brummt der Motor. In Gedanken versunken versuche ich, Überlegungen über die Pannenwahrscheinlichkeit hier mitten in der Einsamkeit anzustellen – alles erscheint mir ein wenig unwirklich. Sand auf der Piste lässt mich plötzlich aufschrecken und erinnert mich daran, mich wieder auf die Straße zu konzentrieren, nicht jede Kurve lässt sich einsehen.
Einige Stunden später passiere ich nach diversen grandiosen Ausblicken auf dieser Reise zum ersten Mal den Polarkreis. Und sofort nach der nächsten Kurve steht plötzlich Meister Petz vor mir auf der Straße und schaut mich verdutzt an. Dank schneller Reaktion komme ich auch rechtzeitig zum Stehen und der Bär läuft einige Meter vor mir her. Doch bevor ich meinen Fotoapparat startklar habe, ist er im Gebüsch verschwunden.
Ich fahre an diesem Abend noch bis Coldfoot, einer Tankstelle auf halber Strecke des Dalton Highway. Mich überrascht der Anblick einiger Fahrzeuge: viele Frontscheiben haben Sprünge, ein Jeep hat zerstörte Seitenscheiben, da die rüttelnde Dachlast das Dach eingedrückt hat und ein anderes Auto mit Getriebeschaden fährt mit ohrenbetäubendem Lärm an der Zapfsäule vor. Der nördlich gelegende Alaska-State-Zeltplatz am Marion Creek ist zu meiner Überraschung recht voll. Abends wandere ich noch etwas am Creek entlang und wasche mich im eiskalten Wasser. Als ich Bärenspuren entdecke, werde ich unruhig und kehre um. Auf dem Zeltplatz treffe ich John aus Kalifornien. Er hat den Weg mit einer 250er Kawasaki gewagt und berichtet mir erschöpft von zumindest nicht schlechter werdenden Wegverhältnissen.Alaska
Am nächsten Tag scheint die Sonne, doch es ist eiskalt. Die Piste zieht sich endlos dem Horizont entgegen, den ich doch nie erreiche. Nach dem fast 1600 m hohen Atigun-Pass bei Mile 244 erreiche ich die Tundra mit ihren zahlreichen Rentieren. Oft stehen diese auf der Straße, doch da die Landschaft flach und gut einsehbar ist, bleibt ausreichend Zeit zu bremsen und sogar den Fotoapparat zu zücken. Der Straßenbelag wechselt von gut gewalzter Schotterstraße bis zu Grobkies, auf dem ich kaum schneller als mit 40 km/h vorankomme. Am unangenehmsten sind die Baustellenabschnitte, auf denen die Straße gewässert wird und der Boden schlammig und glitschig ist. Die letzten 50 km sind schnurgerade und super gewalzt. Da macht das Fahren wieder Spaß.
Endlich meine ich am Horizont die ersten Anzeichen einer menschlichen Siedlung erkennen zu können. Und tatsächlich: „da schimmern in Abendrots Strahlen von Ferne die Zinnen von Syrakus” – nein natürlich von Deadhorse, und es sind auch nicht, wie bei Schiller, die Zinnen sondern riesige Öltanks, Antennen, Lagerhallen und der Airporttower. Ich bin erleichtert und ein wenig stolz; der Dalton Highway ist bezwungen – sogar ohne Panne.

In Deadhorse an der Prudhoe Bay
Der ganze Ort besteht im Prinzip aus aufgeständerten Containern. Eine Containeransammlung ist mit dem Schild „Hotel” versehen und trägt den naheliegenden Namen „Arctic Oilfield”. Der Komfort entspricht gerade mal dem einer Jugendherberge, dafür ist der Preis aber fast der zehnfache. Da schaue ich mich lieber noch etwas um und tuckere langsam durch die weit auseinanderliegenden Container. Zum Glück bleibt Zeit, denn es wird heute abend nicht dunkel werden.
Vorsorglich steuere ich erstmal die nächste Tankstelle an. Vor mir befüllt gerade ein Arbeiter seinen Jeep. Hier scheint jeder ein Fahrzeug gestellt zu bekommen, Fußgänger und Fußwege gibt es nicht. Wir kommen ins Gespräch, obwohl ich ihn nur sehr schlecht verstehe, und er berichtet von dem kalten und langen Winter hier oben. Alle haben nur ein Ziel: Möglichst schnell viel, viel Geld verdienen. Daher wird an sieben Tagen die Woche 12 Stunden gearbeitet, und nach ein paar Wochen geht es dann für ein paar Tage nach Hause in die Staaten. Da der Schlauch gerade so gut läuft, füllt er meinen Tank gleich mit auf. Ich bedanke mich und denke, auch wenn die Männer hier etwas verroht sind, nett sind sie geblieben.
Bei meiner Übernachtungssuche treffe ich an einer Hotelrezeption Bill. Er ist Boss der lokalen Telefongesellschaft und spendiert mir – wohl froh ein neues Gesicht zu sehen – ein Abendessen am Hotelbuffet. Anschließend lädt er mich auf ein Bierchen in seinen Container ein. Nach einem interessanten Gespräch über das Leben im hohen Norden, über Amerika, Deutschland und die Welt überlässt er mir dann sogar noch sein Hotelzimmer, da er es heute Nacht nicht selber braucht.
War der Dalton Highway bis vor kurzem für Touristen gesperrt, ist es der Zugang zum Polarmeer heute noch immer. Eine Besichtigung der Küste und der Ölförderanlagen ist nur über eine Führung möglich – Kosten: 50 US-Dollar. Einmal im Leben hier oben, lässt sich an den Preisen wenig rütteln, und so zahle ich zähneknirschend für ein kurzes Vergnügen. Der Fahrer des Van scheint allerdings von der Ölförderung nicht viel mehr zu verstehen als ich. Der Arktische Ozean bleibt als Schotterküste mit braunem Meerwasser bei eiskaltem Nordwind in meiner Erinnerung hängen. In Gedanken ziehe ich unweigerlich Parallelen zur Lübecker Bucht im Winter… der Blick aufs Meer ist fast der gleiche. Nur hier prägen endlose Industrieanlagen und Schotter- pisten im Hinterland die Landschaft. Der Startpunkt der Alaskapipeline ist noch einen kurzen Stopp wert. Ihr Bau (1974-77) ist eines der größten privat finanzierten Projekte aller Zeiten und gilt noch heute als technische Meisterleistung.
Nachmittags bringe ich Bill zum Flughafen, er muss nach Anchorage. Als Dank überlässt er mir für den Abend seinen Wagen. Zunächst bin ich überrascht von diesem Vertrauensbeweis, doch dann wird mir klar, dass der Jeep selbst theoretisch gar nicht zu stehlen ist. Wo sollte ich damit hin? 700 km nach Süden und dann wieder zurück, um das Motorrad zu holen? Abends fahre ich mit dem Wagen ein wenig durch die Tundra. Doch trotz der ungewöhnlich hohen Grizzly-Population kann ich keines der Tiere erspähen.

Unterwegs in Alaska
In aller Frühe mache ich mich am nächsten Morgen bei nur 6°C auf den Rückweg. Ganz allmählich wird es wärmer. Den Atigun-Pass überquere ich diesmal im dichten Nebel.
An der Tankstelle in Coldfoot verheißt ein kleiner Papierzettel nichts Gutes: „Out of Gas”. Was nun? Warten auf den nächsten Tankwagen? Fragen kostet nichts, denke ich mir, und so stellt sich heraus, dass im Keller noch ein Reservefass lagert, aus dem ich dann bedient werde. Schwein gehabt! Wie ich später erfahre, mussten alle später Kommenden einen Tag warten, um weiter zu kommen.

Im Denali-Park
Das nächste Highlight der Reise stellt der Denali National Park dar. Da man dort nicht mit Privatfahrzeugen fahren darf, sollte man sich für die bis zu 170 km langen Bustouren vorher telefonisch anmelden.
Es nieselt, und der majestätische Mount McKinley ist leider in dichte Wolken gehüllt. Doch das Wildlife, das wir zu sehen bekommen, ist auch nicht ohne. Auf der Fahrt zum Wonder Lake treffen wir auf zahlreiche Bergschafe und Rentiere. In der Ferne kann man einen Adlerhorst erkennen, in dem die Elternvögel gerade damit beschäftigt sind, ihre Brut zu füttern. Und auch vier Grizzlies lassen sich blicken. Erstaunen rufen bei mir immer wieder die vielen Wanderer im Park hervor. Es gibt weder Wege noch Brücken und die Grizz- ly-Population ist hier eine der höchsten der Welt, dennoch wird gewandert und gezeltet als würde man sich im Harz bewegen.
Meine Route führt mich weiter nach Anchorage – mit 350.000 Einwohnern die größte Stadt Alaskas. Zunächst durchquere ich sie nur, um Homer zu erreichen. Auf einem State-Zeltplatz verbringe ich die Nacht, bevor ich am nächsten Morgen meinen Weg ohne Gepäck fortsetze. Es regnet Bindfäden. Leider zieht dann vom Pazifik auch noch Nebel heran, so dass sich die wunderschöne Landschaft nur erahnen lässt. Die Landzunge in Homer und die Umgebung der gletscherbedeckten Berge ziehen mich trotzdem in ihren Bann. Staunend verharre ich am Küstenstreifen. Schade, dass so schlechtes Wetter ist. Schade, dass so wenig Zeit bleibt, Schade, dass … – aber so ist es nun einmal.
Für 3,70 $ nehme ich eine warme Dusche in einem Laundromat Shop und fahre wieder Richtung Norden. Mein Weg führt an Steward vorbei – auch hier dasselbe Bild: Alaska versinkt im Regen – und damit mein Zelt und meine Ausrüstung; Stiefel und Kombi sind nach einem Tag Dauerregen fast vollständig durchgeweicht. Neben dem Zelt steht das Wasser und kommt bedrohlich näher. Als es tags darauf immer noch schüttet, ziehe ich lieber in eine kleine beheizte Blockhütte um.
Am nächsten Tag schlägt mich Eagle in seinen Bann. Dieser kleine Ort am Yukon hatte wie fast alle Städte dieser Gegend seine Blütezeit zu Zeiten des Goldrauschs. Entstanden ist er aus einem Handelsposten der Hudson Bay Company 1881. Das größte Ereignis des Ortes war 1905 die Ankunft des Norwegers Roald Amundsen, welcher mit Hundeschlitten aus dem arktischen Winter auftauchte und ohne Englischkenntnisse von der Entdeckung der Nordwestpassage berichtete.
Am Rande der Siedlung leben heute auch zahlreiche Indianer – zum Teil unter ärmlichsten Verhältnissen. Ihr Anblick und ihre Blicke bringen die Hoffnungslosigkeit ihrer Situation zum Ausdruck. Schnell versuche ich, diese deprimierenden Gedanken zu verdrängen.
Nach einer Pause am Yukon treffe ich Miriam aus Stuttgart. Sie hat hierher geheiratet. Der Smalltalk mit ihr macht mir wieder einmal klar, wie unterschiedlich unsere Lebenseinstellungen doch sind. Völlig in Gedanken versunken verlasse ich dieses faszinierende Örtchen. Doch schon bald fordert die stellenweise sehr schmale Straße, die sich durch die Berge windet, meine ganze Aufmerksamkeit, so dass wenig Zeit zum Grübeln bleibt.
Der Top of the World Highway empfängt mich mit eisigem Wind im Abendrot. Er führt im Gegensatz zu vielen anderen Straßen immer auf dem Bergrücken entlang. Auch wenn ich Dawson-City noch in der Dämmerung erreichen will, bleibt genügend Zeit, die herrliche Aussicht zu genießen. Immer wieder halte ich an, um den Blick schweifen zu lassen. Kein Fahrzeug begegnet mir auf der 70 km langen Strecke. Immer wieder denke ich an die Zöllnerin, welche diese Strecke jeden Tag hin und zurückfahren muss – was für ein Arbeitsweg! Im Winter ist der Highway geschlossen. Aus gutem Grund – als im letzten Winter ein Fahrer versuchte, die Straße dennoch zu befahren, erfror er in seinem Auto.
Kurz vor Dawson schlängelt sich die Straße zum Yukon hinunter. Und plötzlich taucht die Goldgräberstadt am Zusammenfluss von Yukon und Klondike zwischen den Bäumen auf. Ein faszinierender Anblick aus etwa 100 m Höhe. Ich halte ein letztes Mal und freue mich auf diese berühmte Stadt, von der der Hauch des Abenteuers bereits zu mir herüberweht.

Weiter mit Alaska, Teil 2