aus Kradblatt 8/21 von Marcus Lacroix

Mehr Sicherheit mit einer Airbag Weste …

Airbag-Westen finden erstaunlich schnell immer mehr Akzeptanz unter Motorradfahrenden. Dumme Sprüche kommen kaum noch, was sicher auch am Einsatz im Rennsport liegt. Wenn Fahrer nach kernigen Abflügen nur leicht aufgebläht von der Piste marschieren, muss das ja was taugen.

Bei den aktuellen Airbagsystemen unterscheidet man in erster Linie zwischen solchen, die über oder unter der Schutzkleidung getragen werden (oder auch in diese integriert ist) und solche, die über eine Reißleine oder elektronisch aktiviert werden. Alle Varianten haben ihre strategischen Vor- und Nachteile. Mit einem Onbord-System kann meines Wissens nur die Honda GoldWing aufwarten. 

Ich persönlich fahre seit zwei Jahren eine Weste, die universell über der Kleidung getragen und über eine Reißleine beim Abflug auslöst wird. An das An- und Abstöpseln der „Nabelschnur“ gewöhnt man sich so schnell, wie ans Anschnallen im Auto; es wird zur Selbstverständlichkeit. 

Von der Firma Held bekamen wir in dieser Saison die eVest zum Ausprobieren und erste Erfahrungswerte liegen jetzt vor. Zum Glück bisher ohne Sturz, bei dem dann Thorax, Unterleib, Wirbelsäule und Halswirbel geschützt werden. Hat die Weste ausgelöst und ist ansonsten unbeschädigt, kann man sie durch Austausch der Gaspartone wieder in Betrieb nehmen.

Die In&Box von In&Motion - quasi das "Gehirn" der Held eVest
Die In&Box von In&Motion – quasi das „Gehirn“ der Held eVest

Die eVest von Held wird elektronisch ausgelöst, wie das „e“ im Namen schon vermuten lässt (Vest = engl. für Weste) und bläst sich in weniger als 60 Millisekunden auf. Sensoren am Motorrad sind dabei nicht erforderlich, die Weste ist autark. Sie basiert auf der Steuerungseinheit „In&box“ der französischen Firma „In&motion“, die sich u.a. auch in Airbag-Produkten der bekannten Marken Furygan, Klim und Ixon findet. Neben dem Motorradbereich ist In&motion mit Airbagsystemen auch im Reit­sport und auf Skipisten aktiv.

Held hatte bisher nur eine „clip-in“ Variante der Weste im Sortiment, die mit entsprechend vorbereiteter Held-Bekleidung kombiniert wurde. Die von mir gefahrene eVest ist eine neue, universelle Version, die als separate Weste getragen und mittels Reißverschluss geschlossen wird. Der Tragekomfort ist dank Stretchmaterial gut, das Zusatzgewicht von rund 1,7 kg stört nicht. Da der Rückenprotektor integriert ist (er enthält die Technik), spart man sich diesen bei seinen sonstigen Jacken. Mesh-Einsätze an den Seiten erhöhen die Atmungsaktivität, die systembedingt natürlich etwas eingeschränkt ist. Ich habe die Weste bei Temperaturen bis über 30 Grad Celsius gefahren und empfand sie – bei entsprechender Mesh-Oberbekleidung – nicht als störend. Warm ist es im Sommer auf dem Motorrad ja sowieso. Brust- und Rippenprotektoren sind bei Bedarf nachrüstbar.

Ungewohnt ist die neue Freiheit durch eine elektronische Weste. Ihr kennt evtl. das Gefühl, wenn man sich beim Autofahren mal bewusst nicht anschnallt – man sitzt da irgendwie nackt und ungeschützt am Lenkrad. 

Basisinfos lassen sich über eine Smartwatch abrufen und Modi einstellen
Basisinfos lassen sich über eine Smartwatch abrufen und Modi einstellen

Die neuen Abläufe mit der eVest prägen sich schnell ein. Die In&box wird über Tastendruck aktiviert,
der Systemzustand und die Akkuladung über LED signalisiert. Die Daten können auch über ein Smartphone (iOS & Android, die App ist inklusive) abgefragt werden, das außerdem für die Aktivierung und zum Einspielen von Updates benötigt wird. Gut gefällt mir die Option, Daten und Einstellmöglichkeiten der Fahrmodi auf eine Smartwatch zu spiegeln – ich nutze dafür eine Apple Watch, andere Uhren konnte ich nicht testen. 

Die In&box muss zum Laden entnommen werden, da die Ladebuchse sonst nicht zugänglich ist. Geladen wird über ein USB-Kabel, wie man es mittlerweile auch an sehr vielen anderen Geräten verwendet.

In&motion gibt 25 Stunden Fahrtzeit mit einer Ladung an. Je nach täglichem Arbeitsweg oder Länge der Urlaubsfahrten kommt man also locker mehrere Tage oder sogar Wochen mit eine Ladung aus. In Ruhelage geht die Weste nach 5 Minuten in den Standbymodus, wacht aber bei der geringsten Erschütterung auf. Im Alltag lässt sie sich per Tastendruck ausschalten, bei längerer Nichtbenutzung deaktiviert man sie über einen Hauptschalter. Bei einem 8-Stunden Fahrttag mit ständiger Bewegung hat der Akku bei mir 25 % Leistung verbraucht. 

Beim Kauf einer Airbag-Weste zum drunterziehen ist es wichtig darauf zu achten, dass die Oberbekleidung genug Platz bietet. Man stelle sich ein hautenges Rennleder ohne Stretchzonen (bzw. dessen Träger) vor, wenn der Airbag auslöst. Am besten lässt man sich hier im Fachhandel beraten, speziell wenn die Materie neu für einen ist. 

Die eVest bzw. die In&box kommt standardmäßig mit dem Modus „Straße“. Optional können die spezialisierten Modi Track (Rennstrecke) und Adventure (Offroad, aber kein MX/Hardenduro) monats- bzw. jahresweise zugebucht werden. 8 € bzw. 25 € werden dafür aufgerufen.

Und damit sind wir bei der Preisgestaltung, die auf den ersten Blick etwas verwirrend ist – auch hier folgt der Hinweis auf den Fachhandel und eine ordentliche Beratung. 

Der Kunde kauft zunächst einmal die Held eVest zum Preis von 349,95 € (UVP). 6 Größen von S bis 3XL sind verfügbar. Damit kann man aber erst mal wenig anfangen, denn die In&box muss bei In&motion registriert und aktiviert werden. Hier hat man zwei Preismodelle zur Auswahl: Leasen oder Kaufen. 

Beim Leasen zahlt man jährlich 120 € oder 12 € monatlich. Das Mietverhältnis kann jederzeit beendet werden, wenn man z.B. kein Motorrad mehr fährt. Die Steuereinheit gibt man dann zurück. Bei monatlicher Zahlung kann man den Vertrag je Kalenderjahr für die Dauer von zwei, drei oder vier Monaten auszusetzen, interessant z.B. für die Winterpause. Weitere Vorteile des Leasing: fällt die In&box aus, erhält man innerhalb von 72 Stunden Ersatz. Nach drei aufeinanderfolgenden Mietjahren kann man die In&box für 99 € kaufen oder – sofern verfügbar – auf die neueste In&box-Generation updaten.

Bei der Option Kaufen werden einmalig 399 € fällig. Man erhält 2 Jahre Garantie und natürlich wie beim Leasing Softwareupdates und den Zugang zur App.

Wie bei vielen Produkten heutzutage ist es also ein Frage des persönlichen Nutzerprofils. Kaufen oder Leasen ist letztendlich egal, wenn einen die Airbagweste erst mal vor unnötigen Sturzfolgen bewahrt hat. Und glaubt mir, jeder vermiedene Knochenbruch ist das Geld für eine Airbagweste mehr als wert! Schade, dass es die Technik nicht schon früher gab. Die Modi Track und Adventure dürften bei der Preisgestaltung aber ruhig inkl. sein – egal ob man sie nun braucht oder nicht. 

Alle Infos zur Held eVest bekommt ihr im Fachhandel, auf der Website von Held unter www.held.de und im Held YouTube Kanal unter HeldBikerFashion. Die In&motion Buchungsoptionen, Verkaufs- und Vermietbedingungen sowie weitere technische Informationen findet ihr online unter www.inemotion.com/de.


Nachtrag vom 19.8.2021

Heute kam per E-mail eine Information über ein Update der In&Box-Elektronik.
Das Einspielen funktionierte absolut problemlos über die App und dauerte nur wenige Minuten.

Hier die offizielle Info von In&Motion mit den Neuerungen:

In&Box-Update: Version TURINI 6.0.0-1
Ein Neudesign der integrierten Software 
Basierend auf der Analyse der Daten, die während der 40 Millionen gefahrenen Kilometer der In&motion-Mitglieder gesammelt wurden, und dem Feedback der Nutzer, hat das In&motion-Team diese neue Turini-Version entwickelt. Dabei handelt es sich um ein grundlegendes Neudesign der integrierten Software, die die Elektronik reibungsloser funktionieren lässt und Ihnen damit mehr Komfort im Alltag bietet.
30 Stunden Laufzeit während der Fahrt!
Dank des Neudesigns der integrierten Software wird der Energieverbrauch Ihrer In&box nun optimal gesteuert. Die Laufzeit erhöht sich damit auf 30 Stunden, während der Fahrt, bei unveränderter Ladezeit. Ein echter Vorteil, bevor Sie Ihren Sommer-Roadtrip in Angriff nehmen!
Eine Erkennungsrate von 91 % im Straßenfahrt-Modus.
Mit mehr als 1000 aufgezeichneten und analysierten Stürzen seit der Einführung des In&motion-Systems sind wir nun in der Lage, eine verifizierte Erkennungsrate bekannt zu geben, und wir sind bis heute die einzige Marke, die diese Zahl berichtet
Mit diesem TURINI-Update ist die Erkennungsrate im Straßenfahrt-Modus auf 91 % gestiegen. Dies gilt unabhängig von der Art des Sturzes (Front-/Heck- oder Seitenaufprall, Lowside und Highside) oder der Geschwindigkeit, mit der der Sturz erfolgte, darunter auch bei stehendem Fahrzeug. Dieses Update bedeutet einen wichtigen Fortschritt in Bezug auf die Schutzleistung, aber auch in Bezug auf die Transparenz für die Anwender.
Dank unserer Erfahrung und der gesamten In&motion-Community werden wir in der Lage sein, innerhalb von 24 Monaten eine 100-prozentige Deckungsrate für den Straßenfahrt-Modus anzubieten.

Für die Technikliebhaber unter Ihnen  finden Sie das komplette Changelog hier.