aus bma 9/12
von Johannes Tobias Schweizer

Zuendapp KS 750Als ich diese Woche die Unterlagen he­rausgesucht habe, um meine Zü̈ndapp KS 750 nach dem Winter wieder zuzulassen, fielen mir der Kaufvertrag und die Überweisungsbescheinigung der Anzahlung in die Hände: „Es sind ja erst… oder schon acht Jahre, die ich solch ein Teil mein eigen nennen kann/darf/muss…“

„Infiziert“ wurde ich mit dem Virus mit jugendlichen 19 Jahren, als mir ein Freund ein Buch ü̈ber die Wehrmachtsgespanne ausgeliehen hat. Dann die erste Fahrt nach Ulm zur Oldtimer-Börse, auf der ich erstmals eines live gesehen habe… und vom Preis gleich wieder abgeschreckt wurde. Also ab in den Hinterkopf mit der Idee.

Es folgten sparsame und autolose Jahre an entlegenen Dienstorten der Bundeswehr. Mit 21 hatte ich eine BMW R 50 vom Schwager bekommen und war auch Oldtimer-Fahrer geworden. Ein herrliches Ding, so ein alter Boxermotor. Der schöne Schlag! Wenn man durch eine enge Gasse fährt und völlig unnötig etwas Gas gibt, nur um den satten Sound noch besser zu hören, nein: zu spü̈ren! Oder man das Ding durchs halbe Siedlungsgebiet geschoben hat, weil es mal wieder nicht anspringt: Dritter Gang, Kupplung ziehen und schieben, Geschwindigkeit aufnehmen, Kupplung loslassen, spielen mit dem Gasgriff…tuck-tuck nichts… noch mal. Das Fluchen hatte ich vom Vater gelernt, Oberpfälzer.

Zuendapp KS 750Mit 23 Jahren war ich dann in der Lage, mir den Traum von der KS 750 ohne Hilfe der Bank zu erfü̈llen. Meine damalige Freundin kannte mich zwar nicht anders, aber als ich Ernst machte, lies sie schon durchblicken, dass ihr ein Auto lieber wäre. Ich hatte ja immer noch keins. In der Familie wurde ob des Preises schon von vorn herein geschwiegen, denn Verständnis wäre von da nicht zu erwarten gewesen. Und selbst schläft man auch einige Zeit „unruhig“, der Körper ahnt wohl mehr als der Geist, was für ein Abenteuer bevorsteht. Zumal ich nichts verwertbares als Beruf erlernt hatte. Ist eigentlich wie Heiraten: Man(n) weiß was kommt… und macht es trotzdem.

16. Mai 2003, ein Tag vor meinem Geburtstag. Der auch nachher stets hilfsbereite Verkäufer brachte mir das gute Stück und los ging die Einweisungsfahrt. Am Nachmittag folgte die erste Alleinfahrt mit dem unvermeidlichen Ausritt in das Maisfeld: Ja, Gespannfahren ist anders und Kurven sind anfangs Teufelswerk.

Zuendapp KS 750Es folgte die Suche nach einer Identität: Wo gehört man mit so einem Gefährt hin? Immerhin ist es ja eine Militärmaschine und nicht zu vergessen, aus nicht ganz unproblematischer Zeit. Dies bekommt man auch bisweilen zu spüren. Eine Menge der Fahrer hierzulande schleudern dann reflexartig heraus, dass man so eine Maschine ja „nur wegen der Technik“ fährt… ahja!? Komisch nur, dass man dann auch immer eine MG-Lafette und die wildesten Kombinationen von taktischen Zeichen braucht. Und ehrlich gesagt, es kamen Nächte, in denen ich wünschte, die Maschine hätte am besten gar keine Technik – die wäre dann nämlich nicht kaputt gegangen. Für andere, hauptsächlich im Ausland, steht die militär-historische Vergangenheit dagegen im Vordergrund. Die Technik hat bei ihnen zu funktionieren, was man dann auch an entsprechenden Umbauten erkennt, die zwar funktionieren, aber nicht mehr dem technischen Originalzustand entsprechen. Ich bevorzuge eine Kombination aus beiden Lehrmeinungen: Es ist und bleibt eine Militärmaschine, was man auch sehen soll und sie ist mit ihrer Technik auch heute noch im Stande, tolle Fahrerlebnisse zu ermöglichen!

Also, auf dem „normalen“ Oldtimertreffen ist man nicht so gut aufgehoben, denn die Klientel in Vintage-Klamotten mit dem Taschentuch auf der Jagd nach Vogeldreck und Fliegenschiss auf dem SL und einem Glas Wein in der anderen Hand ist doch „anders“. Die immerselben Sprüche der Experten vor Ort : „Aha, ein Boxermotor, also eine BMW.“ oder „Da fehlt noch das MG!“ versucht man anfangs noch zu korrigieren, später schweigt man. Sie haben ja sooo Recht…

Auf der Suche nach etwas hand- und trinkfesterem Umgang gelangt man schließlich zum ersten Militärfahrzeugtreffen, denn bei den „normalen” Bikern ist man letztlich doch auch verkehrt. Manchmal sieht man dort den ungezwungen im Gelände bolzenden Dnepr- oder Molotow-Fahrern wehmütig nach, die doch weniger Rücksicht nehmen müssen. Ölige Hände und der einheitliche Look in ausrangierten Bundeswehr-Klamotten beseitigten jeden Standesunterschied. Gemein ist der Hang zur derben Unterhaltung, in jeder Beziehung! Und es werden keine nervigen Fragen gestellt und Belehrungen durchgeführt.

Zündapp KS750 / BMW R75 GipfeltreffenDas Fahren mit dem Gespann ist echte Chefsache, wie Modelleisenbahn, sprich Männersache! Irgendwie ist alles etwas schwerer als „normal“. Das fängt schon beim Antreten an und hört beim Aufschrauben des Tanks auf. Nach dem Brimborium der Startvorbereitungen laut Handbuch kommt sie eigentlich recht zuverlässig und der 26-PS Motor erwacht zum Leben. Im Vergleich zu einer BMW R 75 mit dem schöneren Boxersound, tönt (m)eine KS doch eher wie ein Traktor, wobei sowieso jede Maschine ihren eigenen Klang hat. Die Beifahrerin wird im Seitenwagen verstaut und eingewiesen, wie sie beim Rechtsabbiegen zu „blinken“ hat: Mit dem Arm! Dann hat man mit dem äußeren Handhebel rechts am Tank die Wahl zwischen gemütlicher Reisegeschwindigkeit im Straßenbetrieb oder ob man mit Geländeuntersetzung Wände hoch oder doch erst mal rückwärts aus der Garage fahren möchte. Mit der Hand- (der zweite Hebel rechts am Tank) oder der Fußschaltung legt man den 1. Gang ein und los geht’s. Sofort springt einem das zündapp-typische Heulen ins Ohr, das die geradeverzahnten Zahnräder des Getriebes von sich geben.

Noch was zur Leistungsfähigkeit des Motors: Auf gerader Straße ist ein Anfahren im 3. Gang ohne weiteres möglich, im 4. muss man dann etwas mit der Kupplung spielen, aber es geht! Nun, schnell schaltet man dann der Reihe nach hoch, wobei ich das, wie es mir vom Verkäufer zur Materialschonung beigebracht wurde, stets mit Zwischengas mache. Also auch hier Erhaltung von Kulturgut, denn wer macht das heute noch? Nach einer gewissen Zeit des Warmfahrens sind gemütliche Reisegeschwindigkeiten zu erreichen und bei etwas vorausschauender Fahrweise muss, abgesehen von Stopps an Kreuzungen o.ä., eigentlich kaum geschalten werden. Es geht im Vierten dahin. Angenehm ist es um die 70 km/h über Land, wenn man mal auf langer gerader Strecke wie der Autobahn fährt sind auch bis 85 km/h Dauergeschwindigkeit bedenkenlos drin. Die eingetragene Höchstgeschwindigkeit von 95 km/h ist zu erreichen, aber es hört sich nicht mehr „gut“ an und ich lasse es der Maschine zuliebe doch lieber bleiben. Wer schnell irgendwo hin will, fährt eh was anderes. Überhaupt empfiehlt es sich, gerade bei längeren Fahrten Ohrenstöpsel einzuführen, denn dann kriegt man von den ganzen „Geräuschen“ nichts mit und es fährt sich viel entspannter. Ich erinnere mich noch, als ich das erste Mal die Ventile, deren Tackern vom Beiwagen reflektiert wird, wahrgenommen habe und alle möglichen Schäden vermutete.

Zuendapp KS 750 VergaserZu Überholen gibt es außer Traktoren nicht viel und das Sitzen bereitet auf dem breiten Sattel auch bei langen Strecken keine Probleme, Madame schaut sich die Gegend an und winkt den Kühen auf der Weide. Dank abgestimmter Kraftverteilung beim permanenten Hinterachsantrieb und den Öldruckbremsen fährt man immer „geradeaus“, im Gegensatz zu Beiwagenkrädern ohne angetrieben Seitenwagen mit einseitigem Kraftfluss. Viel schöner wirds allerdings, wenn man dann an so einem zugewachsenen Waldweg vorbeikommt und sich entschließt, etwas Spaß zu haben…

Weg von der Straße: Hier ist die KS eigentlich zu Hause und man merkt es. Bodenfreiheit und Federwege des Vorderrades und des Seitenwagenrades lassen auch auf Feldwegen noch eine relativ zügige Fahrweise zu. Also mal in den Dritten geschaltet. Hat man einen schönen Schotterweg gefunden, dann kann man kleine Drifts machen, die bei der weiblichen Begleitung stets Anklang finden. Auch sehr enge Linkskurven, quasi um die Ecke, sind Dank des Beiwagens möglich… Aber für eine KS ist das immer noch „langweilig“. Rein in den Wald: Zugewachsene Ziehwege, versumpfte Stellen oder gleich querfeldein! Hier offenbaren sich erst die wahren Stärken des drehmomentstarken Motors. Und wo der BMW R 75-Fahrer schon lange die Geländeuntersetzung drin hat, fährt die KS noch gemütlich mindestens im 1. Straßengang. (Zugegeben: Auf der Straße ist die BMW antrittsstärker, denn sie kommt schneller auf Touren). Die Geländeuntersetzung der KS braucht man vielleicht mal bei stärkeren Steigungen oder wenn es nicht so schnell gehen soll. Kommt man auf losen Untergrund oder in den Schlamm, dann sperrt man mit dem Hebel in der Nähe des rechten Fußes das Differential der Hinterachse. Bleibt man stecken, ist der Spaten im Beiwagen eine Hilfe. Madame hat vorsorglich die weißen Turnschuhe an und kann auf gar keinen Fall aussteigen. Liegt ein Baum quer, dann langsam draufzufahren, das Vorderrad drüber und weiter bis die Hinterreifen am Stamm durchrutschen. Dann Standgas und Geländegang, absteigen und die Kiste mit Hilfe der drehenden Räder drüberheben… und schnell wieder aufsteigen. Die große Bodenfreiheit, die leicht hochgezogenen Zylinder (5° an jeder Seite) schaffen zusätzlichen Raum, die große Watfähigkeit und die grobstolligen Reifen geben der Maschine mehr Potential, als man ihr zutrauen will. Eigentlich gibt es wenig, wo man nicht durchkommt… und wenn, dann Rückwärtsgang, gewendet und einen neuen Weg suchen.

Zuendapp KS 750 GespannHin und wieder streift man irgendwo an und eine Fußraste fliegt schon mal weg, aber eine zweite fährt immer mit und der Lack verzeiht. Spätestens nach der Geländefahrt weiß man dann allerdings auch, was man gemacht hat. Der breite Lenker will bewegt werden und man arbeitet mit dem ganzen Körper, so dass man abends dann noch ein paar bislang unbekannte Muskeln spürt. Die Maschine ist jetzt schön verdreckt, lange Grashalme hängen überall herum. Nachhause – TD (technischer Dienst) nach der Benutzung! Erst mal aber noch zur Eisdiele, das hat Frau schließlich verdient, denn durch Belastung des Seitenwagens hat sie für gute Traktion gesorgt. Dort sieht man dann auch wieder, dass man alles richtig gemacht hat: Während die Porsches & Co. nur eine Nummer beim Schaulauf ziehen, fällt man mit der Karre auf. Aufmerksamkeit tut ja immer gut. Genug gesonnt – heimwärts! Schnell in die Anonymität des Helmes rein und die letzte Bewährungsprobe des Tages: Springt sie auch wieder an vor der versammelten Mannschaft? Natürlich! Puhhh…

Zuendapp KS 750 WinterbetriebSo sieht sie dann aus, die Sonntag-Nachmittags-Tour! Es ist aber nicht immer so rosig, wie dieser Ausschnitt vermittelt. Ich bin gerne Mitglied beim ADAC, Plus-Mitgliedschaft selbstverständlich. Man kann allerdings sagen, dass, wenn die ersten 10 Kilometer einer Fahrt problemlos überstanden sind, in der Regel nichts mehr passiert, ob nun weitere 10 oder 400 Kilometer gefahren werden. Ist es dann allerdings mal so weit, dass was eingeht, dann geht es auf, den Geldbeutel. Ersatzteile sind kein Problem, aber teuer. Und man lernt eine Menge, denn eine Reparatur von A-Z kann sich kein Mensch leisten. Also so viel wie möglich selbst machen. Hat ein bisschen was von Modellbau: Linke Hand Handbuch, die Bauanleitung, und in der Rechten der Schraubenschlüssel. Man wundert sich ehrlich beim Blick ins Motorgehäuse: „Was bitte kostet da sooo viel Geld? Da ist ja nichts drin!“. Hier offenbart sich ein Vorteil des BMW-Gespanns: Weitaus günstiger im Unterhalt bzw. im Falle einer Reparatur, speziell der Motor mit Kurbelwelle. Aber auch die schwierigen Zeiten gehen vorbei und spätestens wenn man wieder im Sattel sitzt und sich die Bude aus eigener Kraft bewegt, dann ist das alles längst vergessen.

So blicke ich auf über 12.000 Kilometer im Sattel eines Wehrmachtsgespanns zurück. Der Bogen spannt sich von Höhepunkten wie Reisen in die Alpen oder nach Ungarn, sehr schönen Treffen in der Slowakei, in Österreich und in Bayern oder eben der ganz normalen Sonntagsausfahrt. Aber auch die Tiefpunkte werden durchlitten: Die Fahrt mit dem ADAC mit dem triumphalen Einzug am elterlichen Hof („Aha, wir haben’s ja gewusst… das K’lump!“), das erste Mal richtig Steckenbleiben im Wald und keine Schaufel dabei oder der GAU, die Reparatur der Kurbelwelle. Und da kommt dann ein Spruch vom Militär zum Tragen: „Lernen durch Schmerz!“, denn die Rechnung schmerzt…

Aber auch gerade diese Erlebnisse formen einen echten „Kradfahrer“ und seine Beziehung zu „Ihr“! Die Freundin von 2003 ist schon lange meine Frau, denn sie hat nie die Frage gestellt: Sie oder ich?! Die Antwort wäre ja klar gewesen.