aus bma 12/96

von Marcus Lacroix

Yamaha YP 250 Majesty (Bj. 1996)Yamaha YP 250 Majesty, ihre Majestät gibt sich die Ehre. Einen noblen Namen hat Yamaha für das Fahrzeug gewählt, das andere schlicht als Motorroller bezeichnen würden. Das läßt natürlich hohe Erwartungen entstehen. Ob das Zweirad tatsächlich zur adeligen Elite der Rollerdynastie zählt, werdet Ihr vielleicht nach diesem Fahrbericht für Euch entscheiden können. Unser Dank geht jedoch zunächst an den Delmenhorster Yamaha und Aprilia Vertragshändler Natuschke & Lange, der uns den Yamaha-Roller freundlicherweise für mehrere Tage zur Verfügung stellte.
Als ich ihrer Majestät vorgestellt wurde, konnte ich mich einer leichten Ehrfurcht nicht erwehren. Keine Frage, damit übertrifft Yamaha die meisten Mitbewerber auf dem Rollermarkt schon optisch um Längen. Ein beachtlicher Radstand, eine Vollverkleidung und eine Sitzbank, die man schon fast als Thron bezeichnen kann, ziehen den Blick auf sich. Dazu gesellt sich ein flüssigkeitsgekühlter 250er SOHC (SingleOverHeadCamshaft = einzelne obenliegende Nockenwelle) Viertaktmotor mit satten 20 PS.
Da stellt sich dem Betrachter natürlich die Frage, ob der YP 250 überhaupt noch als Roller zu bezeichnen ist. Kleine Räder hat er ja, eine rollertypische Antriebstechnik und eine hochklappbare Sitzbank mit dem obligatorischen Staufach darunter auch. Aber dann ist da wiederum diese voluminöse Vollverkleidung, die im Stil perfekt zum Design der übrigen Yamaha Motorräder paßt. Blickt man ihrer Majestät direkt ins Antlitz (sprich: von vorne auf die Verkleidung), wird manch ein Motorradneuling sicherlich schwören, der YP 250 sei ein Tourer à la GTS 1000. Lange Rede, kurzer Sinn; machen wir uns am Besten einfach auf den Weg um diese Frage zu klären.

 

Yamaha YP 250 Majesty (Bj. 1996)Die Startprozedur fällt rollertypisch einfach aus. Draufsetzen, eine der beiden Handbremsen ziehen , und nach einem Druck auf das E-Starterknöpfchen tuckert der kleine Viertakter leise vor sich hin. Ein Chokehebel wird praktischerweise durch die eingebaute Startautomatik überflüssig gemacht. Ebenso automatisch wird die Kraft des Motors bei Erhöhung der Drehzahl an das Hinterrad weitergeleitet. Kupplungs- und Schaltvorgänge werden dadurch, wie von anderen Rollern gewohnt, überflüssig. Der erste Unterschied zum gewöhnlichen Motorroller offenbart sich auf der Landstraße. Hubraum und Motorleistung sorgen für Fahrleistungen, die man von einem Roller eigentlich nicht erwartet. 158 kg Lebendgewicht (plus Besatzung) werden problemlos und ruckfrei beschleunigt. Die Automatik arbeitet tadellos und der elastische Einzylinder läßt nicht das Gefühl aufkommen, untermotorisiert zu sein. Wenn es sein muß, erreicht der Yamahatachometer mühelos die 125 km/h-Markierung.
Im Innenstadtverkehr erreicht der YP 250 erwartungsgemäß nicht ganz die Leichtigkeit eines 50er Zweitaktrollers. Zwar läßt er sich bei weitem leichter und komfortabler durch den alltäglichen Großstadtverkehr zirkeln als die meisten vollverkleideten Motorräder, sein Gewicht und seine Maße kann er jedoch nicht gänzlich verleugnen.
Die Verkleidung hält dabei, was ihre Optik verspricht. Sie bietet einen guten Wind- und Wetterschutz bei relativ geringen Verwirbelungen im Helmbereich. Wie stark sich der Helm durch die Verkleidung zum Krachhut entwickelt, hängt natürlich von der Sitzposition, der Fahrergröße und nicht zuletzt vom Helm selbst ab. Das Staufach unter der durch einen Gasdruckdämpfer gehobenen Sitzbank bietet einem Integralhelm und diversem Kleinkram Platz. Mit einem beiliegendem Stahlseil läßt sich ein zweiter Helm außen am Fahrzeug befestigen. Außerdem verfügt der Majesty über ein geräumiges Handschuhfach und ein drittes kleines Staufach zu Füßen des Fahrers. Der Zweck dieses etwas deplaziert wirkenden Fachs wurde mir indes nicht ganz klar. Vielleicht wäre es günstiger gewesen, den Tank in diesen Bereich zu verlegen und so unter der Sitzbank mehr Platz zu schaffen. Eine Antwort darauf haben aber wohl nur die Konstrukteure parat. Für den täglichen Einkauf sollte der Platz unter der Sitzbank aber auch so ausreichen, und ansonsten steht der Montage eines Topcase (229,50 DM bei Yamaha) ja nichts entgegen. Der dazu notwendige 112 DM teure Gepäckträger aus dem Yamaha-Zubehörprogramm war bereits an unserer Probefahrtmaschine montiert. Für weitere 157 DM erhält man die formschöne und bei Umfallern sicherlich sinnvolle verchromte Reling, die man ebenfalls auf den Bildern erkennen kann.Yamaha YP 250 Majesty (Bj. 1996)
Verläßt man die Stadt, so erreicht man schnell wieder das eigentliche Revier des Majesty. Es macht großen Spaß, mit der 250er durch die Landschaft zu brummen. Durch die chopperähnliche Sitzposition und die bequeme Sitzbank wird der Majesty zu einem idealen Tourer, mit dem ich bedenkenlos auch größere Urlaubsreisen antreten würde. Das Fahrwerk ist, dem Charakter des Fahrzeugs entsprechend, sehr komfortabel ausgelegt. Diese im täglichen Einsatz angenehme Abstimmung ist bei einer sportlicheren Fahrweise (ja, das ist auch mit 20 PS möglich!) natürlich überfordert. In schnell gefahrenen Kurven geht dann ein Rühren durch den Körper ihrer Majestät, das aber nie beängstigende Formen annimmt. Für den Notfall steht dann ja auch noch die Bremsanlage zur Verfügung, von der vor allem die 245 Millimeter durchmessende hydraulisch betätigte Scheibenbremse im Vorderrad überzeugt. Gut dosierbar und mit relativ wenig Kraftaufwand läßt sich der 110er Vorderradreifen leicht zum Pfeifen bringen. Etwas enttäuschender fällt dagegen die Leistung der seilzugbetätigten Trommelbremse hinten aus. Auch bei vollem Krafteinsatz ließ sich das Hinterrad auf trockener Straße nicht zum Blockieren bringen, und es blieb das Gefühl, etwas Bremsleistung verschenkt zu haben. Im Team arbeiten die beiden Bremsen jedoch gut zusammen.
Erstaunlich gering fällt der Benzinverbrauch des Majesty aus. Aus dem 11 Liter fassenden Tank laufen bei gemischter Fahrweise gerade mal 3,2 Liter Normalbenzin durch den Vergaser. Fährt man vorwiegend mit Vollgas, steigt dieser Wert auf etwas über vier Liter je 100 Kilometer an.
Im Gegensatz zu manch einem Motorrad der kleinen Klassen erlaubt der Yamaha YP 250 auch zu zweit ein komfortables Fahren. Der Soziusplatz ist gut gepolstert und der Motor nimmt das Plus an Gewicht auf die leichte Schulter. Auch mit zwei Erwachsenen besetzt schwingt sich der Roller zu einer Spitzengeschwindigkeit von über 110 Stundenkilometern auf. Wichtig ist es jedoch, daß man vor Fahrtbeginn die Federvorpannung der hinteren Federbeine anhebt, da auch kleinere Bodenwellen die Dämpfer sonst durchschlagen lassen.
An und für sich wäre das ja nun kein Problem, wenn Yamaha hier nicht am falschen Ende gespart hätte. Mein Lieblingskind, neben der Betriebsanleitung, ist ja nun das Bordwerkzeug. Auch wenn es normalerweise selten gebraucht wird, erwarte ich eine gute Qualität. Zu den japanerüblichen Billigteilen gesellt sich hier ein Hakenschlüssel, mit dem es schlicht unmöglich ist, die Federbeine der jeweiligen Belastung anzupassen. Sinnigerweise verweist das ansonsten gute Handbuch in diesen Fall auf die nächste Yamaha-Werkstatt. Einfache Hebel an den Federbeinen (vor 1970 noch selbstverständlich) könnten hier wirkungsvoll Abhilfe schaffen. Bis es soweit ist, kann sich der Kunde einen passenden Hakenschlüssel anschaffen.
Nach dieser, in den Augen mancher Zeitgenossen kleinlichen Schelte, werde ich mal wieder zu den positiven Seiten des YP 250 Majesty kommen, die glücklicherweise bei weitem überwiegen.Yamaha YP 250 Majesty (Bj. 1996)
Am auffälligsten ist dabei die gute Ausstattung ihrer Majestät. In der schon mehrfach erwähnten Vollverkleidung befindet sich ein Cockpit, von dem sich viele Motorräder eine Scheibe abschneiden könnten. Neben Tachometer, Kilometerzähler, Tageskilometerzähler, Tankanzeige und Kühlwasertemperatur finden sich Kontrolleuchten für die Blinker, das Fernlicht und den Ölstand (!). Diese Ölstandskontrolle informiert den Fahrer auch über etwaige anstehende Ölwechsel. Komplettiert wird das Ganze durch eine Digitaluhr. Die Schalter am Lenker lassen sich gut bedienen und die Spiegel bieten eine passable Rücksicht. Die beiden Handbremshebel sind leider nicht verstellbar. Als Besonderheit bietet der YP 250 dafür die Möglichkeit, den Bremshebel für die Hinterradbremse zu arretieren. Durch diese Feststellbremse kann der Roller in jeder Lage (auch am Hang) sicher geparkt werden.
Auch der Hauptständer läßt sich gut bedienen. Das Ausklappen des ansonsten ebenso leicht zu bedienenden Seitenständers gestaltet sich bei montierter Reling als ein klein wenig fummeliger, da er dadurch schlechter zu erreichen ist. Um die Sitzbank individuell an die Fahrergröße anpassen zu können, läßt sich die bequeme Rückenlehne in mehreren Stufen verschieben. Lieferbar ist der YP 250 in schwarz, rot und silber, wobei die offiziellen Namen natürlich wesentlich vornehmer klingen.
Diese Details schlagen sich natürlich im Preis des Fahrzeugs nieder. 9950 DM laut Liste sind gewiß kein Pappenstiel, und manch ein potentieller Käufer wird da sicherlich mehr als einmal schlucken. Auf der anderen Seite sollte man bedenken, daß es sich bei dem Yamaha YP 250 nicht einfach nur um einen billig zusammengeschusterten Motorroller aus dem Supermarkt handelt. Der Majesty hat mehr von einem Motorrad, als man denkt. Es gibt in der 250er und auch in der nächst-höheren Klasse kaum ein Motorrad, das mit einer solchen Ausstattung und Funktionalität aufwarten kann.
Neben einer gut gefüllten Brieftasche braucht der YP 250 Fahrer aber auch noch etwas anderes: Das etwas ungewöhnliche Erscheinungsbild ihrer Majestät zieht vielfach die Blicke der einfachen Bürger auf sich. Hier ergeht es dem zweirädrige Adel wohl kaum anders als dem zweibeinigen. Wer den neugierigen Blicken seiner Mitmenschen nicht standhalten kann, der sollte lieber die Finger vom Majesty lassen.
Zu guter Letzt ist da jetzt noch die unbeantwortete Frage vom Anfang, ob es sich bei dem Yamaha YP 250 Majesty denn nun noch um einen Motorroller oder um ein Motorrad handelt. Ich habe mich dazu entschlossen, eine neue Klasse ins Leben zu rufen und verkünde hiermit: es handelt sich um einen Motorradroller. Bleibt nur zu hoffen, daß sich in dieser Klasse noch mehr aufregende Zweiräder einfinden.