Ur XT500 von 1975 und Yamaha Super Tenere von 2010Die Yamaha XT 500 hat sich zu einem echten Kultmotorrad mit eigener Szene entwickelt. Winni stellt uns XT-Spezi Meinold Müller vor …

aus Kradblatt 6/16
Text & Fotos: www.Winni-Scheibe.com

Kultmotorrad – Yamaha XT 500

Yamaha XT500 Werbung von 1977Mit der XT500 schuf Yamaha 1975 eine neue Enduro-­Generation. Der Single wurde zum Allrounder und Bestseller. Damit die XT-Legende weiter im Breitensport begehrt bleibt, sorgt Meinold Müller für Erhalt und Nachschub.

Sie sind Freunde, die sich bald 40 Jahre lang kennen. Im Prinzip hält das Bündnis bis auf den heutigen Tag fest zusammen. Mitte der 1970er Jahre ging es mit der Offroad-Clique um Meinold Müller, Jahrgang 1959, aus Blankenau an der Weser, los. Solange er denken kann, begeistert sich der gelernte Maschinenbauer für Moto Cross und Geländesport mit Einzylinder-Viertaktmaschinen. Zunächst dienten für die Geländesportambitionen allerdings ausgemusterte KTM-Crosser. Bei den Kumpels sah es nicht viel anders aus. Wer sich eine Offroad-Maico leisten konnte, war fein raus. Meist waren es aber umgebaute oder sogar nach eigenen Vorstellungen selbst zusammengeschraubte Geländemaschinen auf Puch, Zündapp oder Hercules Basis. Da der Spaß nicht viel Geld kosten durfte, ging ständig etwas kaputt. Nicht selten wurde mehr gebastelt als gefahren. Wenn es aber mal wieder über den Acker ging, dann querfeldein an der Weser rauf und runter.

„Damals hat sich kaum jemand an uns wilden Geländebolzern gestört. Längs der Weser war es noch nicht so eingezäunt und zugebaut. So weit das Auge reichte, hatten wir über Wiesen und Felder freie Fahrt“, lässt der sympathische Viertakt-Experte mit einem verschmitzten Schmunzeln wissen.

Eine echte Alternative zu den reinrassigen, aber kaum bezahlbaren, Crossern war ab 1976 die Yamaha XT500. Moderne Technik und Großserienfertigung versprachen Zuverlässigkeit sowie moderate Preise. Zur Erinnerung: Die neue Yamaha sollte ein echtes Offroad-Bike werden, robust, langlebig, technisch überschaubar, leicht und mit einfachem Handling. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Herzstück der XT500 war ein 33 PS starker OHC-Einzylinder-Viertaktmotor mit hoch gezogenem Schalldämpfer und nur mit Kickstarter versehen. Für einen Elektrostarter wäre die zunächst verbaute 6-Volt-Bordspannung allerdings auch zu mickrig gewesen.

TT 500 Mueller SpezialStandesgemäß rollte das Offroad-Bike auf Stollenreifen. Auch die weiteren Fahrwerkskomponenten waren, dem damaligen Zeitgeist entsprechend, auf den Geländeeinsatz getrimmt. Ein Tank für 8,8 Liter Benzin, Halbnaben-Trommelbremsen, Cross-Schutzblech vorne, Geländelenker und ein Motorschutzblech. Die XT500 hatte alles nötige, aber auch nichts überflüssiges. Mit der nur gut 150 kg schweren 500er Enduro ließ sich nach Herzenslust im Gelände herumtoben.

Im Herbst 1975 präsentierte das Werk die XT500 als Enduro und in abgespeckter, reiner Moto Cross Version als TT500 in Las Vegas. Bewusst waren die USA ausgewählt worden. Für die Japaner bedeutete damals Nordamerika nicht nur das wichtigste Export-Land, von den offroad angefressenen US-Bikern wusste man, dass kernige Viertakter bei ihnen hoch im Kurs standen.

TT 500 Mueller Spezial linksDem europäischen und besonders dem deutschen Motorradmarkt maß man kaum eine Bedeutung zu. Mit einem 500er Viertakt-Single brauchte da keiner zu kommen. Rund ein Jahr nach Las Vegas stand die XT500 trotzdem auf dem Yamaha-Messestand bei der IFMA im September 1976 in Köln. Das Interesse und die Nachfrage waren beachtlich. Damit hatte keiner gerechnet. Flugs wurden noch 1976 rund 180 XTs aus den USA geordert, bei ausgesuchten Händlern nach StVZO-Vorschriften umgerüstet und via Einzel­abnahme zugelassen.

Der Anfang war gemacht. Was sich in den nächsten 13 Jahren bis zum Produktionsende 1988 fortsetzen sollte, wurde eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Rückblickend darf die XT500 als Urahn einer neuen Enduro-Generation bezeichnet werden. Yamaha war ein Meisterstück gelungen. Die bei uns ab 1977 versicherungsgünstig mit 27 PS angebotene XT500 wurde zum Bestseller. Alles passte, die während der Bauzeit durchgeführten nennenswerten Modifikationen lassen sich an einer Hand abzählen. Da war 1979 eine verbesserte Motorschmierung, ein Jahr später sorgte eine modifizierte Gabel, erkennbar an der vorverlegten Achsaufnahme, für mehr Federweg und 1986 kam die 12-Volt-Anlage.

TT 500 Mueller Spezial rechtsMit der XT500 ließ sich vieles und manchmal noch etwas mehr erleben. Es gab Abenteurer, die die Welt bereisten, durch Wüsten und Gebirge fuhren. Legendär sind die Siege bei der Rallye „Paris-Dakar“, alle Enduro- und GS-Erfolge aufgezählt, würden ein Buch füllen, aber auch im Großstadt-Dschungel war man mit der XT500 gut aufgehoben.

Von 1975 bis 1988 wurde die XT500 insgesamt 127.446 Mal gebaut, gut 25.000 Enduros kamen nach Deutschland. Längst gibt es einen eingeschworenen Fankreis. Sammler, die alles kennen und wissen, rührige XT-IGs und engagierte Händler. Zu denen gehört Meinold Müller.

TT 500 Mueller SpezialMeinold war kaum 20 Jahre alt, als er 1979 einen selbst getunten XT500-Motor in ein modifiziertes 250er Maico-­Crossfahrgestell einbaute. Ab 1980 sah man ihn auf seiner „Müller-Spezial“ regelmäßig auf dem Gelände des MC Enduro-Club Beverungen durch die Landschaft pflügen. Beruflich ging es 1986 mit der Mechaniker-Meisterausbildung, Fachgebiet Zweirad, Richtung zukünftiger Lebensplanung weiter. Drei Jahre später wurde im Heimatort Blankenau eine freie Motorradwerkstatt eröffnet. Zunächst schraubte man an allem, was die Kundschaft so anschleppte. Ab Mitte 1990 übernahm der junge Betrieb die Betreuung der Marken Vespa, Piaggio und Gilera, wenig später folgte die Yamaha-Vertretung. Das Hauptaugenmerk lag zunächst beim Tagesgeschäft. Individuelle Um- oder Eigenbauten mussten hinten anstehen und Meinold Müller erinnert sich: „Von meiner Einzylinder-Leidenschaft konnte ich jedoch nie lassen. Anfang 1994 kam ich günstig an eine Yamaha XT500 von 1976. Die Enduro habe ich komplett überholt und dabei gleich etliche Ersatzteile auf Vorrat gelegt.“

Meinold MuellerLängst verfügt der ausgewiesene Single-Experte über eine beachtliche XT500-Sammlung mit entsprechendem Ersatzteilsortiment. Von jedem Modell sind mittlerweile wenigstens eine, meist aber zwei Exemplare, die wie landenneu dastehen, vorhanden. Das ist der Anspruch. Der erheblich größere Bestand sind jedoch unrestaurierte XTs, die entweder als Teileträger dienen oder demnächst auf Vordermann gebracht werden. In dem inzwischen voll auf die XT-Modelle spezialisierten Betrieb können im Prinzip alle Reparaturen und Restaurierungen im Haus erledigt werden. „Im Laufe der Zeit hat sich jedoch ergeben, dass wir einen Teil der Arbeiten von qualifizierten Fachbetrieben ausführen lassen. Dazu gehören das Überholen der Kurbelwelle, alle Lackierarbeiten und das Aufbereiten von Tachos und Drehzahlmessern“, verrät der XT-Guru.

Werkstatt

Das Gros des Arbeitsaufkommens macht die originalgetreue Restaurierung des Off­road-Singles aus. Oftmals wissen die Kunden aber nicht, in welchem Zustand die Maschine ist. Mal haben sie das Motorrad als gute Gebrauchte gekauft, mal war es ein Schnäppchen aus dem Internet oder, was auch vorkommt, stand die Yamaha seit Jahren verweist im Schuppen hinterm eigenen Haus. „Für eine Vorabbeurteilung des Triebwerkes schraube ich mit ein paar Handgriffen die Ölwanne ab. Kommen Brocken ans Licht, muss der Motor zur Überprüfung zerlegt und meist dann auch überholt werden. Ist der Kettenspanner für den Nockenwellenantrieb bis zum letzten Gewindegang eingeschraubt, ist das ein sicheres Zeichen für eine hohe Laufleistung. Aus meinen Erfahrungen benötigen solche Triebwerke ebenfalls eine Renovierung. Beim Fahrwerk muss man auf die rechte Fußrastenhalterung achten. Bei ungeschickter Betätigung des Kickstarters kann es passieren, dass beim Kicken die Fußraste belastet wird und sie sich mit der Zeit verbiegt. Die Reparatur, der über eine Vielzahnarretierung verschraubte Raste am Rahmen, ist sehr aufwendig. Bei vielen XTs sind die an der Hinterradschwinge über Haltelaschen angeschraubten Beifahrerfußrasten verbogen. Sie hängen wie Eselsohren nach unten“, plaudert Meinold Müller aus dem Nähkästchen.

XT500 Scrambler Umbau Nr2 EZ 5 1983

Beachtenswert sind die XT-Umbauten aus Blankenau. Hier verwirklicht der Meister eigene Vorstellungen oder erfüllt Kundenwünsche. Keine Experimente werden beim Triebwerk gemacht und der Single-Kenner lässt wissen: „XT-Motoren werden nach allen Regeln der Handwerkskunst überholt und in ihren serienmäßigen 33 PS Urzustand beibehalten. Die Leistung entspricht der Epoche des klassischen Dampfhammers, die meisten meiner Kunden sind mit dieser Power vollauf zufrieden.

Ur XT500 von 1975 und Yamaha Super Tenere von 2010Auch braucht sich bei sachgerechter Behandlung über Zuverlässigkeit und Haltbarkeit keiner Gedanken zu machen. Soll der Motor trotzdem auf 40 bis 45 PS getunt werden, bedienen wir uns bewährten Mustern wie Hubraumvergrößerung auf 600 ccm, scharfe Nockenwelle sowie geänderten Vergaser und Auspuffanlage.“
Vollkommen individuell erfolgt der Aufbau einer XT oder TT für klassische Enduro oder Moto Cross Wettbewerbe. Alles was es in den 1970er Jahren als hochwertiges Zubehör zu kaufen gab, aber auch Fahrwerks- und Brems-Bauteile von Kawasaki, KTM, Maico oder Husqvarna, kommen nach entsprechender Aufbereitung und Modifikation zum Einsatz. Durch die Bank weg handelt es sich hierbei um rund 30 Jahre alte gebrauchte Teile. Eben genau die gleichen Komponenten, die damals die Federwege verlängerten, die Dämpfung verbesserten, die Bremsleistung optimierten. Das sind zum Beispiel Marzocchi-Gabeln, Bilstein-Federbeine und Trommelbremsen von der Yamaha TT600. Bei Verwendung stabilerer und längerer Hinterradschwingen, zum Beispiel der Alu-Schwinge von der Kawasaki KLX250, wird je nach Bedarf der XT-Rahmen so geändert, dass die Schwingenlagerung tiefer sitzt. Mit diesem Trick hält sich der Kettendurchhang in Grenzen. Etwas ganz feines für die damaligen anspruchsvollen Geländefahrer waren die Rahmen-Kits von Heos, Wasp und Barigo. „Wollte ich alle Varianten aufzählen, ließen sich locker Buchbände füllen. Wichtig bei diesen Umbauten ist der historische Bezug zu den sportlichen Ereignissen in den 1970er Jahren. Ein weiterer Anspruch besteht darin, dass die Enduros zulassungsfähig sein müssen, bei den Crossern spielt der TÜV dagegen keine Rolle“, gibt Meinold Müller zu Protokoll.
Die Auftragsbücher sind voll. Mit Langeweile ist in den nächsten Jahren kaum zu rechnen, das Verfallsdatum der japanischen Eintöpfe ist auf unbestimmte Zeit verschoben.

Info: Motorrad-Müller, Kasseler Straße 11, 37688 Beverungen – Blankenau. Telefon 05273-35670, Internet: www.motorrad-mueller.net