aus Kradblatt 9/14
von Georg Bohm

 

Yamaha XS 650 SE Umbau

Yamaha XS 650 SE Cafe RacerSeit über 12 Jahren bin ich Besitzer und Fahrer einer „leicht“ umgebauten Yamaha XS 650 Typ 447, und irgendwie kam ich auf die Idee, mir eine XS 650 SE Typ 3L1, also die Softchopper-Variante der XS als Basis zu wählen.

Wer mich kennt, weiß allerdings, dass ich, vorsichtig ausgedrückt, kein Freund von Soft- und anderen Choppern bin. Was zum Teufel soll ich also mit einer SE anfangen? Original aufbauen? NIEMALS! Einen echten Langgabler bauen? Geht gar nicht! Irgendwelche anderen Modeerscheinungen, meist unfahr- und unTÜVbar aufbauen? Ach nö, besser nicht.

Für mich war schon, noch ehe ich den passenden Rahmen hatte, klar, dass nur etwas sportliches (neudeutsch? Café Racer) in Frage käme. Aber zunächst mal musste ein Rahmen her. Am besten einer mit Gussrädern und Scheibenbremse hinten.

Nach einiger Suche und diversen Telefonaten war es dann soweit: Ein XS-Freund aus Aachen hatte noch einen Rahmen mit Vordergabel und Rädern (auch der zum Rahmen gehörende Fahrzeugbrief war dabei) und brachte mir die Teile im Juni 2011 zu einem XS 650 Treffen mit. (An dieser Stelle noch einmal vielen Dank dafür, Achim.)

Zu Hause waren die Teile dann ziemlich schnell gereinigt und schon nach wenigen Tagen stand ein Fahrgestell auf eigenen Rädern auf meiner Hebebühne. Wie sollte es nun weitergehen?
Als Tank hatte ich mir den 17 Liter Tank einer Yamaha XS 750 ausgesucht, der auch recht schnell angepasst war. Ich hatte ja Erfahrungswerte vom Umbau meiner 447.

Yamaha XS 650 SE Cafe Racer gestripptNun musste eine Sitzbank her… aber woher? Wie sollte sie aussehen?
Später! Erst mal baute ich einen alten Motor, über den ich schon mindestens, wenn nicht noch öfter gestolpert war, in den Rahmen. Ich hatte diesen Motor irgendwann mal günstig eingekauft und wusste nicht mehr über den Zustand als die üblichen Sprüche vom Vorbesitzer: „Bis zum Ausbau lief er tadellos!“

Inzwischen war der Sommer 2011 schon fast vorbei, und ich tönte immer noch voller Zuversicht: „Im nächsten Jahr (2012) ist die XS fertig.“

Also, nun mal um die Beschaffung einer Sitzbank kümmern. Schön, dass man in der XS-Szene so viele Freunde und Bastler hat, denn schnell war jemand gefunden, der GFK Bänke nach Vorbild der Flat-Tracker Bänke anfertigte, ein Telefongespräch reichte und ich hatte einen Sitzbankrohling. Aber irgendwie gefiel mir weder die Linie, die sich mit dieser Sitzbank ergab, noch gefielen mir die Änderungen die ich am Rahmen vornehmen musste, damit die Sitzbank passte.
In der Zwischenzeit hatte ich versuchsweise eine 2 in 1 Auspuffanlage montiert, die mir optisch gar nicht zusagte. Daraufhin setzte ich mich mit einem Edelstahlspezi aus dem XS 650-Forum in Verbindung, der schon diverse Auspuffanlagen gebaut hatte. „Alles kein Problem.“ bekam ich zu hören und wurde ansonsten über Monate hinweg vertröstet. Irgendwann erhielt ich auf meine Anfragen per Mail keine Antwort mehr, und daraufhin war das Thema für mich erledigt, denn ich laufe niemandem
hinterher!

Yamaha XS 650 SE Cafe Racer AufbauDie nächste Aktion war dann einen originalen, schwarz pulverbeschichteten 447 Auspuff an die XS zu schrauben, der mir im angebauten Zustand aber ebenso wenig gefiel, wie schon vorher die 2 in 1 Anlage.

Der nächste Winter kam, und wir schrieben inzwischen Februar 2012. Immer noch stand eine Baustelle auf der Hebebühne, die niXS Halbes und niXS Ganzes war. Ich hatte weder eine passende Sitzbank, noch eine Auspuffanlage oder gar einen meinen Vorstellungen entsprechenden Lenker oder eine Fußrastenanlage. Irgendwie hatte ich auch die Lust verloren, denn es war abzusehen, dass ich mein Ziel, in diesem Jahr zu unserem Kieler XS 650 Treffen mit der SE aufzulaufen, vergessen konnte.
Also passierte erst mal einige Wochen lang gar nichts, bis ich durch Zufall im Sommer bei eBay auf den gebrauchten Nachbau einer Bimota-Sitzbank stieß. Eine gleichartige Bank hatte ich schon vor etlichen Jahren an meiner Honda CB 750 Four gehabt und genau diese Sitzbank wollte ich haben. Also geboten, und siehe da, für rund 70 Euro inkl. Versand bekam ich die Sitzbank. Aber… ich konnte oder wollte es erst nicht glauben… mit diesem Teil sah die XS noch bescheidener aus als mit der ersten Variante.

Yamaha XS 650 SE Cafe Racer AnpassungenWeitersuchen, oder das ganze Projekt einstampfen und bei eBay wegen „Zeitmangel“ oder mit ähnlichen Ausreden anbieten? Nein, das kam für mich nicht in Frage. Was ich anfange, das führe ich auch zu Ende!

Und dann kam mir der Zufall zu Hilfe.Eines schönen Samstags pflasterte ich bei einem guten Freund ein Stück seiner Auffahrt als ein Bekannter vorbei kam, der ein XS Café Racer-Projekt aufgegeben hatte und eine Raask-Fußrastenanlage sowie eine Höckersitzbank zu verkaufen hatte.
Ohne lange zu überlegen griff ich zu und für einen fairen Preis war ich nun Eigentümer von Rasten und Höcker. Nach fast einem halben Jahr Stillstand ging es mit meiner Baustelle nun weiter. Zwischenzeitlich hatte ich zwar schon einen einstellbaren M-Lenker ersteigert und auch angebaut, war aber nicht wirklich zufrieden mit der Sitzhaltung, die sich nun in Verbindung mit den Fußrasten und der neuen Sitzbank ergab. Es musste ein Satz Stummellenker her!

Wieder war bei eBay das Gesuchte zu finden und so wurde der M-Lenker gegen einen Satz Tommaselli-Stummel getauscht. Das war doch schon um einiges Besser, nur mit den Fußrasten konnte ich mich nicht so wirklich anfreunden.

Yamaha XS 650 SE Cafe Racer FenderMein Vorgänger hatte sich neue Grundplatten aus 10 mm dicken Stahlblechen angefertigt, weil mit den originalen Raask Platten die Sitzposition mit dem berühmten Affen auf dem Schleifstein zu vergleichen war. Ich hatte in der Zwischenzeit zwei Muster von verschiedenen Grundplatten sowie auch eine maßstabsgetreue Zeichnung erhalten, aber kam trotzdem nicht wirklich voran. Nun, im Winter hatte ich ja genügend Zeit zum Überlegen…

Nur war der Winter für meine Begriffe viel zu schnell vorbei und schon war es wieder Frühjahr, wir schrieben das Jahr 2013 und mein Umbau war immer noch nicht fertig.

Nun wurde es aber Zeit, denn als nächsten Fixtermin hatte ich mir den 8.8.2013, meinen 60. Geburtstag gesetzt, Ich wollte mir selbst die XS fahrfertig zum Geburtstag schenken.
Als Auspuffanlage hatte ich mich inzwischen für eine aus dem XS-Shop Kiel entschieden: 45 mm dicke Edelstahlkrümmer mit den dazu passenden Auspuffrohren. Das Problem der Fußrasten war auch gelöst: Ich hatte die originalen Haltebolzen am Rahmen entfernt und an deren Stelle Löcher gebohrt und M10 Gewinde hinein geschnitten und konnte nun die aus 8 mm Aluminium selbst gefertigten Grundplatten direkt am Rahmen anschrauben. Und siehe da: es passte!

Yamaha XS 650 SE Cafe Racer ElektrikDer Kickstarter einer Honda XBR 500 passierte beim Test problemlos das Bremspedal, musste aber später einem umgebauten, originalen Kicker weichen. Ganz langsam aber sicher nahm mein Projekt Gestalt an.

Nachdem alles soweit angepasst war, konnte es ans Lackieren gehen. Aber ich und lackieren? Zwei Welten prallen aufeinander! Aber zum Glück gibt es ja meinen Freund Michael aus Recklinghausen.
Ich hatte mir ein Design aus den 70er Jahren ausgesucht, und zwar eine sogenannte „Kenny Roberts Lackierung“ also gelber Untergrund, darauf schwarze Rechtecke auf weißem Grund mit schwarzen, schmalen Begrenzungen ober- und unterhalb sowie mit integriertem YAMAHA-Schriftzug. Dank Rüdiger vom XS-Shop Kiel hatte ich zwei Sätze dieser Folien nach kurzer Zeit in Händen.
Also, die XS auf den Anhänger geladen, und ab nach Recklinghausen. Sind ja von meinem Wohnort im Kieler Umland „nur“ ca. 430 Kilometer.

Die Lackierarbeiten zogen sich über drei oder vier Tage hin, da nicht nur die einzelnen Lackschichten, sondern auch die Folie, die nass aufgebracht wurde, immer wieder ablüften und ausgasen musste. Das Aufbringen der wirklich hauchdünnen Folie war ein Akt für sich, da Tank und auch die Sitzbank keine geraden Flächen, sondern diverse Sicken und Rundungen haben. Aber mit viel Prilwasser, Geduld, einem Fön und meist vier Händen klappte es doch. Wobei ich sagen muss: Allein hätte ich es nicht geschafft.

Yamaha XS 650 SE Cafe Racer ReglerEndlich konnte ich Tank, Sitzbank und Schutzbleche anbauen. Das hintere Schutzblech wurde vor dem Lackieren unterhalb des Sitzbankhöckers radikal geändert, um eine Batteriehalterung und auch um Platz für die Blackbox der kontaktlosen US-Zündung zu schaffen und nach nunmehr rund 20 Monaten steht die XS, zumindest optisch, fertig da.

Wieder zu Hause angekommen, kümmerte ich mich um die Räder und die Bereifung. Die Räder hatten eine Grundreinigung und Farbauffrischung dringend nötig, und auch die Reifen, obwohl noch mit richtig viel Profil, dafür aber aus 1986, waren nicht mehr vertrauenerweckend. Also bekamen die Felgen nach der Grund­reinigung neue Farbe und die blanken Stellen wurden poliert und die alten Reifen gegen einen Satz neuer Bridgestone BT 45 ausgetauscht.Die Bremssättel vorn und hinten wurden grundüberholt und gereinigt, die Beläge natürlich auch erneuert.

Nun noch die Elektrik-trick-trick! Da ich aber eine ausgesprochene Elektro-Phobie habe, rief ich einen weiteren XS-Freund an, der sich dann auch über die Elektrik hermachte.
An einem Samstag Nachmittag im Juli 2013 war es dann soweit: Rainer sagte nur „Kick sie an!“ Und es war kaum zu glauben, denn die XS sprang nach dem dritten oder vierten Kick an und lief sofort rund!
Die erste Probefahrt (natürlich ohne Kennzeichen) durch das Dorf klappte dann nach zwei Versuchen – die im Laufe der Jahre verklebte Kupplung des „bis zum Ausbau tadellos laufenden“ Motors musste sich erst einmal lösen – und mein Grinsen konnte man wahrscheinlich nur noch operativ aus dem Gesicht entfernen.

So weit so gut! Nun war die XS aber schon seit April 2000 abgemeldet und somit mehr als TÜV-fällig. Dazu kam, dass die nun von dem ursprünglichen Softchopper meilenweit entfernte XS durch die reichlich vorgenommenen Umbauten eine Einzelabnahme bzw. eine neue Betriebserlaubnis benötigte. Wiederum half mir Rüdiger vom XS-Shop Kiel weiter: Dank seiner Kontakte zu einer Kieler Firma übernahm diese Firma für mich die Vorstellung beim TÜV.

Yamaha XS 650 SE Cafe RacerWieder lud ich die XS auf den Anhänger und brachte sie montags nach Kiel. „Wir rufen dich an, wenn du die XS abholen kannst“. Am Dienstag Nachmittag rief ich an: „Ist noch nicht fertig, der Prüfer hatte keine Motorradbekleidung dabei, aber Donnerstag sollte es klappen!“. Donnerstag am späten Nachmittag kam der ersehnte Anruf: „Du kannst dein Motorrad abholen, alles in Ordnung!“
Am Freitag, dem 2.8.2013 morgens um 9.00 Uhr stand ich mit dem Anhänger in Kiel um die XS abzuholen. Vorher durfte ich allerdings noch die TÜV-Gebühren bezahlen, wobei ich einen mittelprächtigen Herzinfarkt bekam. Mit so einer Summe im fast schon oberen 3-stelligen Bereich hatte ich nicht gerechnet. War aber alles korrekt und dafür war jede noch so kleine Änderung im Gutachten eingetragen.

Nun gut, die XS auf den Anhänger und dann auf direktem Weg zur Zulassungsstelle. Das Kennzeichen hatte ich vorher schon online reserviert, und nach „nur“ rund zwei Stunden konnte ich es endlich ans Motorrad schrauben.

Aber damit war die Arbeit noch nicht erledigt, denn bei meiner ersten etwas größeren Ausfahrt am gleichen Tag verabschiedete sich zuerst mal der kleine Blei-Gel-Akku. Also einen neuen Akku eingebaut. Zwei Tage später: Der neue Akku zeigte deutliche Schwächen: kein Ladestrom. Übeltäter war der Rotor der Lichtmaschine, welcher das Zeitliche gesegnet hatte. Ein neuer Rotor wurde eingebaut, und schon war wieder genügend Strom vorhanden. Während der nächsten Kilometer zeigte sich dann ein viel zu hoher Ölbverbrauch seltsamerweise tropfte es nirgends und aus den Auspuffrohren zog ich auch keine blaue Ölfahne hinter mir her. Und mit der Leistung des „bis zum Ausbau tadellos gelaufenen“ Motors war ich auch nicht zufrieden. Aber da ich im Laufe der Jahre einen Vorrat an XS-Teilen gesammelt und sogar einen komplett überholten Motor als Reserve eingelagert hatte, war das Motorproblem auch schnell erledigt.

Nun hatte ich mein Ziel erreicht und war zufrieden. Mein Geburtstagsgeschenk lief ordentlich, ging mit dem Motoröl sparsam um, und auch die Leistung ist so, wie ich sie mir vorgestellt habe. Inzwischen habe ich ca. 6500 km mit dem Kaffee-Renner zurückgelegt und noch keine weiteren Schwächen feststellen können. Trotzdem denke ich, dass dieses Motorrad eine nie endende Baustelle ist – was mich aber ganz und gar nicht stört – und dass ich in der kommenden Zeit sicher noch die eine oder andere Veränderung vornehmen werde.