aus Kradblatt 5/23 von Bernhard Kube
Familienbande – 3x Yamaha XJ …
Als Jugendlicher hat man seine Vorstellung des eigenen Traum-Motorrades. Im Jahr 1985 kaufte ich mir eine Yamaha XJ 650, Baujahr 1981 mit 71 PS in metallic-rot. Ein tourentaugliches Sportmotorrad, genau mein Ding! Der Grundstein für eine lange Geschichte …
Es folgen viele Ausfahrten und Urlaubstouren. Unter anderem werden Irland, Schweden, Jugoslawien, Österreich, Niederlande, Dänemark und die Schweiz erkundet. Im Grunde ohne nennenswerte Zwischenfälle.
Es geht immer direkt von zuhause los, nix mit Anhänger. Auch mit zwei Personen, Koffer und Seesack als Gepäckrolle. Bis heute hat die rote XJ 650 so 220.000 Kilometer abgespult. Immer noch der erste Motor!
Okay, es gab mal eine komplette Revision mit neuen Kolben, Ringen, Primärkette, Steuerkette, Ventile geschliffen und vielen Kleinigkeiten, die erledigt werden müssen. Aber das darf auch bei der Laufleistung!
Trotz diverser anderer Motorräder, man möchte ja auch mal etwas neueres und auch mehr Power, wird die rote XJ deshalb nie verkauft.
2015 wollten wir ins Frühjahr starten, aber die Rote sagt keinen Pieps. Diagnose: CDI-Einheit defekt. Hmm … Ich habe doch noch einen Kumpel, der hat auch eine XJ 650 in der Garage und die steht doch schon einige Jahre herum …
Also Kontakt aufgenommen und schwupp, das Ersatzteillager abgeholt. CDI-Einheit umgebaut und ab gings!
Im folgenden Winter guckte ich mir den Rest an und ich denke: „Die Substanz ist doch gar nicht so schlecht …“ Die Idee vom Aufbau eines Café-Racers ist geboren.
Das Rahmenheck musste kürzer und das Rahmendreieck sollte möglichst frei sein. Also Flex raus und das Schweißgerät schon mal auf Stand-by.
Die Unterkonstruktion der Sitzbank beinhaltet nun die Batterie und die Elektrik. Alles Eigenbau, ebenso die Auspuffhalterungen, Schutzblech vorn, etc. Der TÜV hatte keine Einwände, es gab sogar Lob für manche Detaillösungen. Was will ich mehr. Es entstand eine silberne XJ 650 in der Optik Alu-Tank und Alu-Höcker. Das ist der Gewinn von silber-matt.
Was passt in der Rahmen der XJ-Type 4KO, um mehr Power zu haben? Genau, der Motor der XJ 900 Typ 58 L.
Mein Arbeitskollege sagte: „Mein Nachbar, der hat noch eine im Schuppen.“ Eckdaten: Aus erster Hand, Baujahr 1985, 38.000 Kilometer gelaufen, 23 Jahre stillgelegt. In meinen Träumen sah ich den Chrom in der Sonne blitzen …
Wir vereinbarten einen Besichtigungstermin und mich traf der Schlag, als ich vor dem Motorrad stand. Das war keine Patina, das war ein Trümmerhaufen. Wir wurden uns aber trotzdem einig, ich nahm den Klumpen mit.
Der Umbau des Motors war aufgrund des schlechten Zustandes keine Option mehr. Da wusste ich noch nicht … Einen Monat später geht es mit der Corona-Pandemie los. Also mehr Zeit für einen kompletten Neuaufbau der 900er.
Fast 6 Monate vergehen, um das Motorrad zu zerlegen und die Teile von der Korrosion zu befreien. Dann endlich der Zeitpunkt mal neue, saubere Teile in die Hand nehmen zu dürfen. Die Erfahrungen vom Erstlingswerk machten mir den Aufbau der 900er leichter.
Rahmenheck und Unterkonstruktion sind wieder Eigenbau. Die Lampe einer XJ 650 wird aufgeschnitten und modifiziert, um die Elektrik aufnehmen zu können. Tacho und Drehzahlmesser müssen zur schlanken Linie passen, ebenso das Rücklicht.
Ich besorgte mir eine korrosionsfreie Krümmeranlage mit Sammler. Aus dem Zubehörhandel bestellte ich mir zwei wunderschöne, verchromte Auspufftüten. Nagelneu! Ohne zu wissen, ob die jemals passen werden.
Sportluftfilter sind Café-Racer-Standard. Viele Kleinigkeiten sind notwendig. Der Teufel steckt oftmals im Detail.
Die neuen Instrumente müssen auf die alten Stecker, wer braucht eine Uhr und Benzinuhr an einem solchen Motorrad? Der Ballast, alles weg. Und da ist es auch gut Freunde zu haben, die weiterhelfen können, wenn man selber mit seinem Latein am Ende ist!
Also ab zum TÜV, dieser ist bestens zufrieden. Neuabnahme mit Phon-Messung. Alles wird eingetragen. Der KFZ-Schein ist jetzt zweiseitig. Bei der Farbe habe ich mich für ein Metallic-Blau entschieden. Die 900er sollte sich auf jeden Fall farblich von den beiden 650ern unterscheiden.
Die Silberne hat übrigens ihr kleines Motor-Update bekommen. Eine Umrüstung von 50 PS auf die 71 PS Version. Also andere Nockenwellen, Ansaugstutzen mit vollem Durchlass und geänderte Vergaserbedüsung. Das ist eigentlich recht schnell gemacht und die 21 Mehr-PS bieten deutlich mehr Fahrspaß. Wieder ab zum TÜV, eintragen lassen und keiner kann einem einen Stein in den Weg legen.
Wer die Wahl hat, hat die Qual. Mit welcher startet man nun zur Tour?
Das ist immer noch etwas zweckabhängig: Rot = kann alles, auch mit großem Gepäck; Silber = solotauglich, kleines Gepäck; Blau = soziatauglich, kleines Gepäck.
Auf jeden Fall ist die Garage voll und nichts Neues geplant. Mal sehen, ob ich das durchhalte. Unverhofft kommt bekanntlich oft …
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