Yamaha WR250R ActionYamaha hat mit der WR250R ein echt spaßiges Spielmobil im Programm. Trotzdem sollte man sie vor dem Kauf mal Probefahren, denn nicht auf jedes Nutzerprofil passt sie ungesehen, wie Jogi (nach dem Kauf) feststellen durfte …

aus Kradblatt 8/16
Text: Jogi / penta-media.de
Fotos: Jörg van Senden, Robert Pairan, Carsten Scheibe, www.yamaha-motor.euwww.dumke-luett.de

 

Yamaha WR250R, Modell 2016

Yamaha WR250RSeit Anfang des Jahres haben wir mit verschieden Fahrern die kleine Dual-Purpose-Enduro von Yamaha über 2.000 km bewegt und unsere Erfahrungen mit ihr zusammengetragen. Sie war auf Straßen und Feldwegen rund um Hamburg unterwegs, hat in der französischen Provence Bergpässe überquert, sich Serpentinen hinunter geschlängelt und auf Korsika offroad pur über sich ergehen lassen müssen. Dabei hat sie auch einige Male auf der Seite gelegen. Das sollten Enduros abkönnen. Einige Teile mussten wir trotzdem ersetzen. Kurz: „Wir haben sie ziemlich hart rangenommen, sie uns dafür allerdings auch“. Zeit ein kleines Resümee zu ziehen.

Optisch sieht die WR250R aus, wie man sich eine klassische Enduro vorstellt. Schlicht und einfach, ohne überflüssigen Schnick-Schnack. Einzig das LED-Rücklicht und der Nummernschildhalter wirken etwas wie Raumschiff Enterprise. Da sie sehr hochbeinig daherkommt, hielte sie kaum jemand für eine 250er, wenn man die Beschriftung entfernen würde.

Yamaha WR250R WasserdurchfahrtIhre Sitzhöhe von 930 mm lässt sie nicht nur groß erscheinen, in der Tat ist sie es auch. Um mit den Füßen noch Bodenkontakt bekommen zu können sollte man schon etwas länger als 1,80 Meter sein. Die Bodenfreiheit beträgt ordentliche 300 Millimeter. Die Federwege vorne und hinten von jeweils 270 Millimeter verraten, dass sie damit gut für Geländeritte gewappnet ist.

Einmal in Bewegung fährt sie sich spielerisch, fast wie ein Mountain-Bike. Das liegt nicht nur an ihrem geringen Gewicht von nur 134 kg, sondern dazu trägt auch der äußerst potente Viertakt-Vier-Ventil DOHC Motor bei, der für einen Eintopf trotzdem relativ zivilisiert zu Werke geht. Die Flüssigkeitskühlung hält ihn nicht nur temperaturstabil, sondern dämpft auch die Geräuschentwicklung. Passend dazu ist auch der Auspuff keine Krawalltüte. Man kann den ganzen Tag mit der Enduro wandern, ohne dass der Schallpegel dabei nervt oder jeder Förster sofort aufmerksam wird. Mit 31 PS bei 10.000 U/min und einem maximalen Drehmoment von 23,7 Nm bei 8.000 U/min, ist die WR250R knapp 8 PS kräftiger ausgestattet als die Konkurrenz. Der Zylinder ist keramisch beschichtet, der Kolben aus geschmiedetem Aluminium. Die Motorleistung reicht locker für 130 km/h Spitze. Trotzdem verbraucht sie nicht mehr als andere 250er, nämlich um die 3,5 Liter auf 100 km. Mit dem Tankinhalt von 7,6 Litern sind immer Distanzen von 200 km möglich gewesen, egal wie sehr wir auch am Hahn gedreht haben. Soweit ist alles prima.

Yamaha WR250R Flott auf der LandstrasseKommen wir nun zu einer Sache, die uns weniger gefällt und der man vor dem Kauf durchaus mehr Beachtung schenken sollte.

Eigentlich gibt der Yamaha-Prospekt ja schon die Richtung vor: „Die WR250R ist der ultimative Freizeit-Sportler. In ihr steckt unser ganzes Know-how. Und die Erfahrung von zahllosen internationalen Siegen. Und nicht zu vergessen: Auch in ihr lebt der kompromisslose Geist der supersportlichen Yamaha R-Serie. Der leichte und starke Offroader ist das ideale Sportgerät, um Ihr Fahrkönnen weiter zu entwickeln, denn die WR liefert eine überdurchschnittliche Rückmeldung auf losem Untergrund.“ Das erfreut ganz sicher den sportbegeisterten Enduristen, kauft man sich aber als weniger ambitionierter Endurowanderer die WR, ohne sich vorher darüber im Klaren zu sein, kann das zu Stress führen.

Yamaha WR250R Spartanische Instrumente ohne DrehzalmesserDie WR250R hängt sehr spontan am Gas und setzt Befehle entsprechend direkt um. Auf das plötzliche Anziehen des Motors nicht gefasst, hat es mich im Gelände auf einer Bergabwärts-Strecke z.B. zu einer Bremsung veranlasst, die mich recht unsanft absteigen ließ. Klar, es war ein Fahrfehler und mit mehr Praxis vermeidbar, aber eigentlich möchte ich gar kein „ultimativer Freizeit-Sportler“ werden.

Mit anderen Worten: konzentriert sportlich bewegt, sorgt der Hüpfer für viel gute Laune, zum offroadigen Bummeln, Endurowandern und Landschaft-Gucken eignen sich die kleinen Enduros von Honda, Kawasaki oder die Beta Alp für mich besser. Und mit denen kommt man auch durch recht unwegsames Gelände – wenn auch nicht so schnell wie mit der Yamaha WR250R. Wer es noch sportlicher mag, greift zur wettbewerbstauglichen Yamaha WR250F.

Zurück zur Sonnenseite: Über jede Kritik erhaben zeigt sich das Sechsgang-Getriebe der WR250R. Die Neu­tralstellung ist immer leicht zu finden. Die Gänge lassen sich leise, weich und präzise durchschalten. Besser geht es nicht.

Yamaha WR250R ActionWie alle Dual-Purpose-Maschinen ist auch diese Yamaha ein Kompromiss in ihren On- und Offroad- Eigenschaften.

Ihr Fahrwerk zeigte im Gelände keine besonderen Schwächen. Gefühlt etwas mehr Dämpfung täte der werksseitigen Grundeinstellung gut. Es neigt mit der Standardeinstellung der Federelemente etwas zum „Hüpfen“. „Der Bodenkontakt könnte etwas satter sein“, merkte auch Kollege und Off­road-Experte Robert Pairan nach einer Testrunde an. Das Fahrwerk arbeitet jedoch deutlich über dem Klassendurchschnitt. Die 46 mm Upside-down Gabel zeigte sich in jeder Situation souverän, absolut verwindungssteif und frei von Slipstick (Wikipedia sagt: Slipstick = Reibschwingung, bezeichnet das Ruckgleiten von gegeneinander bewegten Festkörpern. Bekannte Beispiele sind knarrende Türen, ratternde Scheibenwischer).

Auch auf Asphalt gibt es wenig zu bemängeln. Erst ab Geschwindigkeiten über 100 km/h beginnt die Yamaha leichte Unruhe im Fahrwerk zu zeigen. Das kann man ihr verzeihen, denn dafür ist sie auch nicht gedacht. Die vorhandene Motorleistung soll sie zu flotter Beschleunigung und Anzug befähigen, nicht zu Höchstgeschwindigkeiten.

Yamaha WR250R Leichte KampfspurenSpannender ist der Kompromiss, der mit der Mischbereifung eingegangen wurde, die auf das 21 Zoll Vorderrad und das 18 Zoll Hinterrad gezogen wurde. Die Breite der Reifen beträgt vorne 80 mm und hinten 120 mm. Die Bridgestone TW-302 machten sich auf Straßen und Feldwegen recht gut. Wir konnten die WR flott in die Kurven legen, ohne uns dabei Gedanken um die Haftung machen zu müssen.

Die Bremseigenschaften hingegen bedurften einem aufmerksam vorausschauenden Fahrstil. Ausgestattet mit einer 250 mm Scheibe vorne und einer 230 mm Scheibe hinten verzögert die Nissin-Bremsanlage der Yamaha besser, als die Reifen es zulassen. Da ist gefühlvolles Bremsen angesagt, denn ABS ist in dieser Fahrzeugklasse nicht vorgeschrieben und wird wohl auch in Zukunft nicht freiwillig angeboten werden. Man kann sich aber mit angemessenem Fahrstil gut darauf einrichten.

Yamaha WR250R stabiler KettenradschutzIm Gelände hingegen zeigte die Mischbereifung echte Schwächen. Auf trockenen Feldwegen ist noch alles ok. Wenn es dann aber in tieferem Sand oder Matsch zur Sache geht, mangelt es definitiv an Traktion. Ich bin an einer Steigung auf der Stelle stehend, nahezu in Zeitlupe zur Seite umgefallen, weil das Hinterrad durchdrehte und einfach keinen Vortrieb entwickeln konnte. Sogar dem erfahrenen Enduro-Vielfahrer Jochen Ehlers (www.Endurofuntours.com) erging es an der gleichen Steigung mit der WR250R ebenso. Dann hilft nur beherzt mehr Anlauf und Schwung zu nehmen.

Da die Yamaha ab Werk nicht mit Mantelklemmen ausgeliefert wird, ist es nicht ratsam durch Absenken des Luftdruckes unter 1,5 Bar den Grip erhöhen zu wollen. Ein Ventilabriss wäre die Folge. Bohrungen zur Nachrüstung der Klemmen sind bei den Felgen vorhanden.

Yamaha WR250R Endurobummeln geht bequemerWer mit der WR250R häufiger ins Gelände möchte, sollte ihr dafür eine richtige Offroad-Bereifung gönnen. Anders ist es nicht ratsam. Für 55 % Straße, 45 % Feldweg und leichtes Gelände ist der ab Werk aufgezogene Bridgestone-Kompromiss aber gut gewählt.

Die Yamaha WR250R kann einiges mehr als ihre Konkurrentinnen. Dafür verlangt sie allerdings auch etwas mehr von ihren Fahrern. Das gilt zumindest für die sportliche Motorcharakteristik, die Körpergröße des Piloten und auch seinen Geldbeutel. Mit 7.295 Euro zzgl. Überführung liegt ihr Preis rund 3.000 Euro höher als der ihrer japanischen Mitbewerberinnen Kawasaki KLX 250 oder Honda CRF 250 L. Mit Überführung und etwas Ausrüstung, wie Handprotektoren, Gepäckbrücke und Motorschutz erreicht man schnell die 8.000 Euro Marke. Auf dem Gebrauchtmarkt ist die WR250R nicht häufig zu finden und wenn doch, erzielt sie relativ hohe Preise. Man könnte sie schon fast als Wertanlage betrachten.