aus Kradblatt-Ausgabe 4/24
Text: Jens Riedel, Fotos: Yamaha, Arnau Puig, Autoren-Union Mobilität

Neue Version der „Dark side of Japan“

Die Lampenmaske erinnert an Marvels Iron Man
Die Lampenmaske erinnert an Marvels Iron Man

Sie ist die Mutter aller MTs. Mit ihr trat Yamaha 2013 eine Welle los, die sich mittlerweile von 125 Kubik bis zur Ein-Liter-Maschine erstreckt. 2024 ist nun Zeit für die vierte Auflage der MT-09, von der im Schnitt europaweit pro Jahr gut 10.000 Stück verkauft werden. 

Im Attacke-Modus geht es richtig voran
Im Attacke-Modus geht es richtig voran

Gleich vorweg: Zwar wurde bei der Yamaha MT-09 MY24 noch ein wenig innermotorisch gefeilt, aber nach dem Update vor drei Jahren bleibt es bei den allemal ausreichenden 119 PS Leistung und ordentlichen 93 Newtonmetern Drehmoment. Aber an fast allen anderen Stellschrauben hat Yamaha – teils kräftig – gedreht und der MT-09 auch noch einige technische Zusatzfunktionen spendiert.

Der CP3 genannte Dreizylinder war bekanntermaßen von Anbeginn ein gelungener Wurf. Seine Qualitäten können sich durch die zahlreichen Änderungen am Rest der MT-09 nun noch besser entfalten. 

Da ist zunächst einmal die Ergonomie. Die Fahrerfußrasten wandern drei Zentimeter weiter nach hinten und ein kleines Stück weiter nach oben. Die Handgriffe liegen gleich dreieinhalb Zentimeter tiefer, und der Lenker rückt ebenfalls ein kleines Stück weiter Richtung Heck. Dazu kommt ein drei Zentimeter flacherer und sechs Zentimeter breiterer Tank mit nachgeschärften Knietaschen (und unverändert 14 Litern Volumen). Es geht also wieder klarer Richtung Vorderrad nach der eher etwas komfortorientierteren Vorgängergeneration. 

Die MT-09 mach aber auch normal bewegt viel Spaß
Die MT-09 mach aber auch normal bewegt viel Spaß

Das heißt nicht, dass es hier spitz zur Sache geht. Die Sitzposition ist nach wie vor relativ entspannt. Die einteilige Sitzbank ist verschwunden, um dem Fahrer ein eigenes Polster zu gönnen, das zwar etwas schmaler geworden ist, aber dafür auch ein wenig länger. So kann der Körper bei Bedarf ein bisschen nach vorne oder hinten rutschen. Auch wenn alles wieder ein wenig sportlicher orientiert ist, hat Yamaha den Komfort im Blick behalten. 

Die Gasannahme wurde sanfter abgestimmt, um vor allem das Fahrgefühl bei niedrigen Geschwindigkeiten zu verbessern. Positiver Nebeneffekt: Der einst von vielen fast schon als zu giftig empfundene Sport-Modus empfiehlt sich nun viel häufiger als optimale Wahl. Apropos Wahl: Neben Rain und Street gibt es nun auch zwei individuell konfigurierbare Custom-Einstellungen. Gemanagt werden die Modi über das neue und größere konnektivitätsfähige 5-Zoll-TFT-Display mit vier wählbaren Grafiken. 

Neu: der Joystick fürs TFT
Neu: der Joystick fürs TFT

Der Fahrer kann sein Smartphone während der Fahrt über die kostenlose MyRide App mit dem Motorrad verbinden. Neben der Anzeige von Anrufen und Nachrichten auf dem TFT-Display besteht die Möglichkeit, über ein Bluetooth-Headset Anrufe entgegenzunehmen und Musik zu hören. Zudem kann man über das Smartphone das kostenlose Garmin StreetCross-Navigationssystem nutzen, das dann auf dem 5 Zoll-TFT angezeigt wird. Fahrer können das Display noch weiter personalisieren, indem sie über die MyRide App mit der Datentransferfunktion Bilder von ihrem Smartphone senden. Externe Geräte können über die neue USB-Typ-C-Buchse unter dem Sitz mit Strom versorgt werden.

Die Bedienung erfolgt über einen ebenfalls neuen Fünf-Wege-Joystick mit separatem Homebutton und ist schnell verinnerlicht. Gleich darunter liegt der neue Blinkerschalter, bei dem die linke Seite flach und die rechte Seite sich dem Daumen entgegenwölbt. Zudem gibt es die aus dem Auto bekannte Komfortblinkfunktion sowie eine automatische Blinkerabschaltung, die allerdings gerne nicht ganz so lange auf sich warten lassen könnte. Oft juckt es den Daumen schon, wenn die Technik noch gar nicht so weit ist. Ein Tempomat ist jetzt ebenfalls serienmäßig an Bord. Das vergrößerte Sichtfeld der Rückspiegel ist ein weiterer angenehmer Nebeneffekt der umfangreichen Modellpflege, die die MT-09 übrigens nur 300 Euro teurer macht. 

5-Zoll Farb-TFT mit Connectivity
5-Zoll Farb-TFT mit Connectivity

Gänzlich neu ist die Frontmaske. Abblend- und Fernlicht sind in zwei horizontal ausgerichteten Zwillingsprojektionslampen beheimatet, die schmalen seitlichen Positionslampen drücken die Front optisch nach unten. Der Anblick darf sich auch weiterhin im Marvel- oder DC-Universum zuhause fühlen. 

Weitere Veränderungen sind unter anderem ein etwas geringerer Nachlaufwinkel, stärkere Motorhalterungen für mehr Stabilität, die höhere Federrate an der Gabel und der neue Bremszylinder. Die Zangen packen nicht bissig zu, wie man es vielleicht bei einem Motorrad dieser Kategorie erwarten könnte, sondern ausgesprochen sanft, aber ebenso verlässlich. Der hintere Stopper gefällt dabei durch sein frühes Ansprechverhalten, die kleine Fahrkorrekturen zum Kinderspiel macht. Dazu gesellt sich ein neuer „Back Slip Regulator“, der das Drehmoment etwas bändigt, falls das Hinterrad bei übermäßiger Motorbremse zu blockierten droht. 

Die Präsentation der MT-09 fand auf Lanzarote statt
Die Präsentation der MT-09 fand auf Lanzarote statt

Alle Maßnahmen machen aus einem guten Motorrad ein besseres. Die 2024er MT-09 hat spürbar an Präzision gewonnen und vermittelt auf Anhieb ein absolut sicheres Gefühl. Alle Maßnahmen fügen sich zu einer Gesamtkomposition zusammen, die auf Anhieb passt. Man fühlt sich sofort vertraut mit der Maschine und vor allem sicher. Dazu tragen auch die neuen Bridgestone Battlax Hypersport S23 bei, auf die Yamaha umgestiegen ist und die vor allem bei Nässe mehr leisten. 

Der Triple setzt nach wie vor seine Duftmarke. Die Yamaha fährt sich viel munterer als die 119 PS vermuten lassen. Wenn man es nicht besser wüsste, würde man der MT-09 gut und gerne 20, 30 PS mehr unterstellen. Der Motor läuft bereits knapp unter 2000 Umdrehungen in der Minute ruckfrei und wirkt oberhalb von 6000 Touren beinahe schon entfesselt – ohne den Fahrer zu überfordern, der nie den Eindruck hat, die Kontrolle zu verlieren. 

Yamaha MT-09 Modelljahr 2024Gleichwohl bleibt die MT-09 ein Motorrad, das fahraktiv bewegt werden will. Sie sperrt sich nirgends, will aber dennoch bewusst geführt werden. Den Umgang erleichtert nun auch ein Quickshifter, der bereits ab 15 km/h genutzt werden kann und die Quadratur des Kreises beherrscht: Man kann auch beim Gaswegnehmen hoch- und beim Beschleunigen runterschalten. Letzteres ist in höheren Drehzahlregionen allerdings etwas mit Vorsicht zu genießen, wenn es keinen allzu großen Ruck geben soll. 

Auch in Sachen Sound hat sich Yamaha etwas einfallen lassen. Der Dreizylinder ist für die Umwelt akustisch sozialverträglich unterwegs, am mitteltönigen Brüllen darf sich der Fahrer dennoch erfreuen. Die Ingenieure haben über der von drei auf zwei Einlässe umgestellten Airbox zwei „Akustikgitter“ im Tankcover platziert. Sie geben das Ansauggeräusch des Motors explizit an den Fahrer– und nur an ihn – weiter. 

Es ist die Summe der Eigenschaften und die Summe, die der Handel aufruft, mit der Yamaha ein Paket geschnürt hat, das in dieser Form und Preisklasse wohl konkurrenzlos dasteht. (cen)