aus Kradblatt 7/17
Text: Jens Riedel, Fotos: Yamaha, Riedel

Die dunkle Seite legt nach …

2014 ging erst ein Raunen, dann ein Staunen durch den Blätterwald der Szene: Yamaha hatte die einst mäßig erfolgreichen beiden Buchstaben M und T wiederbelebt und präsentierte mit der 09 ein neues Motorrad, das auf Anhieb die Fachpresse begeisterte. Vor allem der spritzig bis giftige Dreizylinder riss die Motorradjournalisten landauf, landab mit. Nach Platz vier und fünf in der Zulassungsstatistik ist es in diesem Jahr etwas ruhiger um die MT-09 geworden (während die kleinere Schwester MT-07 aber in den Top Five mitspielt). Technisch verfeinert und optisch nachgeschärft rollt die Yamaha nun in ihr viertes Modelljahr.

Anlass zur Sorge geben die im vergangenen Jahr um gut die Hälfte geschrumpften Verkaufszahlen der MT-09 Yamaha aber nicht. War das Unternehmen mit den gekreuzten Stimmgabeln 2013 noch Schlusslicht unter den vier großen japanischen Herstellern, hat man sich mittlerweile am eigenen Schopf auf den Spitzenplatz gezogen – und mit der kleineren MT-07 im vergangenen Jahr Platz zwei hinter dem Dauerbrenner BMW R 1200 GS erobert. Dennoch, als Urahnin der inzwischen auf vier weitere Kernmodelle (MT-07, MT-03, MT-125 und MT-10) und reisefreundliche Derivate (Tracer) angewachsenen Modellfamilie darf sich die 900er nun einer Frischzellenkur erfreuen, die recht umfangreich ausfiel.

Um es gleich vorwegzunehmen: Optisch hat die MT-09 nochmals deutlich zugelegt und ist stellenweise kaum wiederzuerkennen. Prägnanteste Änderung ist das neue „Vier Augen“-Gesicht, bei dem der Doppelscheinwerfer der größeren Schwester MT-10 Pate gestanden hat. Richtig böse blickt die Yamaha da mit ihren LEDs in die Welt und wird ihrem Marketingslogan („The Dark Side of Japan“) nun nochmals gerechter und als „Die Augen der Dunkelheit“ treffend beworben. Durch Kühler- und größere Luftleitblenden am Tank ist sie in der Frontalansicht breiter geworden. Die Blinker wanderten analog zur 1000er gleich zwei Etagen tiefer neben den Kühler. Dazu passt auch die neue Position des Cockpits bestens. Es rutscht näher an den Scheinwerfer heran. Geblieben sind leider die sich dicht an den oberen Rand des Displays quetschenden Ziffern des Drehzahlmessers. Hier hätte eine etwas größere Schrift gutgetan. Außerdem zählt die Yamaha zu den Motorrädern, bei denen die Schalter für Hupe und Blinker etwas zu dicht beieinander liegen und die Rückspiegelarme zu kurz ausfallen. Zumindest bei letzterem kann aber der Zubehörhandel helfen.

Ebenfalls neu ist der Auftritt am hinteren Ende mit dem um ganze drei Zentimeter gekürzten Rahmen, der der Yamaha eine nochmals kompaktere und auf den Motor zentrierte Statur verleiht: Hier sticht der sich linksseitig emporstreckende Kennzeichenträger aus Aluminium ins Auge. Das gefiel bei der Pressepräsentation auf Mallorca nicht jedem Kollegen, mir aber schon! In der Seitenansicht scheint die MT-09 förmlich mit der Hinterradschwinge zum Sprung anzusetzen und sich nach vorne katapultieren zu wollen.

Natürlich wurden auch die Rückleuchten auf LED umgestellt. Sie präsentieren sich außerdem von oben betrachtet als „M“. Wem die neue Version der Nummernschildplatte nicht gefällt, der kann im Originalzubörprogramm auch den klassischen Kennzeichenträger ordern.

All diese optischen Feinheiten stellen den Charakter als „Hyper Naked Bike“ noch einmal viel besser zur Schau. Insbesondere in der (auch vorher schon erhältlichen) grauen Lackierung „Night Fluo“ mit neon-gelben Felgen macht die MT-09 eine hervorragende Figur und lockt den Betrachter schon im Stand zu mindestens einer Probefahrt an.

Den Endschalldämpfer hat Yamaha ebenfalls angepasst. Im Sinne stärkerer Komprimiertheit fällt die Oberfläche flacher aus und auch die Endkappe wurde überarbeitet.

Weniger auffällig sind andere Modifikationen. Für Fahrwerkfans ist da die jetzt endlich voll einstellbare Upside-­down-Gabel mit Federvorspannungsverstellung: Am linken Holm kann die Druck- und am rechten die Zugstufe eingestellt werden. Zudem wurde das hintere Monofederbein neu abgestimmt. Eine weitere zeitgemäße Zutat ist der Einzug der dreistufigen Traktionskontrolle (inklusive Off-Modus). Verborgen bleiben dem äußeren Betrachter auch die um ein Fünftel reduzierten Kupplungskräfte, der Quickshifter fürs Hoch- und die von der YZF-R1 übernommene Anti-Hopping-Kupplung für beherzteres und damit entspannteres Runterschalten. Es darf also unbekümmerter als bisher am Quirl gedreht werden. All das sorgt für noch ein Quäntchen mehr Fahrspaß mit der „dunklen Seite Japans“. So etwas nennt man zeitgemäße Modellpflege. Unterm Strich gibt es mehr Komfort bei nach wie vor bestechender Performance.

Und da man schon einmal dabei war, hat man auch gleich noch Hand an die Sitzbank gelegt. Sie wuchs zwar um fünf Millimeter in die Höhe, ist aber für einen besseren Stand vorne etwas taillierter geschnitten. Der Knieschluss ist noch eine Spur besser, gab auch schon bei der Vorgängerin keinerlei Anlass zur Klage. Das Polster ist lang genug, um sich verschieden zu positionieren. Dabei kann der Fahrer – so er denn möchte – bei Bedarf auch problemlos bis auf den Soziusplatz hochrutschen. Auch wenn die meisten MT-Reiter alleine galoppieren dürften, darf sich der gelegentliche Mitfahrer trotz des gekürzten Hecks über fast anderthalb Zentimeter mehr Platz auf dem Sattel freuen.

Auch wenn in manchen Ohren die 115 PS für eine (fast) 900er heutzutage schon bescheiden klingen mögen, so begeisterte die Performance des Triples die Fachmedien von Anfang an. Zumindest hier ließen die (Fort-)Entwickler aus Hamamatsu alles beim Alten. Alles beim Alten? Nicht ganz. Denn bei aller Euphorie hatte es schon immer einen Kritikpunkt gegeben: die dynamische A-Stellung der drei verschiedenen Fahrmodi. Sie war vielen – auch gestandenen – Bikern eine Spur zu bissig bei der Gasannahme. Hier will Yamaha die Stellschraube ein Stück zurückgedreht haben. Wirklich merken werden das aber wohl nur absolute MT-Kenner. Dort werden die Gasstöße nach wie vor zu einem Stakkato. So sind sich auch nach der Neuauflage viele Kollegen weiterhin einig: A musste schon vorher nicht sein und muss es auch jetzt nicht. Die Hardcore-Fraktion darf aber weiterhin jauchzen.

Bereits im Standard-Modus nimmt der Dreizylinder spontan Gas an und setzt dies in mehr als genug Schub um. Der Motor pfeift und bellt, dass es eine wahre Freude ist. Die Yamaha weiß auch in der Grundeinstellung, dank ihres superben Triples, auf ganzer Linie ihrer 115 PS und 193 Kilo fahrbereitem Leergewicht zu überzeugen. Mehr braucht es wirklich nicht. Selbst im etwas zahmeren „B“-Betrieb mit seiner softeren Gasannahme für trübere, feuchte Tage bereitet der japanische Dreizylinder noch Fahrspaß pur. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Herstellern wird hier nicht auch gleich noch die Leistung gekappt sondern nur die Empfindlichkeit der Ride-by-Wire-­Einstellung dem gewünschten Effekt angepasst.

MT – das hat sich mittlerweile wohl überall herumgesprochen – steht für „Master of Torque“. Genau das zeichnet die Yamaha auch aus. Selbst wenn im Kurvenausgang ein, zwei Gänge zu weit oben anliegen, ziehen die bis zu fast 85 Newtonmeter die Fuhre schon ab 1800 Umdrehungen in der Minute aus dem Drehzahlkeller wieder heraus. Obwohl der 847-Kubik-Motor durch lineare Leistungsentfaltung glänzt, ist zu spüren, dass er ab 6500 Touren noch einmal etwas zusätzlichen Dampf aus dem Kessel holt – um dann ab 8000 Umdrehungen förmlich entfesselt bis in den roten Bereich zu schießen. Ihren Drehmomentgipfel erreicht die MT-09 bei 8500 Touren, die Spitzenleistung liegt 1500 Umdrehungen später an.

Die letzten Einstellungen des Fahrmodus und der Traktionskontrolle werden für den Neustart gespeichert, es sei denn, das TCS war am Ende der letzten Fahrt abgeschaltet. Dann wird sie zur Sicherheit automatisch wieder aktiviert. In Stufe 1 lässt die Regelung deutliches Spiel zu, beruhigt nach dem Adrenalinstoß aber schnell wieder.

Absolutes Lob verdient die sehr fein dosierbare Hinterradbremse, mit der sich kleinere Kurs- oder leichtere Geschwindigkeitskorrekturen völlig unaufgeregt bewerkstelligen lassen.

Am Ende steht auch bei der Neuauflage eines Meilensteins in der Yamaha-Histore fest: Dunkle Seiten können hellauf begeistern – bei der MT-09 vorher schon und jetzt noch einmal ein ganzes Stück mehr.

Mit über 50 Zubehörteilen lässt sich der Feger aus Japan ergänzend noch individueller gestalten. Von der Optik über den Sound, den Sitzkomfort, die Reisetauglichkeit bis zum Fahrwerk ist alles dabei und kann direkt beim Yamaha-Vertragshändler mitgeordert werden.

Los geht der MT-09 Spaß bei 8.995 Euro zzgl. Nebenkosten – eine Probefahrt zum Anfixen gibt es (i.d.R.) gratis beim nächstegelegenen Yamaha-Vertragshändler.

 

Technische Daten Yamaha MT-09

  • Motortyp: 3-Zylinder, Flüssigkeits­gekühlt, 4-Takt, DOHC, 4 Ventile
  • Hubraum: 847 ccm, Bohrung x Hub 78 mm x 59,1 mm
  • Leistung: 84,6 kW (115 PS) bei 10.000/min
  • Drehmoment: 87,5 Nm bei 8.500/min
  • Getriebe: sequentiell, 6-Gang
  • Federweg vorn: 137 mm
  • Federweg hinten: 130 mm
  • Bremse vorn: 2 Scheiben, Ø 298 mm
  • Bremse hinten: 1 Scheibe, Ø 245 mm
  • Reifen vorn: 120/70ZR17M/C (58W) (Tubeless)
  • Reifen hinten: 180/55ZR17M/C (73W) (Tubeless)
  • Gesamtlänge: 2.075 mm
  • Sitzhöhe: 820 mm
  • Radstand: 1.440 mm
  • Gewicht: fahrfertig, vollgetankt: 193 kg
  • Kraftstoffverbrauch: 5,5 l/100 km
  • Tankinhalt: 14 Liter