Yamaha is back – nach der tollen MT-09 kommt nun die ebenfalls

aus Kradblatt 5/14
von Klaus Herder

 

Yamaha MT-07Vor gut einem Jahr dümpelte Yamaha noch im absoluten Niemandsland der Zulassungshitparade. Alle anderen Japaner waren erfolgreicher, selbst KTM verkaufte in Deutschland mehr Motorräder. Die traditionsreiche Marke, die zu besten Zeiten mit Honda um Platz eins der Motorradwelt gerungen hatte, war nur noch ein einziges Trauerspiel. Eine lustlose Modellpolitik, ein in Schreckstarre verharrender Importeur und mächtig frustrierte Händler – das war Yamaha noch vor Jahresfrist. Was damals wohl die wenigsten ahnten oder hofften: Der schwer angeschlagene Krieger hatte doch noch ein paar neue Pfeile im Köcher – und die holte er im Herbst 2013 endlich heraus: Die famose MT-09 überzeugte Fachwelt und – was noch sehr viel wichtiger war – die Kundschaft auf Anhieb. Endlich gab es von Yamaha wieder ein bezahlbares Spaßgerät mit ganz eigenem Charakter. Endlich hechelte man nicht mehr längst abgefahrenen Zügen (Stichwort „Reise-Enduro“) hinterher, sondern setzte selber Trends. Der tolle Dreizylinder ging weg wie warme Semmeln und war innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Wann gab es das zuletzt bei Yamaha?

Yamaha MT-07Der Kradblatt-Fahrbericht der Dezember-Ausgabe endete mit den Worten „…wenn die Japaner mit neuen Modellen so weitermachen, wie sie mit der MT-09 begonnen haben, muss uns um diese tolle Marke nicht bange sein. Bitte mehr davon!“ Yamaha hat sich nicht lange bitten lassen und legt nun mit der zweizylindrigen MT-07 kräftig nach, um die Mittelklasse so richtig aufzumischen. MT steht für „Masters of Torque“, also die „Meister des Drehmoments“. Und die sind laut Pressemappen-Lyrik „inspiriert vom Nachtleben japanischer Großstädte, wo mit allen Konventionen gebrochen wird“. Offensichtlich braucht so ein Großstadt-Nachtleben etwas Zeit, um in Wallung zu kommen, denn die ersten Vertreterinnen der schwer inspirierten MT-Reihe waren verkaufsmäßig alles andere als Überflieger. Die 2005 präsentierte und 2012 zum letzten Mal im deutschen Yamaha-Programm zu findende Vauzwo-Wuchtbrumme MT-01 und auch die einzylindrige MT-03, offiziell auch nicht mehr neu zu bekommen, waren ohne Frage charakter- und im Falle der MT-01 auch ziemlich drehmomentstarke Motorräder – doch sie waren schlicht und einfach viel zu teuer.

Yamaha MT-07Diesen Vorwurf wird sich die MT-07 garantiert nicht anhören müssen, denn mit 5495 Euro ist sie ein echtes Schnäppchen. ABS kostet zwar 500 Euro extra, aber mit dann 5995 Euro liegt die MT-07 immer noch 500 Euro unter dem Tarif für eine Kawasaki ER-6n, der mit Sicherheit wichtigsten Konkurrentin, und ziemlich genau auf dem Niveau des Super-Sonder-Schnäppchenpreises („Best Price“), den Suzuki momentan für die Gladius aufruft. Honda kann mit der 5990 Euro günstigen NC 750 S preis- und auch hubraummäßig gegen die MT-07 anstinken, liefert aber nur 55 statt 75 PS – und vom unterschiedlichen Design wollen wir an dieser Stelle lieber gar nicht schreiben.

Oder vielleicht doch, denn Yamaha kann bei der MT-07 nicht nur richtig günstig, sondern auch richtig hübsch. Zugegeben: Schönheit liegt immer im Auge des Betrachters, aber mit ihrem schlanken Äußeren, dem knackigen Zwei-in-eins-Edelstahl-Auspuff, dem LED-Rücklicht und Multireflektor-Scheinwerfer sowie der asymmetrisch geformten Schwinge und den von der MT-09 stammenden Rädern samt fetter 180er-Hinterradpelle und Wave-Bremsscheiben macht die MT-07 auf Anhieb an. Und sie sieht vor allem ungemein leicht und handlich aus, was sich in der Praxis absolut bestätigt. Die mit 14 Litern betankte MT-07 wiegt gerade mal 181 Kilogramm, mit ABS sind es drei Kilo mehr. Die Konkurrenz bringt durchweg 20 bis 30 Kilo mehr auf die Waage – das sind in dieser Liga Welten. Besonders dann, wenn weniger Masse auf mehr Leistung und Drehmoment trifft. Konkret: Mit 75 PS bei 9000/min und maximal 68 Nm bei 6500/min hat die MT-07 auch hier fast immer die Nase vorn. Was nicht einer gewissen Pikanterie entbehrt, betont Yamaha doch ausdrücklich, dass „die MT-07 nicht nach den Vorgaben entwickelt wurde, zu den schnellsten, kräftigsten und leichtesten ihrer Klasse gehören zu müssen“.

Yamaha MT-07Das klingt ein wenig nach Koketterie, doch erfreulicherweise merkt man der MT-07 jederzeit an, dass es bei ihrer Entwicklung tatsächlich nicht vornehmlich um das Erzielen von Bestwerten ging. Ihr Motor ist nämlich genau das Gegenteil von einem auf Höchstleistung getrimmten und mit einem nur schmalen nutzbaren Drehzahlband antretenden Sensibelchen. Der mit 270 Grad Hubzapfenversatz bestückte und damit ein wenig nach 90-Grad-Vauzwo klingende 690-Kubik-Reihenzweizylinder ist ein echter Durchzieher, ein Stemmer, der auch mal eine eher schaltfaule Fahrweise verträgt. Bereits ab ­20­00­/min geht es ohne Ruckeln und Zuckeln ordentlich voran. Ab 3000/min fängt der Twin an, richtig munter zu werden, und zwischen 4000 und 9000 Umdrehungen ist immer und überall das ganz große Grinsen angesagt. Es dürfte dann zwar noch bis 10500 Touren weitergehen, doch das bringt nicht wirklich etwas. Zwischen 3000 und 6000/min stehen immer über 60 Nm zur Verfügung. Und die treffen auf eine perfekte Gasannahme und entfalten sich wunderbar linear. Spürbare Vibrationen gibt’s – wenn überhaupt – nur um 5000/min herum, und die gehören eindeutig (und von Yamaha bewusst so gewollt) zur Kategorie „Good Vibrations“. Die MT-07 zieht herrlich durch, sie kann aber auch mächtig sprinten. Tempo 100 ist aus dem Stand nach 3,8 Sekunden erreicht, und wer es partout wissen will erreicht nach gut 25 Sekunden knapp 210 km/h Spitze. Haben die Motor-Lobgesänge damit ein Ende? Nein, einen haben wir noch: Der tolle Twin ist auch noch ausgesprochen sparsam. Wer es gemütlich rollen lässt (auf diesem agilen Motorrad eine eher theoretische Möglichkeit), braucht deutlich weniger als vier Liter. Am anderen Ende der Gasgriff-Fahnenstange werden maximal gute fünf Liter abgefackelt, in der durchschnittlichen Landstraßenpraxis kommt man auf ziemlich genau vier Liter.

Yamaha MT-07Zum wunderbaren Motor gesellt sich ein ordentliches Fahrwerk mit einem Rückgrat-Rohrrahmen als Basis. Kurzer Radstand (1400 mm) und geringer Nachlauf (90 mm) bürgen für eine ausgeprägte Handlichkeit. Das etwas zu oft beschworene „fahrradmäßige Handling“ trifft die Sache in diesem Fall tatsächlich auf den Punkt. Die besagten Rahmen-Bedingungen, die geringe Masse und die gelungene Zentralisierung der Massen machen’s möglich. Kippelig ist die Fuhre dabei ganz und gar nicht, und daran dürfte die gelungene Unterbringung des Fahrers einen großen Anteil haben. Der sitzt nämlich sehr entspannt, also mit weitem Kniewinkel, sattem Knieschluss und einigermaßen aufrecht hinterm breiten Lenker und hat im wahrsten Sinne des Wortes alles gut im Griff. Fünffach verstellbarer Handbremshebel, leichtgängige Kupplung, bequem gepolsterter Fahrersitz – die MT-07 macht es ihrem Fahrer gemütlich, ohne ihn einzuschläfern – dafür sorgt schon der muntere Motor. Die Federelemente, bis auf die hintere Federbasis nicht verstellbar, gehören ebenfalls zur eher komfortablen Sorte, und ausgewiesene Angaser und Spätbremser mögen sich über eine etwas lasche Dämpfung und über mangelnde Bissigkeit der Vierkolben-Festsättel mokieren. Was am Thema vorbeigeht, denn für die angepeilte Zielgruppe – 25- bis 35-jähre Anfänger, Wiedereinsteiger und Fortgeschrittene – ist die Abstimmung durchaus gelungen. Denen dürfte das souveräne Flachbügeln fieser Landstraßenverwerfungen wichtiger sein als die letzte Konsequenz in Sachen Fahrstabilität im Grenzbereich. Und eine Bremse, die etwas kräftigeres Zupacken verträgt und dabei ordentlich dosierbar bleibt, ohne gleich giftig zu werden, dürfte dem Gelegenheits- und Genussfahrer ebenfalls lieber sein als ein Alles-oder-nichts-Rennstopper.

Yamaha MT-07Man muss schon verdammt lange suchen, um der in Schwarz, Weiß, Grau, Rot und Violett angebotenen MT-07 überhaupt etwas ankreiden zu können. Dass das Sechsgetriebe zwar recht ordentlich, aber nicht eben referenzverdächtig zu bedienen ist, ist kaum erwähnenswert. Der mickrige Spritzschutz des Hinterrades, der schlecht ablesbare Drehzahlmesser und das bei Nacht etwas blendende Display fallen schon eher darunter. Und dass der Soziusplatz nicht wirklich bequem ist und die Zuladung mit 174 Kilo eher unterdurchschnittlich ausfällt, darf auch erwähnt werden. Demgegenüber stehen eine durchweg sehr ordentliche Verarbeitung, helles Licht, sehr gute Erstbereifung (Michelin Pilot Road 3) sowie lange Wartungsintervalle (10000 Kilometer). Über allem steht aber der wunderbare Motor, der die MT-07 zu einem würdigen Mitglied der MT-Reihe macht. Es ist fantastisch, was Yamaha in den letzten Monaten an Neuheiten auf die Räder gestellt hat, aber es kann auf Dauer zu einem kleinen „Problem“ werden, denn wie will man das alles noch steigern? Nach den Erfahrungen der letzten Zeit bin ich mir aber sicher, dass sich die Yamaha-Verantwortlichen auch darüber schon Gedanken gemacht haben.