Alles – außer gewöhnlich!

aus Kradblatt 11/24 von Normen Fitzner

Hallo Biker und Freunde der außergewöhnlichen Technik. Ich möchte euch gerne mein Projekt vorstellen, den Umbau einer Yamaha GTS 1000.

Definitiv ein Hingucker: vorne und hinten Einarmschwingen
Definitiv ein Hingucker: vorne und hinten Einarmschwingen

Dieses Motorrad wurde von Yamaha gebaut in den Jahren 1993 bis 1997. Es war wohl damals ein Meilenstein in der Geschichte der Großserien-Motorräder aus dem Land der aufgehenden Sonne. Die Technik war in vielen Dingen ein absolutes Novum auf dem Markt. So zum Beispiel Einspritzanlage, ABS-Bremssystem, Katalysator und nicht zuletzt die Achsschenkellenkung. Ein sportlicher Tourer mit 100 PS und einem stabilen Fahrwerk.

Yamaha GTS 1000 im Originalzustand
Yamaha GTS 1000 im Originalzustand

Diese Eckdaten waren ausschlaggebend für mich, mir ein solches Motorrad auf dem Markt zu suchen und zu fahren. 

Schnell habe ich bemerkt, das mir das Bike zu schwer und träge war. Außerdem viel zu viel Kunststoff, der die besondere Technik versteckte. Also wurde der Entschluss gefasst: Das muss anders werden!

Zuerst mal damit in die Werkstatt auf die Hebebühne und vom lästigen Plastikkleid befreit, damit man sieht was die japanischen Ingenieure geleistet haben. Hier ist dann gut zu sehen wie die Achsschenkellenkung aufgebaut ist. Auch gut zu erkennen ist der, von Yamaha so genannte, Omega Rahmen. Ein neues, stabiles und verwindungssteifes Konzept.

GTS gestrippt, noch mit der originalen 2-Arm-Schwinge
GTS gestrippt, noch mit der originalen 2-Arm-Schwinge

Im Vorderrad greift eine 6 Kolben-Bremszange in eine 330er innenbelüftete Bremsscheibe. An der Vorderradschwinge ist bereits ein Wilbers-Federbein montiert, weil das originale Federelement sehr schwammig war. Außerdem war in diesem Stadium bereits eine andere Gabelbrücke mit Superbike-Lenker montiert.

Als technische Herausforderung sollte dann die hintere 2-Arm Schwinge durch eine Einarmschwinge ersetzt werden. Nach einiger Recherche und Suche, was sich am besten eignet, landete ich bei Teilen einer Honda VFR 800 RC46, Bj. 2001. Ich besorgte mir eine komplette Schwinge, mit Hinterrad, Bremszange und Federbein.

Der Heckrahmen wurde demontiert und sollte später durch einen Eigenbau ersetzt werden. So war eine freie Sicht auf die original Schwinge möglich.

Diese Aufgaben waren zu lösen:

  • Einpassen der Einarmschwinge
  • Kettenflucht zum Hinterrad
  • Umbau Rahmenaufnahme Federbein oben
  • Federweg
  • Radstand und Spur
Aufschweißen der VFR-Schwinge
Aufschweißen der VFR-Schwinge

Also einige schwierige Aufgaben, wie sich herausstellen sollte.

Die Schwinge der Honda VFR passt so natürlich nicht in den Yamaha Rahmen. Zum einen wegen der Breite und zum anderen, weil die Flucht der Kette vom Ritzel zum Kettenrad nicht passt. Das heißt, die Honda Schwinge muss auf der einen Seite gekürzt und mit zusätzlichem Material aufgebaut werden. Da wird dann ein neuer Lagersitz eingefräst, damit eine stabile Führung möglich ist. Das sieht dann kurz vor dem Einbau so aus: Zum Verschweißen der Aluteile wird alles mit der Achse verschraubt um zu gewährleisten, dass die Steckachse wieder eingepasst werden kann. Nach dem Schweißen werden dann neue Lager eingepresst. Es folgte die erste Passprobe mit Hinterrad und Kettenflucht.

Nachdem die Aufnahme des Federbeines am Rahmen angepasst wurde und ein freies Schwingen möglich ist, konnte das Thema „Schwinge“ erst mal als erledigt angesehen werden.

Vier in Kawasaki Z1000 Endtopf
Vier in Kawasaki Z1000 Endtopf

Dazu dann ein neuer Heckrahmen aus Edelstahlrohr 25×1,5 mm, darin enthalten eine Blechwanne für die Elektrik. Im Heck sitzt jetzt eine Li­thium-Batterie. Am verkleinerten Tank (80 mm niedriger, durch Materialentnahme) finden die Relais und die Bordelektronik einen neuen Platz. Das war unter der Sitzbank zu eng geworden.

Aus dem Tank einer Suzuki GSX 1000 E wurde mit einigen weiteren Blechen eine neue, passende Tankhaube gebaut. Der Tankdeckel ist vom Bootszubehör und die entsprechenden Stutzen wurden 3D-gedruckt. Das rechts unter dem Tank zu sehende Gehäuse mit den 4 Schaugläsern ist der Ausgleichsbehälter für die Kühlflüssigkeit des Motors.

Neues Rahmenheck und justierte VFR-Schwinge
Neues Rahmenheck und justierte VFR-Schwinge

Die Sitzbank ist aus dem Zubehörhandel und der Rahmen wurde dementsprechend passend angefertigt.

Jetzt fehlt nur noch der Auspuff. Vorgabe: Freie Sicht auf Hinterrad und Schwinge. Also ein Under Engine Auspuff. Krümmer und erster Topf wurden soweit fast übernommen, der Topf umgeschweißt, neuen Kat eingesetzt, und der Endtopf einer Kawasaki Z 1000 besorgt und dranoperiert. Das sieht dann als neue Anlage ganz ordentlich aus. Das Endergebnis passt und dank eingebautem Kat mit Lambda Sonde und Endtopf mit E-Zulassung ist alles eintragungsfähig beim TÜV. 

Alle Umbauten und Veränderungen hatte ich im Vorfeld mit dem Sachverständigen besprochen und die Details soweit möglich abgeklärt. Daher war die Abnahme eine stressfreie Veranstaltung. Anschließend wurde noch gespachtelt und lackiert. Ich habe mich für ein dezentes graphitgrau entschieden.

Der Umbau hielt sich aus finanzieller Sicht in Grenzen, da ich die zugekauften Teile gebraucht, recht günstig bekam. Auf jeden Fall ist es ein besonderes Motorrad, bezogen auf die Radführungen, das es so in dieser Form nicht zu kaufen gibt.

Der Motor läuft seidenweich und es ist natürlich ein besonderes Gefühl mit seinem selbstgebautem Motorrad zu fahren. Jeder der selber gerne schraubt und bastelt, weiß was ich meine!

Radikal - die nackte GTS 1000 polarisiert noch mehr, als das Original
Radikal – die nackte GTS 1000 polarisiert noch mehr, als das Original

 

Schmale Linie, starker Motor
Schmale Linie, starker Motor
Die GTS mit zwei einarmigen Radführungen ist ein Unikat
Die GTS mit zwei einarmigen Radführungen ist ein Unikat