aus bma 08/08

von Jörg van Senden

Yamaha FJR 1300 AS Meine FJR 1300 A hatte bei der 10.000 km-Inspektion leider beschlossen wegen eines enorm ölenden Kardanantriebes noch einige Tage in der Werkstatt bleiben zu wollen. Soviel zu dem Gerücht, daß Kardanantriebe wartungsfrei ein ganzes Motorradleben aushalten.
Der neue Dichtungssatz und die neuen Dichtungsringe benötigten leider noch ein paar Tage, um vom fernen Japan aus den Weg über das Meer bis nach Hamburg zu finden. Das Wochenende schien schon verdorben zu sein, hatten wir doch einem Freund in Schleswig versprochen zur 1. offiziellen Bikerkonfirmation seines Sohnes zusammen mit anderen Kameraden unseres Stammtisches zu erscheinen.
Aber unser Duvenstedter Yamaha-Händler wäre kein guter Geschäftsmann und würde auch einen lausigen Service bieten, hätte er nicht eine Ersatzmaschine für mich parat gehabt. Ich wurde nicht enttäuscht.
Ulli drückte mir die Schlüssel einer FJR 1300 AS in die Hand. Kilometerstand null. Ein nagelneuer Vorführer in der Farbe Stormsilver.
Damit kennst du dich ja aus, meinte er. Nur aufgepaßt, das Ding hat eine Schaltautomatik.
Automatik? Na, nun wird es spannend. Nach einer kurzen Einweisung in die neue Technik fahre ich neugierig mit dem Technikwunder vom Hof. Die Eckdaten der FJR 1300 AS unterscheiden sich nicht von der normalen FJR 1300 A: Satte 1300 ccm, 4 Zylinder 16 V, 5 Gänge und mit 143,5 PS ein echter Bär.

 

Auf den ersten Blick fallen bereits die kleinen Veränderungen zu meinem 2005er Modell ins Auge. Die Instrumententafel ist hochwertiger gestaltet und die Scheinwerfer können per Stellrad einfach in der Leuchtweite reguliert werden. Der Regler für die inzwischen serienmäßige Griffheizung ist zudem sauber in die Verkleidung integriert worden und die gesamte Seitenlinie erscheint fließender. Die Lackoberflächen wirken äußerst hochwertig und nobel. Besonders die dunkel schwarz-silbernen Felgen schimmern sehr edel und haben durch die glatte Oberfläche weniger die Tendenz Schmutz anzusammeln, als die vorher in matt-silber gehaltenen Räder.
Die Fußrasten sind ergonomischer angeordnet worden. Sitzbank und Lenker können individuell eingestellt werden. Der Sozius kann bequemer sitzen.
Yamaha FJR 1300 AS Die Kühlung des Motors wurde optimiert. Der neue, gebogene Kühlergrill ist ab Werk mit einem Steinschlagschutz aus Kunststoff versehen worden. Zusammen mit Hauptständer, serienmäßigen Seitenkoffern, ABS und der elektrisch verstellbaren Scheibe ist die FJR 1300 AS ein komplett gerüsteter Tourensportler. Optional gibt es noch Innentaschen für die Koffer, ein Navigationssystem und ein Topcase, für alle die es brauchen. Leider kommt man dann auch schon leicht in Preisregionen um die 17.000 Euro.
Jetzt aber zur Automatik: Der Motor wird in der Stellung „N” gestartet. Dazu muß gleichzeitig die Handbremse gezogen werden und das Ständerwerk eingeklappt sein. Wie gewohnt brabbelt der Vierzylinder sofort los und raucht dabei dekorativ aus beiden Edelstahlendrohren. Das sieht schon mal echt geil aus und klingt gut!
Zum Loszufahren gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man klickt mit dem linken Fuß, wohlgemerkt ohne an einem Kupplungshebel zu ziehen, denn den gibt es nicht, den ersten Gang nach unten, oder man benutzt die Schaltwippe am linken Lenkerende dazu. Diese muß vorher mit einem Extraknopf aktiviert werden.
Das Resultat ist ein klares und sauberes „Klack” und im Tachodisplay erscheint eine „1”, wo vorher noch ein „N” stand. Das Motorrad bewegt sich noch nicht. Da es sich auch nicht wie bei einem alten Auto um eine Wandlerautomatik handelt, hat die FJR keinerlei Krabbelneigung.
Nun muß man nur noch gefühlvoll am Gasgriff drehen, und das Motorrad beginnt sanft voranzuschieben. Wie bei einem Motorroller mit einer Fliehkraftkupplung. Ist die Maschine erst mal in gang und das Bedürfnis nach dem zweiten Gang wird wach, genügt ein kurzer Druck auf die Schaltwippe, oder man klickt mit dem linken Fuß den zweiten Gang nach oben.
Yamaha FJR 1300 AS Mit dem folgenden Gängen verhält es sich genauso. Stets begleitet von einem sauberen „Klack” schaltet die Yamaha die Gänge rauf und runter. Dabei wird der Kraftfluß nicht spürbar unterbrochen. Per Hand bzw. Fuß könnte man nicht besser und schneller schalten. Die Wahl der Gänge sollte, wie gewohnt, der Geschwindigkeit und dem Kraftbedarf angepaßt werden.
Wer eine Bremsung im fünften Gang hinlegt, würgt den Motor übrigens nicht ab. Man steht nach der Bremsung im höchsten Gang auf der Stelle, und der Motor brabbelt in Leerlaufdrehzahl. Man kann den Motor nämlich nicht abwürgen. Der kuppelt sich automatisch vorher aus. Per Wippe muß dann wieder heruntergeschaltet werden, und dann geht es weiter.
Das Anfahren ist dank des drehmomentstarken Motors mit bärigen 134,5 Nm sogar noch im dritten Gang möglich. Dann grummelt der Automatikbär allerdings etwas.
Echtes Verschalten ist aufgrund schlauer Elektronik unmöglich. Fatale Schaltbefehle werden sicherheitshalber ignoriert. Da die Kupplung erst ziemlich spät trennt, bleibt die Bremswirkung durch den Motor beim Ausrollen auf eine Ampel zu, oder bergab, wie gewohnt erhalten.
Zugegeben, das Rangieren ist nicht ganz so gefühlvoll möglich wie mit einer herkömmlichen, schleifenden Kupplung. Man kann sich jedoch gut daran gewöhnen.
Ich muß nun auch noch gestehen, daß ich doch etwas Bedenken hatte, daß mich die Stammtischkameraden als einen im Motorraddesign getarnten Rollerfahrer outen würden. Das ist jedoch zum Glück nicht geschehen. Ganz im Gegenteil. Das Interesse an der neuen Technik war groß, und die Frage kam auf, ob wohl auch bald andere Hersteller so etwas anbieten werden, und ob das wohl die Zukunft ist. Warten wir es ab.
Das Fahrverhalten ist entsprechend der normal zu schaltenden FJR. Die hervorragenden Qualitäten dieser Maschine sind hinlänglich bekannt. Daher muß ich mich hier nicht mehr darüber auslassen. Obwohl, …nein, ich lasse es.
Das Wochenende war jedenfalls gerettet und auch die 1. Bikerkonfirmation ein Bombenerfolg. Als ich am folgenden Montag die Yamaha FJR 1300 AS wieder abgeben mußte, fiel es mir ehrlich gesagt etwas schwer. Sie ist schon etwas ganz Besonderes.
So hatte mein ölender Kardanantrieb letztendlich doch noch etwas Gutes, denn sonst wäre ich kaum in den Genuß gekommen, dieses ungewöhnliche Motorrad erleben zu dürfen.