aus bma 11/10 – Fahrbericht

von Klaus Herder

Yamaha Fazer 8 Modell 2011Als 2010er-Modelle kamen sie viel zu spät; als 2011er-Neuheiten waren sie eindeutig zu früh dran: Die halbverschalte Yamaha Fazer8 und ihre unverkleidete Schwester FZ8 stehen erst seit wenigen Wochen bei den Händlern und setzten sich mit diesem „unkonventionellen“ Timing zwischen alle Marketing-Stühle. Aber vielleicht passt dieser etwas ungewöhnliche, vermutlich nicht alle Yamaha-Händler be­geisternde Markteinführungs-Zeitplan ganz gut zum Charakter der 800er, deren Reihenvierzylinder mit exakt 779 cm³ antritt; denn sie sind typische Lückenfüller – Lückenbüßer wäre dagegen der völlig falsche Begriff.

Den zwischen der kleinen FZ6 und der großen FZ1 bislang existierenden Raum gibt’s mittlerweile aber eigentlich gar nicht mehr, denn die etwas schwachbrüstige, nur mit sehr hohen Drehzahlen flott zu bewegende 600er wurde zwischenzeitlich aus dem Programm genommen. Die ebenfalls von hohen Drehzahlen lebende 1000er bleibt im Angebot, was in der Praxis bedeutet, dass die FZ-Reihe auch weiterhin mit zwei Grundmodellen bestückt sein wird – der Einstieg beginn nun halt bei knapp 800 und nicht mehr bei 600 cm³.

Die besagte Drehzahlgierigkeit war bislang ein Markenzeichen der FZ-Reihe – und damit Segen und Fluch zugleich. Wer sich bewusst auf den Charakter der für den Sporttourer-Einsatz nur leicht umgemodelten Ex-Supersportlermotoren einließ, kon­n­te sehr viel Spaß haben. Doch die Mehrheit der potenziellen Kunden, die lieber Landstraße als Renntraining fahren, verlangt aber nun mal nicht nur nach einer bequemeren Sitzposition, sondern auch nach ordentlicher Durchzugskraft, die möglichst schon knapp oberhalb der Leerlaufdrehzahl beginnen und ohne viel Schaltarbeit zu realisieren sein sollte. Um gegen Mittelklasse-Platzhirsche wie BMW F 800 R, Kawasaki Z 750 und Triumph Street Triple anstinken zu können, galt es für Yamaha also, etwas mehr als einen mit Superbikelenker bestückten Spar-Sportler anzubieten.

Yamaha Fazer 8 Modell 2011So ganz ohne den Griff in den Baukasten ging es dann aber doch nicht, denn für eine Platzierung in 8000-Euro-Klasse muss schon mit ziemlich spitzem Bleistift kalkuliert werden. So stammt denn auch die Motor-Basis der Fazer8/FZ8 im wesentlichen von der FZ1. Zumindest der untere Teil. Der Zylinderkopf ist dagegen eine komplette Neukonstruktion mit vier statt fünf Ventilen pro Zylinder. Der Hub blieb unverändert (53,6 mm), die Bohrung reduzierten die Ingenieure von 77 auf 68 mm. Eine 2,5 Kilogramm leichtere Kurbelwelle und komplett neu abgestimmte Ansaug- und Auspuffwege machen ebenfalls den Unterschied, auf die Exup-Walze im Auspuff verzichteten die um Kostendämpfung bemühten Techniker. Heraus kamen 106 PS (statt 150 PS der FZ1), die bei 10000 U/min anliegen. Eine Nennleistung, die exakt den Spitzenwerten von Kawasaki Z 750 und Triumph Street Triple entspricht – welch unglaublicher Zufall! Mit einem maximalen Drehmoment von 82 Nm bei 8000 U/min übertrifft der Yamaha-Achter die direkte Konkurrenz aber deutlich, nur die F 800 R wuchtet mit 86 Nm noch mehr auf die Kurbelwelle. Und das ärgerlicherweise auch noch bei deutlich moderateren 6000 U/min. Geschenkt, irgendeinen Vorteil muß das Zweizylinderkonzept ja schließlich auch haben. In Sachen Fahrwerkskonstruktion setzten die Yamaha-Techniker komplett auf Bewährtes, denn Alu-Brückenrahmen, Alu-Schwinge und auch die Eckdaten wie Radstand (1460 mm), Lenkkopfwinkel (65 Grad) und Nachlauf (109 mm) entsprechen exakt dem, was auch bei der FZ1 zu finden ist. Die überwiegende Mehrheit der FZ-Kunden kaufte in der Vergangenheit halbverschalt, und daran wird sich vermutlich auch zukünftig wenig ändern. Nachfolgend geht es daher um die Fazer8, die mit 8795 Euro exakt 300 Euro mehr als die FZ8 kostet und mit 220 kg vier Kilo mehr wiegt.

Yamaha Fazer 8 Modell 2011Die Fazer8 sieht etwas dynamischer und schnittiger als die FZ1 Fazer aus. Kein Wunder, ist sie doch auch das jüngere Modell und darf daher eine neu gestaltete Halbverkleidung tragen. Besagte Verschaltung bietet breitere, schlitzförmigere Scheinwerfer sowie eine etwas breitere und höhere Scheibe – und damit auch etwas besseren Windschutz. Der erste Eindruck ist ein überaus angenehmer und bestätigt sich auch bei der Sitzprobe, denn die Fazer8 macht es mit ihrer äußerst menschenfreundlichen Ergonomie dem Fahrer leicht, keinerlei Berührungsängste aufkommen zu lassen. Auf der nicht übertrieben breiten Sitzbank mit ihrem schmalen, auch kleineren Fahrern sicheren Bodenkontakt ermöglichendem Taillenbereich ist man nicht zu hoch und nicht zu tief untergebracht. Der Kniewinkel fällt für Normalwüchsige gemäßigt sportlich aus, und der relativ breite Rohrlenker liegt bequem zur Hand. Alles ist spürbar entspannter und gefälliger als bei der FZ1 und wirkt trotzdem erwachsener als früher bei der FZ6. Das Cockpit, eine Kombination aus analogem Drehzahlmesser und digitalem Rest, ist in Sachen Ablesbarkeit, Übersichtlichkeit und Informationsangebot nahezu perfekt. Die Rückspiegel machen ebenfalls einen tadellosen Job. Wenn überhaupt, gibt es am Arbeitsplatz nur eine Kleinigkeit zu me­­ckern: Einstellbar ist nur der Brems-, nicht jedoch der Kupplungshebel. Was aber verzeihlich ist, denn den Hebelweg dürften auch Kleinhänder locker bewältigen. Zudem fällt die benötigte Bedienungskraft recht gering aus, die Kupplung rückt sanft und gut dosierbar ein.

Yamaha Fazer 8 Modell 2011 CockpitNach dem völlig problemlosen Kaltstart braucht der mit leicht erhöhter Leerlaufdrehzahl harmlos säuselnde Reihenvierer einen kleinen Moment der inneren Sammlung, um dann sehr sauber und geschmeidig Gas anzunehmen und bereits aus den Tiefen des Drehzahlkellers respektabel anzuschieben. Beim Einlegen des ersten von sechs Gängen wird es selbst bei sehr sensibler Bedienung ab und an etwas krachen, doch alles, was danach kommt, geht auf kurzen Wegen, goldrichtig gestuft sowie leicht und leise vom Schaltfuß. Fleißiges Schalten ist auch durchaus angesagt, denn außerorts wird recht schnell deutlich, dass es mit der versprochenen fülligen Leistungskurve und sattem Durchzug bei jeder Drehzahl nicht ganz so weit her ist. Bitte nicht falsch verstehen: Die Fazer8 ist alles andere als eine Schlappwurst, aber der immer und überall ohne Schalt­arbeit heftigst durchziehende Drehmomentwogen-Surfer ist sie nun mal auch nicht. Besonders zwischen 4000 und 6000 U/min gönnt sich die Fazer eine kleine drucktechnische Auszeit. Für den Fahrer gilt es also, diesen Bereich möglichst schnell zu umschiffen, was dank des besagt guten Getriebes und der Yamaha-typischen Drehfreude kein großes Problem darstellt. Mann muss es nur einfach tun. Oberhalb jener 6000er-Marke, also in einem Bereich, der bei einem Reihenvierzylinder auch noch in die Kategorie „unteres Drehzahl-Mittelfeld“ gehört, lässt es die Fazer8 dann auch mächtig jucken und tobt jetzt auch mit amtlichem Sound munter bis zur 10000er-Marke.

Motormäßig also ein klarer Fortschritt: ein deutlich breiteres nutzbares Drehzahlband als bei der FZ6, eine harmonischere Leistungsabgabe als bei der FZ1 – und das alles auf einem insgesamt niedrigerem Drehzahlniveau. Der kleine Durchhänger lässt sich verschmerzen, wer nicht gerade direkt vom Zweizylinder kommt, wird ihn vermutlich gar nicht als so störend empfinden. Man muss nur einfach wissen, auf was man sich einlässt: auf einen typischen japanischen Vierzylinder, der allerdings (und glücklicherweise) kein typischer FZ-Vierzylinder ge­worden ist. Netter Nebeneffekt der Motor-Neuausrichtung: Der über elektronisch gesteuerte Sekundär-Steuerklappen mit Frischgasen versorgte Viererpack hat ein sehr gesittetes Trinkverhalten und fackelt auch bei zügiger Gang­art deutlich unter fünf Liter Sprit auf 100 Kilometern ab.

Yamaha Fazer 8 Modell 2011 AuspuffDer angenehme Arbeitsplatz und der sympathische Motor treffen auf ein Fahrwerk, das viel Licht, aber auch etwas Schatten zu bieten hat. Mit der Fazer8 lässt sich spielend leicht um engste Biegungen wuseln, sie nimmt Fahrfehler nicht weiter übel, ist jederzeit gut berechenbar und lenkt zielgenau ein, sie rennt stoisch geradeaus, wenn auf der Autobahn Kilometer gekloppt werden müssen, und sie ist frei von Macken oder gar Hinterhältigkeit.

Die Federelemente sind sehr komfortabel abgestimmt, die Upside-down-Gabel und das Federbein sprechen im Solobetrieb und bei tourensportlicher Landstraßengangart auch auf miesem Belag sensibel an Doch spätestens dann, wenn es mit zwei Personen und etwas flotter über Verwerfungen geht und/oder der Fahrer (dann auch solo) deutlich forscher an der Kordel zieht, macht die weiche Abstimmung einen Strich durch die Rechnung. Speziell das recht einfach gestrickte Federbein ist dann überfordert, kommt seinen Aufgaben nicht mehr in der geforderten Zeit nach, was konkret bedeutet, dass nach „sehr weich“ unmittelbar „sehr hart“ folgt. Das Handling mit einem tief eingefederten Heck ist dann nicht wirklich prall, und wenn in Kurven mit Bodenwellen auch noch die Fußrasten relativ früh aufsetzen, wächst der Wunsch nach hochwertigeren Fahrwerkskomponenten aus dem Zubehörbereich.

Yamaha Fazer 8 Modell 2011Den Federelementen – speziell dem Federbein – merkt man an, dass irgendwo gespart werden musste. Die unterm Strich durchaus noch befriedigende Gabel lässt sich gar nicht, das Federbein nur in der Federbasis verstellen. Doch das sind Ausnahmen, an praktisch keiner anderen Stelle (vom Auspuff einmal abgesehen…) bricht die Sparsamkeit sicht- oder spürbar durch. Im Gegenteil: Die Fazer8 ist ein wirklich wertig gemachtes Motorrad. Das merkt man auch und besonders bei den Bremsen, denn die einteiligen Vierkolbenzangen stammen von der FZ1 und sind über jeden Verzögerungszweifel erhaben. Die Fazer8 ist in Deutschland serienmäßig mit ABS bestückt, was anfangs auch für die FZ8 galt. 2011 ist zumindest die nackte 8er aber auch als Nicht-ABS-Version lieferbar – was man aber nicht unbedingt verstehen muss. Das Vorhandensein des Blockierverhinderers ist an zwei ab Werk montierten Spoilerflügelchen zu erkennen, die seitlich unter dem Motor hervorlugen. Bei der Fazer8/FZ8-Präsentation gab’s das ABS noch nicht, was das Fehlen auf den Fotos erklärt.

Die Yamaha Fazer8 tritt in einer stark besetzten Klasse an, aber sie muss sich wahrlich nicht verstecken. Die in Schwarz, Weiß und Blau lieferbare Maschine kostet satte 2700 Euro weniger als eine FZ1 Fazer und kann im Alltag eigentlich alles genauso gut oder sogar besser, ist handlicher, leichter zu fahren und verbraucht weniger. Für das gesparte Geld lassen sich ein Top-Federbein, ein Hauptständer und ein hübscherer Auspuff anschaffen – und es würde vermutlich immer noch jede Menge (Benzin-) Geld übrig bleiben. Viel Fahrspaß zum günstigen Preis – die Achter-Modelle schließen wirklich eine große Lücke. Nicht nur im Yamaha-Programm.