Gute Motorradstiefel sind nicht nur Offroad sinnvoll.Was macht einen guten Motorradstiefel aus? Oder anders gefragt: Was muss der Stiefel leisten? Es kommt natürlich auf den genauen Einsatz an – aber ein paar Anforderungen in Sachen Sicherheit, Komfort und Design muss jeder Motorradstiefel erfüllen, der sein Geld wert sein soll.

Früher waren Motorradstiefel grundsätzlich aus Leder. Wie das Schuhwerk für andere Sportarten eben auch. Im Fußball sieht man schon lange nur noch bunten Kunststoff über den Platz flitzen, im Basketball wirbeln farbenfrohe Treter aus ultraleichten Polymeren über das Spielfeld, und auch für Motorradfahrer/-innen hat sich in den letzten Jahren irgendwie Plastik (sprich: Kunstleder) durchgesetzt. Das muss nicht schlecht sein, hat aber Nachteile.

Was kann Echtleder, was Kunststoff nicht kann?

Echtleder ist zwar schwer und anfangs etwas steif. Die Motorradstiefel passen sich aber in den ersten Wochen des Tragens der Fußform an und sitzen danach einfach komfortabel. Sie machen jede Bewegung mit, erlauben auch etwas seltsame Fußstellungen auf den Rasten, drücken nicht und halten das Klima im Schuh angenehm hautfreundlich. Mit ein bisschen Pflege, namentlich Wachs oder Öl, sehen sie lange gut aus und sind außerdem noch wasserfest. Im Falle eines Unfalls schützen sie Fuß und Bein. Denn dann macht das Leder eben doch nur die Bewegungen mit, die es gewohnt ist, nicht mehr. Es reißt nicht, und durch die etwas inflexible Textur verhindert es, dass Bänder und Muskulatur reißen. Das ist wichtig – bei 82 % aller Unfälle mit motorisierten Zweirädern aller Art (also inklusive Mofa und ähnlicher „Spielzeuge“) sind laut Statistik die unteren Gliedmaßen verletzt. Trotzdem weisen Ratgeber wie beispielsweise der Motorradstiefel Test von Expertentesten.de darauf hin, dass auch Kunstleder unter Umständen ausreichend schützen kann – vorausgesetzt, der Motorradstiefel ist entsprechend hochwertig verarbeitet.

Kunstleder bietet keinen so umfassenden Schutz. Die Plastikmischungen sehen zwar aus wie echtes Leder, verhalten sich jedoch ganz anders. Sie sind weicher und dehnbarer, leichter, reißen schneller. Und bei Kontakt mit scharfen Steinen und Teer sind sie schnell passé. Das ist die Haut darunter dann häufig auch. Da das Material so flexibel und weich ist, lässt es sich angenehm tragen – und es schützt eben nicht vor Überdehnungen, Torsionen, Knochenbrüchen. Nun kann man argumentieren, dass Zehenschutz und seitliche Schutzmaßnahmen diese Aufgabe übernehmen können. Können sie, sofern sie vorhanden sind, zumindest bedingt. Trotzdem sollte man unbedingt darauf achten, dass die Motorradstiefel aus einem robusten Obermaterial gefertigt sind und viel aushalten. Es gibt tatsächlich auch bei Kunstleder große Unterschiede.

Noch mehr Schutz: Schaft mit Protektoren aller Art

Damit Fuß und unteres Bein im Notfall wirklich gut geschützt sind, sollte der Motorradstiefel im Schaft Protektoren besitzen. Das können im Falle der Knöchelpolsterung Gelelemente sein. Zum Schutz des Schienbeins werden normalerweise Kunststoffplatten eingesetzt, und Ferse und Zehen werden über integrierte Kappen geschützt. Diese Kappen können aus Kunststoff sein, besser ist jedoch Metall. Das hält einfach mehr aus. Vor allem sollten aber die Zehenschleifer aus Metall sein. Die sind vorne in den Schuhen eingesetzt, weil dort der Stiefel öfters mal auf dem Boden schleift.

Da Motorradstiefel teils recht hoher Belastung ausgesetzt sind, sollten die Verschleißteile austauschbar sein. Das betrifft insbesondere die Sohlen. Die nutzen sich ab. Auch die linke Fußspitze ist besonderen Belastungen ausgesetzt: Sie bedient den Schalthebel. Ist der Stiefel an dieser Stelle verstärkt, kommt das der gesamten Lebensdauer zugute.

Nach Anforderungen unterscheiden

Gute Motorradstiefel sind aus einem atmungsaktiven Obermaterial gefertigt, dass viele, aber nicht alle Bewegungen mitmacht und zumindest einen grundsätzlichen Luftaustausch zulässt. Echtleder ist hier ein klarer Vorteil: Das Leder ist zwar schwer, aber die Tierhaut lässt den Fuß atmen. Das kommt dem Klima im Stiefel zugute, die Füße überhitzen nicht so leicht. Einerseits ist das angenehmer bei längeren Fahrten, andererseits können so auch gesundheitliche Probleme wie Fußpilz und ähnliches vermieden werden. Die Stiefel „müffeln“ nicht so schnell. Auch wenn Motorradstiefel aus Kunstleder oder Textilmischungen heute häufig als atmungsaktiv beworben werden, bildet sich darin doch schneller Geruch, der Luftaustausch ist nicht optimal, und vor allem kann der Fußschweiß nicht wirklich abtransportiert werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn keine Strümpfe oder Socken aus Kunstfasern getragen werden.

Schönwetter-Biker oder echt hart? Wann wird gefahren?

Der meiste Spaß stellt sich ein, wenn alles stimmt: Angenehme Außentemperatur, nicht zu warm und nicht zu kalt. Sonniges bis leicht bedecktes Wetter, mittlere bis niedrige Luftfeuchtigkeit und ein sanftes Lüftchen machen die Tour zu einem gediegenen Erlebnis. Aber mal ehrlich – wer fährt nur unter optimalen Bedingungen? Die meisten Motorradfahrer/-innen nehmen auch etwas feuchtere Witterung in Kauf und sind bisweilen ganz gerne mal bei Nebel, Nieselregen oder bei kaltem Wetter unterwegs. Das müssen die Stiefel abkönnen.

Wer grundsätzlich nur bei sonnigem Wetter und auf trockenen Straßen fährt, braucht nicht unbedingt wasserdichte Motorradstiefel. Für alle anderen, auch für die „eigentlich nur Schönwetter, aber wenn es dann doch mal regnet …“-Fahrer und -Fahrerinnen gilt: Die Motorradstiefel müssen wasserdicht sein. Spritzwassergeschützt reicht nicht aus. Echtleder ist hier wieder ein großer Vorteil, denn das Leder wird mit etwas Wachs oder Öl schnell wirklich wasserdicht. Bei Kunstleder müssen die unangenehm riechenden Sprays oft mehrfach aufgetragen werden, ein wirklich dichter Schutz ist dann auch nicht gegeben. Es wird also spätestens bei einem überholenden Wagen doch nass im Kunstlederstiefel, denn Wasserfontänen hält das Zeug einfach nicht aus.

Autobahn, Stadt, unbefestigte Straßen, Gelände

Wer fährt wo, und was hat das mit den Stiefeln zu tun? Wer im Gelände unterwegs ist, erreicht nie die Geschwindigkeiten wie jemand, der auf der Autobahn den Kontinent überquert. Man sollte meinen, dass Cross-Biker aufgrund der niedrigeren Geschwindigkeit weniger Wert auf die Sicherheit der Stiefel legen müssen. Falsch. Wer im Gelände stürzt, tut das zwar bei niedrigerer Geschwindigkeit, ist aber dem Gelände ausgeliefert. Steine, Felsen, Bäume, Gebäude und steile Hänge erhöhen das Risiko schwerer Verletzungen. In Sachen Protektoren besteht also erstmal kein Unterschied zu den Autobahn-Jüngern. Das gilt auch für Stadt-Biker, die zwar mit niedrigeren Geschwindigkeiten unterwegs sind, aber mit der hohen Dichte an anderen Verkehrsteilnehmern rechnen müssen.

Was ist mit anderen Faktoren? Hohen Schutz müssen die Stiefel immer geben. Komfortabel in der Reinigung sollten sie auch immer sein! Denn während in der Stadt und bei Überlandfahrten oft Spritzwasser, Staub und vor allem Feinstaub von der Straße und aus den Abgasen anderer Fahrzeuge die Stiefel verschmutzen, kämpfen Cross-Biker und -Bikerinnen mit Schlamm, Matsch, spritzenden Steinen und viel, viel Staub. Motorradstiefel sind dann gut, wenn sie sich leicht reinigen lassen. Dazu gehört eine möglichst glatte Außenhaut ohne viel Schnickschnack. Jede Niete, jede Schnalle und jede Prägung im Leder ist eine potentielle Schmutzsammelstelle, die einfach nur schwer zu reinigen ist. Textilmischungen sind in dieser Hinsicht so ziemlich das arbeitsintensivste, was es gibt. Kunstleder lässt sich meist noch recht gut reinigen, Echtlederpflege macht sogar richtig Spaß. Denn die Stiefel können einfach abgebürstet werden, können mit einem Eimer Wasser richtig nass gereinigt werden, vertragen einfach alles. Solange danach nur gut gefettet wird.

Fazit: Stiefel gut, alles gut?

Nicht ganz, aber fast. Wenn der Motorradstiefel leicht zu pflegen, wasserdicht und vor allem gut mit Protektoren bestückt ist, wird die Motorradtour schonmal ein ganzes Stück spaßiger. Dabei sollte das Design der Stiefel natürlich nicht nur in Sachen Sicherheit, Material und Verarbeitung stimmen, sondern auch optisch – niemand mag Stiefel tragen, die nicht zum Lebensgefühl passen. Und das betrifft auch die Art der Stiefel: Kurzstiefel sind nicht immer schlecht, Allrounder können nicht alles. Und passen müssen die Stiefel außerdem auch.


Bild von Ray Miller auf Pixabay