Usedom mit Motorrädern
Motorradferien im nahen Osten machen und dabei das Spiel mit Licht, Wasser, Wolken und Wind genießen. Deutschlands zweitgrößte Ostseeinsel bietet weitaus mehr als Meer und Strände.

aus bma 3/09

Text & Fotos: Frank Sachau

Usedom mit MotorrädernMotorradferien im nahen Osten machen und dabei das Spiel mit Licht, Wasser, Wolken und Wind genießen. Deutschlands zweitgrößte Ostseeinsel bietet weitaus mehr als Meer und Strände.

Der Morgen ist noch jung, das Gras noch feucht, als wir unsere Maschine aus der Garage schieben und zum Leben erwecken. Hoch über unseren Helmen rauschen Zugvögel in perfekter V-Formation Richtung Ostseeküste. Genau wie wir: Der Tourguide vorneweg, der Lumpensammler hintendran. Auf der wie mit einem Lineal gezogenen B 199 erreichen wir Anklam, jene Stadt, in der Otto Lilienthal 1848 das Licht der Welt erblickte. Seit frühester Jugend vom Traum fliegen zu können getrieben, forschte und tüftelte er, bis ihm im besten Mannesalter erste Flüge über 25 Meter Länge glückten. Eine perfekte Ausschilderung führt uns bis vor den Eingang des sehenswerten Museums, in dem seine Gleiter in Originalgröße zu bestaunen sind. Das Gebäude wirkt von außen etwas unscheinbar, aber im Innern können wir nicht nur Versuche rund ums Fliegen bestaunen, sondern auch gemütlich einen Pott Kaffee trinken.

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Die Peene durchfließt die einstige Hansestadt und mündet nach rund acht Kilometern in den Peenestrom, einem Ostseearm, der die Insel Usedom vom Festland trennt. Ein kurzer Halt am verträumten Hafen von Lassan schenkt Gelegenheit, gemeinsam den weiteren Kurs abzustecken. Dann folgen wir dem Küstenverlauf auf abenteuerlichen Strecken, bis wir auf freiem Feld inmitten riesiger Holz- und Metallgebilde die Motoren abstellen. Hier handelt es sich nicht um skurrile Harley-Umbauten, sondern um echte Kunst im Skulpturenpark Katzow.

Usedom mit MotorrädernWir lassen uns weiter treiben, bis wir den Greifswalder Bodden erreichen. Ein einsamer Wirtschaftsweg – geht’s hier wirklich weiter? – schmiegt sich an den Sicherheitszaun des inzwischen stillgelegten Atomkraftwerks Lubmin, erleichtert gelangen wir zum Fischereihafen Freest am Spandowerhagener Wiek. Farbenfrohe Kutter dümpeln am Kai, kreischende Möwen streiten um Fischreste, und am dunstigen Horizont beginnt die offene See. Wolgast gilt als das Tor zur Insel Usedom, die stark befahrene Klappbrücke über den Peenestrom ist eine Art Nabelschnur. Über sie kommen nicht nur Waren aller Art, sondern auch große Mengen Badeurlauber. Fünf mal täglich wird die Nabelschnur durchschnitten, um Schiffen freie Fahrt zu gewähren.

Wir wollen den geheimnisvollen nördlichen Zipfel des zerklüfteten Eilandes erkunden. Nach Karlshagen wird der Teer schmal und wellig, viele Kurven lassen uns durch den Wald schwingen. Knapp fünfzig Jahre nach Lilienthals erstem Flug wurde die Inselspitze Sperrgebiet und Peenemünde zum Raketentestzentrum ausgebaut. Ein weiterer Visionär tauchte am Fliegerhimmel auf – Wernher von Braun wollte mit noch jungfräulicher Raketentechnik hoch hinaus, doch statt Weltraumforschung fordern die braunen Machthaber fliegende Bomben. Das alte Kraftwerk ist jetzt Museum, daneben ragt eine V 2 in den stahlblauen Himmel, die erstmals 1942 bis in 80 Kilometer Höhe stieg. Sie verbreitet wenig später als Wunderwaffe Angst und Schrecken, kann aber den Kriegsausgang nicht beeinflussen. Die Ausstellung zu dieser Zeitepoche trägt den viel sagenden Titel „Zwischen Himmel und Hölle”, und so wirken auch die unterschiedlichen Straßenzustände auf uns.

Usedom mit MotorrädernAuf der ins Achterwasser, das Wasser hinter der Ostsee, ragenden Halbinsel Gnitz finden wir Ruhe und Entspannung zwischen Hügeln, Feldern und Wäldern – Seeblicke inklusive. Als echtes Highlight unserer Inseltour entpuppt sich der Streckelsberg bei Koserow, dessen 60 Meter hoher Gipfel sich aber noch nicht in den Wolken versteckt. Hier befindet sich nicht nur die höchste, sondern auch die schmalste Stelle der Insel. Um uns herum liegen die Bernsteinbäder, die kleinen Orte Zempin, Koserow, Loddin und Ückeritz. Peitscht der Wind die Wellen an den Strand, kann der aufmerksame Wanderer nicht selten das Gold des Meeres – den Bernstein – finden.

Usedoms Kapital ist der 40 Kilometer lange, von Kiefernwäldern gesäumte, weiße Sandstrand. Die Pommersche Riviera lockte im 19. Jahrhundert Kaiser und Könige an. Die bis dahin unbekannten Küstenorte Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck erhielten eine Bahnanbindung an Berlin und stiegen zu den mondänen Kaiserbädern auf. Typisch für die Insel Usedom sind die Seebrücken, die weit in die Ostsee ragen. Früher dienten sie als Schiffsanlegestellen, heute sind sie Flaniermeilen, mit Fresstempeln und Souvenirläden.

Langsam rollen wir durch die Villenviertel, deren verspielte Fassaden an den Sommertrubel längst vergangener Zeiten erinnern. In Steinwurfweite liegt die polnische Grenze, denn seit 1945 gehört Swinemünde zu Polen. Wir biegen hart rechts ab und sind erstaunt über ungeahnte Steigungen und Kurven im dunklen Wald am Zirowberg. Die tolle Motorradstrecke zwischen Gothen- und Wolgastsee stößt tief ins Binnenland, wo scheinbar bis heute der Sozialismus erhalten blieb: Meine GS mutiert zum Schlaglochsuchgerät, Schwalbe und Trabbi verbreiten typischen Zweitaktduft, und ein Imbiss inmitten einer idyllischen Obstbaumwiese leidet unter der Warenknappheit des letzten Vierjahresplans.

Usedom mit MotorrädernUngehemmt setzen wir unsere Zeitreise in die Vergangenheit fort: In der hügeligen Usedomer Schweiz, inmitten kleinerer Seen, trotzt eine betagte Windmühle dem rauen Ostseewind und das verträumte Wasserschloss in benachbarten Mellenthin scheint gerade aus dem Dornröschenschlaf erwacht zu sein. Auf der Halbinsel Lieper Winkel machen wir Rast an der gigantischen Suckower Eiche, heute Naturdenkmal, aber schon um 1300 erwähnt. Der Stammumfang beträgt über sechs, die Kronenweite über dreißig Meter. In der Stadt Usedom nimmt eine bucklige Piste ihren Anfang und führt uns zur Karniner Eisenbahnbrücke, die auf dem Rückzug der Deutschen Wehrmacht gesprengt wurde. Seit dem hängt das Mittelteil mahnend über dem Stettiner Haff in der Luft.

Apropos Luft: Was ist aus unseren Flugpionieren geworden?  Lilienthal wurde 1896 bei einem Testflug von einer Windböe erfasst, stürzte ab und erlag seinen schweren Verletzungen. Von Braun begab sich zum Kriegsende in amerikanische Gefangenschaft. Dank seiner Fachkenntnisse wurde er später US-Bürger und Leiter des Apollo-Raketenprogramms.

Reise-Info:

Unterkunft:
Das Gutshaus; etwas abgeschieden liegt das rustikale Biker-Hotel in der Nähe von Jarmen. Und das ist auch gut so, denn bei den zahlreichen Aktivitäten kann’s schon mal lauter werden. Vom Doppelzimmer bis zum Zeltplatz wird alles geboten. Bar, Sauna, Kaminzimmer und ein toller Biergarten inmitten einer weiträumigen Parkanlage runden das Bild ab. DZ mit Halbpension ab 39 Euro pro Person.
Das Gutshaus; OT Siedenbüssow Nr. 9; 17129 Alt-Tellin; Tel. 039991/36965; Fax 039991/36968; www.dasgutshaus.de.

Allgemeines:
Die lang gestreckte Insel vor dem Stettiner Haff war über Jahrhunderte die Heimat armer Bauern und Fischer, bis Kaiser Wilhelm den 40 Kilometer langen Sandstrand entdeckte. Usedom wurde zur Badewanne Berlins, die noblen Kaiserbäder Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck weltbekannt. Die Landschaft abseits der Strände ist mal platt, mal hügelig, der höchste Punkt der Insel misst gerade 60 Höhenmeter.

Anreise:
Die A 20 berührt das Tourengebiet am Rande, die gut ausgebauten Bundesstraßen 109, 110 und 111 führen hinein.

Reisezeit:
Mitte Mai bis Anfang Oktober. Brückenöffnungszeiten in Wolgast und Zecherin: Fünf mal täglich für je 25 Minuten.

Informationen:
Usedom Tourismus GmbH; Bäderstraße 5; 17459 Seebad Ückeritz; Tel. 038375/23410; Fax 038375/23429; www.usedom.de.

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