aus bma 11/11 von Björn Oberhössel

Motorradfahrer sind Individualisten und lieben die Freiheit: weite Landschaft und eine offene Straße, auf der man fährt, wohin das Herz einen treibt – am besten auf einem Bike, das genauso individuell ist wie sein Fahrer.

Die Winterzeit mit Tuning und Verschönerungen verbracht, darf die Maschine in den warmen Monaten endlich auf die Straße. Ursprünglich mit viel Plastik verkleidete asiatische „Joghurtbecher“ verlassen ihr Winterverlies als kraftstrotzende Streetfighter. Der schlichte Chopper wird zum Custom Bike, dessen Sound kilometerweit durch die Straßen brü̈llt. „Viele Tuner sind extrem kreativ und verwandeln ihre Motorräder in einzigartige Kunstwerke – doch so sehr mir bei dem Anblick das Herz aufgeht, habe ich doch auf die Sicherheit zu achten“, erzählt Rainer No­wak, Motorradspezialist bei TÜV NORD.

Rainer NowakNowak gehört, genau wie sein Kollege Urban Westerschulte, zu den Prüfern, die für getunte Bikes zuständig sind. Beide sind selbst leidenschaftliche Biker, teilen ihre Interessen und Vorlieben. Damit die Sicherheit bei solchen Umbauten nicht zu kurz kommt, müssen alle Modifikationen an den Bikes vom TÜV abgenommen werden. Doch oft kommt auf der TÜV-Prüfstelle das böse Erwachen: der Motor zu laut, die Sicherheit der verbauten Teile nicht zertifiziert oder der Blinker in der falschen Farbe. „Das ist immer besonders ärgerlich, wenn jemand viel Geld und Herzblut in seine Maschine gesteckt hat und wir ihm dann sagen müssen, dass er sein Bike nicht im Straßenverkehr nutzen darf“, berichtet Nowak, der am liebsten auf seinem 1969er BMW-Gespann unterwegs ist, das er 1980 als schrottreif kaufte und in liebevoller Kleinarbeit wieder zum Leben erweckte. „Am liebsten ist es uns, wenn die Biker mit ihren Tuning-Plänen zu uns kommen, bevor sie ihr Geld für Teile ausgeben, die in Deutschland nicht zugelassen sind“, sagt Westerschulte. „Wir sind auch Bastler. Wir wollen Lösungen finden und beraten die Tuner gern zu ihren Vorhaben.“ Mehrmals in der Woche kommen Anfragen von Bikern und Werkstätten.

Die Kreativität muss dabei nicht leiden: So hat Rainer Nowak zum Beispiel schon mal einen Hazet-Ringschlüssel als Bremsmomentabstützung eingetragen oder einen umfangreichen Werkstattumbau einer Boss Hoss beraten und begleitet. Das 500-Kilo-Monster bekam einen V8-PKW-Motor eingepflanzt und die Leistung wurde auf 464 PS hochgeschraubt. „Ich war der Erste, der auf der Maschine fuhr. Das war wie ein Ritt auf einer Kanonenkugel. Ich steh’ auf starke Beschleunigung, aber das war wie im Flugzeug – unterbrechungsfreies Beschleunigen auf 200 Stundenkilometer. Da lernte ich, dass auch zwei Zentner Lebendgewicht fliegen können“, erzählt der Hüne mit vor Freude strahlenden Augen. „Da war so ein kleines, rundes Ding auf dem Tank, das habe ich zuerst für den Drehzahlmesser gehalten – im Endeffekt war das aber der Tacho. Diese Maschine war Kraft und Adrenalin pur!“

Zweiräder waren schon immer die Leidenschaft des zweifachen Familienvaters, dessen Söhne ebenfalls vom Motorradfieber befallen sind. „Ich wollte schon als Jugendlicher Motorradmechaniker werden, bin dann aber doch in die Kfz-Schiene gerutscht“, erinnert sich Nowak. Doch den Motorrädern blieb er immer treu. Nach seiner Ausbildung zum Kfz-Mechaniker mit anschließendem Meistertitel studierte er und kam 1990 als Diplom-Ingenieur zu TÜV NORD. „Hier bekam ich endlich die Möglichkeit, mit Motorrädern zu arbeiten“, freut sich Nowak. Er erwarb sämtliche Lizenzen für den umfassenden Prüfbetrieb von Zweirädern. „Die meisten Kollegen, die die Hauptuntersuchung abnehmen, dürfen Motorräder nur bis 130 Stundenkilometer ausfahren“, erzählt Westerschulte. Wenn aber eine umgebaute Maschine abgenommen werden soll, muss ihr Fahrverhalten geprüft werden – bis zur angegebenen Höchstgeschwindigkeit. Da hierbei nicht selten die 300 Stundenkilometer-Grenze überschritten wird, hat TÜV NORD dafür ausgebildete und erfahrene Spezialisten wie Rainer Nowak oder Urban Westerschulte. Nowak: „Ich hab als Jugendlicher zum ersten Mal auf einem Mofa gesessen und das Zweirad-Fieber hat mich in den letzten 31 Jahren nicht mehr losgelassen.“

Urban WesterschulteSeinem Kollegen Westerschulte geht es genauso: „Ich habe auf dem Moped angefangen und bin dann in den 90er-Jahren auf Suzuki RGV 250, GSX-R600 und GSX-R750 und einer Yamaha TRX 850 bei den Deutschen Seriensport Meisterschaften mitgefahren. Benzin habe ich im Blut, deshalb liebe ich meinen Job als Motorradspezialist bei TÜV NORD.“

Über den nötigen Mut, ein Motorrad auszufahren, bei dem man nicht weiß, wie es sich bei hohen Geschwindigkeiten verhält, verfügen die beiden ebenfalls. Normalerweise dürfen solche Tests nur auf abgesperrten Strecken vorgenommen werden, was für die Motorradbesitzer lange Wartezeiten und erhöhte Kosten bedeuten kann. „Hier im Bremer Umfeld haben wir zum Glück eine Sondergenehmigung, dass wir in verkehrsarmen Zeiten die A27 für die Testfahrten nutzen dürfen. Dadurch können wir die Wartezeiten für unsere Kunden deutlich verkürzen“, berichtet Westerschulte, der neben seiner Arbeit als Motorradspezialist die TÜV-Station Bremen-Oslebshausen direkt an der A27 leitet.

Häufig sind es Chopper, die mit den Modifikationen Probleme machen. „Die Teile werden gerne aus den USA bezogen und dann hier verbaut. Das Problem ist, dass diese Teile dort oft nicht auf ihre Sicherheit und Stabilität geprüft werden. Wir wiederum dürfen solche Teile nicht zulassen, wenn sie wichtige Funktionen an der Maschine erfüllen“, erzählt Westerschulte. Wer sein Bike modifizieren möchte, sollte sich deshalb am besten vorab mit den Motorradspezialisten von TÜV NORD in Verbindung setzen. Das spart Zeit, Geld und Ärger. Infos gibt’s auch unter www.tuev-nord.de/mobilitaet.