aus bma 10/03

Text & Fotos: www.winni-scheibe.de

Triumph X 75Eigentlich sollte die BSA Rocket3 in den USA ein Verkaufshit werden. Doch der amerikanische Importeur sah das 1967 ganz anders. In Eigenregie ließ er den Triple zum Chopper umbauen. Die Briten waren begeistert, speziell für die US-Kundschaft gab es 1972 die „X 75 Hurricane”.
In der Hochblüte der britischen Motorradindustrie waren die USA Exportland Nummer eins. Vor allem in den 50er und 60er Jahren fanden die Ladys reißenden Absatz. Auch als auf einmal Hondas auftauchten, änderte sich nichts daran. Weder die etablierten Hersteller noch die Biker schenkten den fernöstlichen Drehorgeln sonderlich Beachtung. Im Vergleich zu den 500er und 650er Donnerbolzen zum Beispiel von BSA oder Triumph waren die ersten Hondas ja noch kleine Mopeds. Doch das sollte sich ganz schnell ändern. Als Mitte der 60er Jahre die Honda CB 450 auf den Markt kam, wurde man in England plötzlich hellwach.
Bei Triumph und BSA, beide Firmen wurden damals von einem Management verwaltet, begann die gemeinsame Entwicklung neuer 750er Dreizylinder-Maschinen. Bei BSA sollte es die A 75 Rocket3 und bei Triumph die T 150 Trident werden. Tatsächlich neu an diesem Motor waren drei Zylinder, aber an ein horizontal teilbares Motorgehäuse dachte damals niemand, auch nicht an obenliegende Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder oder gar einen elektrischen Anlasser.

 

Gestartet wurde traditionell via Kickstarter. Motorradfahren war schließlich Männersache, nichts für Weicheier. Basta! Aus diesem Grund ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass sich ausschließlich „altbewährte” Technik in dem Aggregat wiederfand. Die Arbeitsweise des Triebwerkes basierte im Prinzip auf dem bereits 1937 von Edward Turner für Triumph konstruierten Speed-Twin-Motor. Die Einlassnockenwelle lief hinter, die Auslassnockenwelle vor dem Zylinderfuß. Über Stoßstangen und Kipphebel wurden jeweils die zwei Ventile pro Zylinder betätigt.
Nichts revolutionäres, streng genommen war die „Neukonstruktion” bereits, bevor sie auf den Markt kam, veraltet. Beide Motoren waren im Grunde genommen absolut baugleich. Damit aber jeder das neue Bike von BSA und von Triumph unterscheiden konnte, hatten die Techniker die Motorengehäuse so ausgelegt, dass sich bei dem BSA-A75R-Motor der Zylinderblock um 10 Grad nach vorn neigte. Bei dem Triumph-T150-Aggregat dagegen standen die Zylinder kerzengerade. Diese konstruktive Ausführung war überhaupt keine technische Notwendigkeit, sondern diente ausschließlich dazu, die beiden „Marken” optisch voneinander abzugrenzen.
Das BSA-Triebwerk war in einen Doppelschleifenrahmen und der Trident-Motor in einen Einrohr-Rahmen eingebaut. Im Vergleich zu anderen Bikes in der damaligen Zeit waren die beiden englischen Dreizylinder jedoch echte Dampfhämmer, bärenstarke Kraftmeier. Die Motoren leisteten jeweils 58 PS, Spitze liefen sie gut 200 Sachen.
Triumph X 75Mit den beiden Dreizylinder-Bikes A75R Rocket und T150 Trident versuchten Ende der sechziger Jahre die damals immer noch weltgrößten Motorradhersteller BSA und Triumph mit aller Gewalt, die Marktposition gegenüber der japanischen Konkurrenz in den USA zu behaupten. Doch vergeblich, wie wir heute wissen. Bis die Maschinen nämlich endlich da waren, gab es bereits das absolute Überbike: die Honda CB 750 Four. Auch mit dem nächsten Streich, der Triumph X-75 Hurricane, die eigentlich eine BSA A75R Rocket war, sollte es nicht gelingen. Blättern wir im Geschichtsbuch dieses wohl ersten „Soft-Choppers”, stellen wir fest, dass es sich um eine ebenso turbulente wie spannende Story handelt.
Die Idee für die X-75 hatte Don Brown, Verkaufsmanager beim amerikanischen BSA-Importeur in Nutley/New Jersey. Als er 1967 die neue 750er Rocket3 zum ersten Mal sah, fiel ihm der Kinnladen runter, er war entsetzt. Nach seiner Auffassung war der Triple für die US-Biker viel zu konservativ. Ohne lange im Werk nachzufragen, beauftragte er in eigener Regie den damals nur in Insiderkreisen bekannten Designer Craig Vetter (er wurde später durch seine Windjammer-Verkleidungen weltberühmt), etwas aus dem Bike zu machen. Vetter, bereits durch einige außergewöhnliche Designarbeiten an Motorrädern aufgefallen, nahm entgegen üblicher Geschäftsbedingungen den Auftrag ohne finanzielle Absicherung an. Würde seine Schöpfung von den BSA-Managern in England akzeptiert, sollte er sein Geld bekommen, falls nicht, wollte ihm sein Auftraggeber lediglich die Materialkosten bezahlen.
Im Frühjahr 1969 stürzte sich Vetter in die Herausforderung. Doch viel Spielraum blieb ihm nicht. Weder Motor noch Fahrwerk durfte er verändern, lediglich am Drumherum konnte er sich austoben. Aus der biederen Rocket3 wollte der clevere Designer ein optisch potentes Bike mit einem Tick des „American way of life” und dem gerade in Mode kommenden Chopperfeeling machen. Nach einigen Skizzen wandte er sich der praktischen Arbeit zu und modellierte eine Tank-Sitzbank-Verschalung. Nach diesem Modell fertigte er den Monocoque aus Glasfaser an, unter dem er den winzigen 9,5 Liter Kraftstofftank aus Alu-Blech versteckte.
Bereits mit dieser Änderung kam das Dreizylinder-Triebwerk bedeutend besser zur Geltung. Weiterhin spendierte Vetter den Speichenrädern Leichtmetall-Hochschulter-Felgen, dem Scheinwerfer eine geänderte Halterung, ließ etliche Teile auf Hochglanz polieren oder sogar verchromen.
Für eine optische Aufwertung der Frontpartie wurden neue, nach unten gekröpfte Gabelbrücken aus Aluminium gefertigt; der Hochlenker entsprach der neuen „Easy Rider”-Philosophie. Clou seiner Designarbeit und später das typische Merkmal der „Hurricane” wurde aber die auf der rechten Seite verlegte 3-in-3-Auspuffanlage. Nach einem halben Jahr emsigen Gestaltens, Biegens und Bauens lieferte Craig Vetter im September 1969 den Prototyp beim BSA Importeur in Nutley ab.
Triumph X 75 MotorDon Brown war begeistert, und auch der englische Fahrzeughersteller zeigte sich angetan, doch die so geplante neue „BSA-Hurricane” ging nie in Serie. Bis zum gesetzten Produktionsbeginn verstrichen nämlich über zwei Jahre, und das BSA-Werk stand kurz vor dem Aus. Nichtsdestotrotz, die Firmen-Manager beschlossen, die „Hurricane” unter der Triumph-Fahne auf den amerikanischen Markt zu bringen. Wohl einmalig in der damaligen britischen Motorradgeschichte ist, dass nur aus optischen Gründen die von Vetter vorgeschlagene Verbreiterung der Zylinderkopf-Kühlrippen in der Serienproduktion tatsächlich stattfand. Die Basis für die neue Triumph X-75 Hurricane war weiterhin die bekannte 750er BSA Rocket3, jedoch mit dem Fünfganggetriebe der Triumph T 150 V und einem modifizierten Doppelschleifen-Rahmen. Vom 2. Juni 1972 bis zum 12. Januar 1973 wurden genau 1171 Maschinen vom Typ Triumph X-75 Hurricane, die eigentlich eine BSA-Hurricane war, für den US-Markt produziert. Erst wesentlich später wurden einige Maschinen auf Privatinitiative aus den USA nach Deutschland importiert. Hierzulande ist der Soft-Chopper X-75 Hurricane weiterhin relativ unbekannt und noch dazu sehr selten. Eigentlich schade…

Technische Daten Triumph X-75 Hurricane, Baujahr 1972

Motor
Fahrtwindgekühlter Dreizylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei untenliegende, über Stirnräder getriebene Nockenwellen, zwei Ventile pro Zylinder über Stößel, Stoßstangen und Kipphebel betätigt. Bohrung x Hub 67 x 70 mm, Hubraum 741 ccm, Verdichtung 9,5:1, Leistung 58 PS bei 7250 U/min. Trockensumpfschmierung 3,5 Liter Castrol-Öl, drei Amal-Concentric-Vergaser, Ø 27 mm, Trockenluftfilter, Kontakt-Zündanlage, 12 Volt Wechselstromgenerator

Getriebe
Primärantrieb über Triplex-Kette, Einscheiben-Trockenkupplung, Fünfganggetriebe, Endantrieb über Einfach-Rollenkette

Fahrwerk
Doppelschleifenrahmen, hydraulisch gedämpfte Alu-Telegabel, Ø 35 mm Standrohre, Stahlrohr-Hinterradschwinge mit zwei hydraulisch gedämpften Federbeinen. Vorne Duplex-Halbnaben-Trommelbremse, Ø 200 mm, hinten Simplex-Halbnaben-Trommelbremse, Ø 180 mm. Vorne und hinten Speichen-Räder mit Borrani-Hochschulter-Felgen; Pirelli Bereifung, vorne 4.10 H 19 und hinten 4.25/85 V 18

Abmessungen und Werte
Radstand 1525 mm, Gewicht 213 kg, Tankinhalt 9,5 Liter, Höchstgeschwindigkeit 195 km/h