aus bma 03/98, von Marcus Lacroix

Es begann wirklich traumhaft. Für ganze vier Tage überließ uns der Syker Triumph Vertragshändler Lohrig & Kölle in der ersten Februarwoche die neue Triumph Thunderbird Sport, eines der – natürlich meiner rein subjektiven Meinung nach – schönsten derzeit bei uns käuflich zu erwerbenden Motorräder.
Triumph Thunderbird SportSchon die normale Thunderbird ist ein ausgesprochen hübsches Motorrad, das sich jedoch eher an Motorradfahrer wendet, die es auf der Landstraße etwas ruhiger angehen lassen wollen. Versehen mit dem Zusatz „Sport” und einigen sorgsam ausgewählten Anbauteilen, mutierte die Thunderbird „Sport” zu einem eigenständigen Motorrad. Zwar werden sich die meisten Leser, wie auch ich, unter dem Begriff „Sport” etwas anderes vorstellen, verglichen mit der Basisversion ist die Thunderbird Sport jedoch deutlich sportlicher ausgelegt. Das beginnt schon bei dem neu abgestimmten Dreizylinder-Reihenmotor. Der flüssigkeitsgekühlte Charakterdarsteller liefert aus 885 ccm Hubraum versicherungsgünstige 78 Pferdestärken, deren Abgase über einen ungeregelten Katalysator so weit wie möglich entgiftet werden. Verglichen mit der ebenfalls unverkleideten Triumph Speed Triple, in der es der Motor auf 108 PS bringt, scheint das natürlich wenig zu sein. Wenn man aber mal ehrlich ist, so sind 78 PS für ein unverkleidetes Straßenmotorrad allemal genug, um auf der Landstraße flott unterwegs zu sein, und die Heizerfraktion unter den Bikern wird sich kaum für ein so klassisch wirkendes Nacktrad erwärmen können.

Während die normale T-Bird ihre 68 Pferdestärken auf fünf Gänge verteilt, sind es in der Sport derer sechs. Wirklich notwendig ist das Sechsganggetriebe in meinen Augen allerdings nicht. Zwar ist es gut abgestuft und läßt sich ohne unnötigen Kraftaufwand präzise schalten, auf der Landstraße lassen sich jedoch fast alle Fahrmanöver im letzten Gang ausführen. Das maximale Drehmoment von 76 Newtonmetern liegt immerhin schon bei 3.900 U/min an. Damit meistert der Dreizylinder selbst Ortsdurchfahrten klaglos im sechsten Gang. Er verhält sich bei niedrigen Drehzahlen nicht unwillig wie ein Ein- oder Zweizylindermotor. Andererseits bietet er auch nicht die nahezu perfekte Laufruhe eines Vier- oder gar Sechszylinders. Gerade diese Mischung ist es, die für uneingeschränkte Begeisterung sorgt. Die Kulisse, die die mechanischen Geräusche und der Auspuffsound erzeugen, verstärken diese noch. Von unangenehmen Vibrationen bleibt der Fahrer verschont.
Triumph Thunderbird SportDeutlich mehr Sportlichkeit als beim Motor ist bei der Fahrwerksauslegung angesagt. Gabel und Federbein sind vielfältig justierbar und sprechen gut auf Bodenunebenheiten an. Ob der normale Thunderbird Sport-Fahrer die Einstellmöglichkeiten zu schätzen weiß, bleibt fraglich, denn die Maschine spricht ihre Käufer zweifelsfrei eher über die Optik als über irgendwelche technischen Highlights an. Schaden kann die Option zur Einstellung der Feder- und Dämpfungselemente allerdings auf keinen Fall. Wer sich nicht die Mühe machen möchte, das Fahrwerk den eigenen Bedürfnisse anzupassen, der kann sehr gut mit der Werkseinstellung leben.
Die Maschine liegt ausgesprochen ruhig auf der Straße und vermittelt dem Fahrer von Anfang an ein beruhigendes Gefühl der Sicherheit. Unterstützt wird dieses durch die serienmäßigen Avon Reifen in der Größenordnung 120/70 vorne und 160/70 hinten, die auf bildschöne, polierte Akront Speichenfelgen aufgezogen sind. Kurven jeglicher Art lassen sich mit der Thunderbird Sport zielgenau ansteuern und durcheilen. Bei Schräglagenwechseln gibt sich die „Sport” trotz des recht unsportlichen Gewichts von 224 Kilogramm bemerkenswert handlich, und über mangelnde Haftung der Reifen kann man sich weder auf trockenen noch auf nassen Straßen beklagen.
Die Sitzposition kommt der sportlich-touristischen Landstraßenfahrt dabei auf angenehme Art entgegen. Die Fußrasten liegen weder zu weit hinten noch zu hoch, und der Oberkörper beugt sich nur leicht dem Lenker entgegen. Der Knieschluß zum 15 Liter fassenden Tank ist schnell hergestellt, obwohl sich die schlanke Wespentaille der Maschine zunächst ungewohnt anfühlt. Die Sitzbank ist vielleicht etwas zu weich gepolstert, wird dem Fahrer aber auch auf längeren Etappen keine Probleme bereiten. Die bekommt dafür der Sozius, denn dessen Fußrasten sind für durchschnittlich große Menschen einfach zu hoch angebracht.
Wie Eingangs schon erwähnt, begannen die Probefahrttage einfach traumhaft. Sogar die Sonne schien, und die Temperatur lag im angenehmen Thermokombibereich. Nach äußerst genußvollen Landstraßenkilometern begab ich mich zur Heimfahrt auf die Autobahn. Es dürfte jedem klar sein, daß diese nicht das Revier der Triumph Thunderbird Sport ist. Der Fahrzeugschein verspricht zwar eine Höchstgeschwindigkeit von 201 km/h, doch kann man diesen Wert getrost als theoretisch annehmen. Ich habe es jedenfalls nicht ausprobiert, denn der Winddruck dreht einem schon weit vorher den Sauerstoffhahn ab. Bei T-Bird Fahrern wird sich die Reisegeschwindigkeit auf Langstrecken wohl unterhalb der 140 km/h-Marke einpendeln.
Der wahre Alptraum begann dann kurz vor der Autobahnausfahrt Wildeshausen Nord. Zunächst leichter Schneegriesel verwandelte sich schlagartig in eine Eisfläche. 130 zeigte der wunderschöne Tacho an, als ich diesen Umstand registrierte. Das Herz in der Hose und vor Augen den Anblick eines entsetzten Udo Kölle, der die traurigen Überreste einer zerbeulten Thunderbird beweint, gelang es mir mit viel Glück, die Maschine heile von der Überholspur auf den Pannenstreifen zu bugsieren (Danke an den Brummifahrer, der meine Lage erkannte und die Lücke aufgemacht hat!). Die restlichen 10 Kilometer von Wildeshausen nach hause legte ich mit eingeschalteter (serienmäßiger) Warnblinkanlage auf dem Radweg zurück, denn die geschlossene Schneedecke dort bot zumindest so etwas ähnliches wie Grip.
Es war zum Heulen. Da hat man vier Tage lang ein Traummotorrad in der Garage stehen und kann es nicht bewegen. Lediglich den polierten Alufelgen kam die Auszeit zugute, denn durch die fehlende Korrosionsschutzschicht hätte ihnen das Streusalz arg zugesetzt.
Triumph Thunderbird SportBedingt durch die Zwangspause fand ich zumindest die Zeit, mir die Thunderbird Sport etwas näher im Detail anzuschauen. Auffällig war wieder einmal die überragende Verarbeitungsqualität, die Triumph bietet. Es ist wirklich beachtlich, auf welch’ konstant hohem Niveau die Arbeiter im britischen Hinckley Motorräder produzieren. Schweißnähte, Lackierung und Verchromung lassen keine Wünsche offen. Beglückwünschen muß man auch die Designer, denn es ist bemerkenswert, wie sie um ein und dasselbe Motorgehäuse herum so viele interessante und eigenständige Motorräder konstruieren.
Viele kleine Details entdeckt man erst beim näheren Hinsehen, wie zum Beispiel die Fußrastengummis mit Triumphschriftzug oder die gelochte Abdeckung im Ansaugbereich, die verdächtig stark an die Trident-Luftfilter aus den 70ern erinnert. Optisch dominierend ist aber eindeutig die rechte Fahrzeugseite der Thunderbird Sport, mit der imposanten Drei-in-zwei-Auspuffanlage. Daß sich dieser Trum ein klein wenig auf das Fahrverhalten auswirkt, stört nicht wirklich. Man merkt es nur, wenn man freihändig fährt, denn dann zieht die Maschine etwas nach rechts, vergleichbar dem Fahren mit ungleich beladenen Koffern. Die linke Fahrzeugseite wirkt gegen diese Chromatacke beinahe etwas unscheinbar.
Daß die Form nicht unbedingt der Funktion folgen muß, wird auch im Cockpit deutlich. Ausgesprochen klassisch sind die Ausgleichsbehälter für die Brems- und Kupplungshydraulik gestaltet, deren Bedienhebel sich dankenswerter Weise jedoch auf moderne Art einstellen lassen. Tacho und Drehzahlmesser fügen sich zusammen mit der gebürsteten Gabelbrücke harmonisch in dieses Bild ein. Die Schaltereinheiten halten sich optisch im Hintergrund und nur der Warnblinkschalter und der Not-Aus-Knopf sind rot hervorgehoben.
Triumph Thunderbird SportNichts klassisches findet man hingegen an der Bremsanlage der Triumph Thunderbird Sport, und das ist gut so. Der Bremsdruck wird vorne über Stahlflexbremsleitungen an die beiden Doppelkolbenbremszangen weitergeleitet, die sich bei Bedarf in zwei 310 Millimeter durchmessende Bremsscheiben verbeißen. Die Wirkung der Anlage überzeugt auf ganzer Linie. Ein einwandfrei zu ertastender Druckpunkt gepaart mit sehr guter Dosierbarkeit, nicht zu vergleichen mit der beängstigend brachialen Wirkung der Speed Triple. Motorradfahrerherz, was willst du mehr. Unauffällige Unterstützungsarbeit leistet die hintere Scheibenbremse, die nur bei kräftigem Zutritt blockiert.
Kritik muß sich Triumph bei der Thunderbird Sport nur an wenigen Stellen gefallen lassen. So sollten zum Beispiel die Spiegelarme stärker gekröpft sein, damit man nicht nur die eigenen Oberarme sieht, und dem Tankdeckel fehlt ein Schloß. Der Wendekreis fällt zu groß aus, die Sitzbankhalterung empfand ich als etwas fummelig, und einen Hauptständer sollte Triumph zumindest im Zubehörprogramm anbieten.
Trotzdem hat sich der Griff in den triumph-eigenen Baukasten auch diesmal wieder sehr gelohnt. Der Preis von 16.990 DM erscheint angesichts der gebotenen Qualität, dem Fahrspaß und des Designs angemessen. Desweiteren bietet Triumph dem Käufer neben einer roten Version der Tunderbird Sport noch eine sehr große Palette von Zubehörartikeln an. Von der Alarmanlage, über eine Einmann-Sportsitzbank oder einer King & Queen-Tourenbank bis hin zum Windschild sind jede Menge Spielereien erhältlich. Zwei Jahre Garantie ohne Kilometerbegrenzung sorgen dafür, daß der Traum nicht vorschnell endet.