aus bma 2/13
von Michael Przibilski

Ein Caféracer aus dem Laden - klar das Triumph da was zu bieten hat. Die Thruxton macht einfach Spaß und bringt einen trotz aller Moderne zurück zu den Wurzeln...„MODERN CLASSICS“ prangt es in Großbuchstaben auf dem Triumph-Pros­pekt. Modern und klassisch? Passt diese Aussage? Ich beschließe, dieses zu überprüfen.
Die Kamera, Helm und Jacke liegen griffbereit im Auto, meine innere Überzeugung verleitet mich zu einem Besuch bei unserem Lübecker Triumph-Vertragshändler und Motorradverleih. Nach wenigen Augenblicken sitze ich zum al­ler­ersten Mal auf einem Café-Racer, der Triumph Thruxton. Ruhig erklärt mir der freundliche Berater die Maschine. Zum Schluss noch ein Hinweis: „Ich möge es ruhig angehen lassen, Leistung wäre überreichlich vorhanden.“
Nun, gewiss handelt es sich um einen netten Hinweis, dem ich sowieso Folge leisten werde. Zum einen ist es nicht meine Maschine, zum anderen hänge ich sehr an meiner Gesundheit. Der Berater kann sich also entspannt zurücklehnen.

„Michael, start this Engine!“ Ja, gerne, nur finde ich das Zündschloss nicht! Seitenständer wieder ausgeklappt, vom Motorrad abgestiegen, und andächtig drei extra Runden um das Schmuckstück geschritten. Was ich sehe: die Thruxton sieht toll aus! Nur habe ich das Zündschloss immer noch nicht entdeckt. Schmunzelnd deutet der Verkäufer auf die richtige Stelle an der Telegabel. Oh je, wie peinlich.

Triumph-Thruxton ZuendschlossOk, Michael, du bist jetzt auf der Pole Position. Die Zündung ist eingeschaltet, da wartet schon die nächste Frage: Leuchten die Lämpchen der Anzeigen? Aufgrund der Sonne muss ich eine Hand über die Lämpchen halten, nur so kann ich etwas erkennen. Triumph, nehmt doch bitte die 3 Watt stärkere Version! In Anbetracht der mahnenden Worte klappe ich vorsichtig den Seitenständer ein, ziehe die Kupplung, und drücke den Starterknopf. Mit einem sonoren Klang erwacht der Parallel-Zweizylinder zum Leben. Was für ein Klang, der da aus den einzelnen Megafonen entweicht! Mit einem leisen „Klack“ flutscht der erste Gang nur so in seine Gasse. Bedächtig lasse ich die leichtgängige Kupplung kommen. Mit einem Nicken verabschiede ich mich vom Triumph-Mann, und begebe mich in den Lübecker Stadtverkehr. „Lass es ruhig angehen, gewöhne dich erst an die Maschine!“ ruft er mir noch nach…
Diese Thruxton kommt mir etwas unpassend vor. Meine Knie finden keinen Anschluss an den Tank, die Beinergonomie stimmt auch nicht so recht. Aber dieser Klang! Bis zum Verlag, es sind nur drei Kilometer, tun mir die Handgelenke etwas weh. Ich hole meine Kamera aus dem Büro und lasse mir noch ein paar schöne Strecken erklären. Dann sitze ich wieder auf, drücke den Starterknopf, und genieße ein paar Sekunden den tiefen Ton aus den zwei Schalldämpfern. Nachdem ich mir sicher bin, dass meine Kollegen genau jetzt ebenfalls Triumph fahren möchten, schalte ich in den ersten Gang und fahre los.

Geplant habe ich einen sachlichen Technik-Bericht mit vielen nützlichen Fakten. Fakten wie das Fahrverhalten und
die Leistungscharakteristik. Sie würden es in etwa so zu lesen bekommen:
Die Triumph Thruxton zieht ohne Loch gleichmäßig die Gänge hoch bis zur Drehzahlgrenze von 7.500 Umdrehungen pro Minute. Dabei entwickelt der Motor einen Sound, der dem Fahrer eine Gänsehaut beschert! Die niedrigste, fahrbare Geschwindigkeit für einen einigermaßen ruckfreien Antritt liegt im zweiten Gang bei etwa 10 km/h, im dritten Gang bei etwas über 20 km/h, im vierten Gang bei etwa 30 km/h und im fünften Gang bei etwa 45 km/h.
Dieser Schreibstil wäre für dieses Motorrad absolut unpassend, denn es ist eine Charakter-Maschine. Ein Motorrad, welches das innere Gefühl seines Fahrers packt, es dabei gewissenhaft mit Charme, Empfindungen und einem Fahrerlebnis einwickelt.

Triumph Thruxton Modell 2012Mein Fahrerlebnis ist noch nicht ganz so optimal. Sie merken, ich drücke mich dabei etwas diskret aus. Meine Beine beschweren sich über den fehlenden Kraftschluss mit dem Tank. Die Arme beschweren sich über die mangelhafte Lenkerergonomie, die Augen erblicken keine Anzeigen, und die Füße reihen sich auch sehr unwohl auf den Rasten ein. Jede Lenkbewegung, ist diese auch noch so klein, wird sofort in eine Richtungsänderung umgesetzt. Mit dem fehlenden Knieschluss gestaltet sich das Lenken als leicht unwohle Angelegenheit. Was haben sich die Entwickler nur dabei gedacht?! Oder liege ich etwa falsch?

Café-Racer ist das Zauberwort! Ich sitze sehr tourenmäßig auf der Thruxton, aufrecht und zu dicht am Tank! Nach vielleicht 10 Kilometern auf der Landstraße bemerke ich meinen Irrtum, endlich. Urplötzlich passen Tank und Beine zusammen, die Handgelenke freunden sich mit dem Lenker an und die Füße gehen eine Symbiose mit den Fußrasten ein. Hurra, ein völlig neues Erlebnis!!!

Wie waren noch die Worte des freundlichen Herrn? „Lass es ruhig angehen, gewöhne dich erst an die Maschine!“
Wie ausgewechselt präsentieren sich Mensch und Maschine. Die Triumph Thruxton entpuppt sich als kurvenhungriges Wiesel mit dem Brüllen eines jungen Löwen. Ich entdecke den Mut zu einem gewissen „Risiko“. Entgegen meinem Naturell absolviere ich immer öfter kurze Sprints, lasse den Motor abtouren, um dann wieder fauchend, brüllend das Tier unter meinem Hintern arbeiten zu lassen. Neben dem unvergleichbaren Sound entwickelt der Motor auch noch eine dezente Note von Fußspitzenmassage. Aber wirklich sehr dezent. Das Gesamtpaket begeistert mich! Ich verzichte freiwillig auf den Autobahntest, denn dafür ist mir die Zeit mit der Thruxton zu schade. Für mich ist diese Triumph hier ein Motorrad für den kurzen Sprint zwischendurch, also wirklich nichts zum stur geradeaus fahren.

Triumph Thruxton Modell 2012 CockpitDie L227 bei Badendorf und Dahmsdorf bietet eine tolle Strecke für einen Café-Racer. Langgezogene Kurven, 70 km/h-Zonen, dann wieder kurze Stücke mit Tempo 100. Unterbrochen von zahlreichen kleineren Dörfern mit Tempo „50″ oder „30″. In Zarpen biege ich nach rechts ab auf die L71. Die Landstraße bietet mir herrlichsten Fahrspaß. Das schwarze Band präsentiert sich spiegelglattgebügelt und mit langgezogenen Kurven gespickt. Wie genial sich die von mir vorher als kopflastige und kippelige Triumph eingeschätzte Maschine dirigieren lässt! Das Fahrwerk nimmt es gelassen auf, ob ich nun über kleine Unebenheiten gleite oder Gullideckel mitnehme, der Thruxton ist es völlig egal. Kaum auszumalen, hätte ich vergessen, meine Sitzposition zu korrigieren!

Mittlerweile fühle ich mich richtig wohl, bin eins geworden mit dem Motorrad. Überholvorgänge machen einen Heidenspaß, Kurvengeschlängel sowieso. Und jedesmal dieser Sound…

Doch wie verhält sich die Triumph auf kleinsten Straßen und Wegen? Ist sie auch dafür geschaffen? Um dieses herauszufinden verlasse ich in Heilshoop die Landstraße und biege auf den asphaltierten „Feldweg“ ein. Nur 2,5 Meter Fahrbahnbreite mahnen zur Vorsicht. Dank guter Bremsen kann ich der Sache gelassen entgegen sehen. Dennoch ist mein Geist hellwach, die Reaktionszeit dank „Bremsbereitschaft“ recht kurz gehalten. Wie auf der Landstraße lasse ich es auch hier gut krachen. Die Hecken links und rechts erzeugen eine Akustikwand, die vom Feinsten ist. Sie nehmen mir aber auch die Sicht auf das, was nach der nächsten Kurve zu erwarten ist. Keine Sorge, ich bin gut vorbereitet.

Plötzlich taucht eine Radfahrerin auf. Ich bremse abrupt ab, und rolle im Schritttempo an ihr vorbei. Bei dieser Aktion offenbart sich eine weitere kleinere Schwäche der Maschine. Die Bremskraft der hinteren Scheibe erscheint mir als zu gering gegenüber dem vorderen Stopper. Auch könnte die Pedalauflage am Fußbremshebel etwas größer bzw. der Hebel etwas nach rechts außen gerichtet sein. Vielleicht empfinde ich als „Hinterradbremser“ es etwas anders als Sie, liebe Leser. Wie dem auch sei, ich setze meine Fahrt fort und genieße fröhlich lächelnd den Tag.
Plötzlich entdecke ich ein schönes Fotomotiv. Ich stoppe und beginne zu wenden. Mit vollster Benutzung des Platzes reicht es nicht, die Triumph in einem Zug zu wenden. Zwei mal vor und zurück sollen es schon sein. Also noch eine kleine Schwäche entdeckt.

Triumph Thruxton Modell 2012Doch Michael, bedenke, wofür diese Thruxton erschaffen wurde! Liebe Thruxton, als Café-Racer sollst du nicht auf den schmalen Feldwegen umdrehen, du möchtest die Landstraße mit ihren zahlreichen Kurven durcheilen, und auf der Kö darfst du die Passanten mit deinem betörenden Sound beigeistern. Nix da mit Wendemanövern auf schmalen Radwegen!

Nach den zahlreichen Schnappschüssen begebe ich mich auf den Heimweg. Ich wähle denselben Weg nach Lübeck den ich gekommen bin. Eigentlich ist es schon schade, denn dieses Genussmotorrad vermittelt mir unendlichen Fahrspaß. Das Ding geht wie die Wucht ums Eck. Immer wieder drehe ich die Drehzahl von 1.500 auf 5.000 Umdrehungen, und lasse es wieder ruhiger angehen. Ich erwische mich sogar dabei, wie ich freudig die Fliegenleichen auf meinem Visier vermehre. Jeder kleine Punkt als Beweis für den absolut geilen Tag, denn wir zwei hatten.

Ich rolle noch einmal beim Händler vorbei, um an der nahegelegenen Tanke vollzutanken. Nur 5,1 auf 100 Kilometern habe ich der Triumph Thruxton aus dem Tank gesaugt. Ein sehr sparsames Motorrad bist du also auch!
Vollgetankt und mit einem immer noch breiten Grinsen gebe ich das Motorrad heil und unversehrt wieder ab. Etwas wehmütig setze ich mich in meinen vierrädrigen Blechkäfig und fahre wieder zum Büro. Tatjana, meine Kollegin, fragt kurz: „Na, wie war es?“ Ich antworte: Schau mir ins Gesicht!