von Michael Praschak
erschienen auch auf www.Asphalt-süchtig.de

Triumph Street Triple RS – Auf den Punkt …

Die Motorradsaison 2016 endete für mich mit einer handfesten Überraschung. Nachdem ich das ganze Jahr über die verschiedensten sportlichen und supersportlichen Motorräder mit überbordender Leistung und riesigen Drehmomentreserven bewegt hatte, war es kurz vor Saisonende ein vermeintlich schwachbrüstiges Dreizylinder-Mopped, das sich in mein Herz fuhr. Der kleine Drilling hörte auf den Namen Street Triple R und hatte mit nominell 106 PS im Vergleich zu aktuellen Superbikes nicht nur sehr wenig Leistung, auch die Ausstattung war ziemlich mau. Kein Schaltautomat, keine Anti-Hopping-Kupplung und aufgrund des Alters – die Streety blieb seit der Einführung 2014 unverändert – kein ABS. Dank des tollen Fahrwerks, der sportlich-aktiven Sitzposition und des rabauzigen Sounds hatte es mir die Einsteiger-Triumph aber ab dem ersten Meter angetan. Das Motorrad, das in der R-Version auch als Basis für den Street Triple Cup fungiert, brachte einfach alles mit, was man für den engagierten Landstraßenritt benötigt. Dank des sauber zu schaltenden Getriebes und des drehfreudigen Motors fiel nicht mal geringe Leistung wirklich negativ ins Gewicht. Aber man ist ja nie ganz zufrieden. Umso größer war die Freude, als Triumph im Januar für 2017 ein Modell-Update mit größerem Motor und vor allem eine noch sportlichere RS-Version der Streety ankündigte.

Leistung ist durch nichts zu ersetzen

Das dachten sich auch die Ingenieure bei Triumph, gingen beim Motor in die Vollen und spendierten dem Dreizylinder ein dickes Hubraumplus, welches sich äußerst positiv auf die Leistungswerte auswirkt. Der nun 765 ccm große Motor (früher 675) drückt laut Triumph in der RS-Version jetzt satte 123 PS sowie 77 Newtonmeter Drehmoment auf die Prüfstandsrolle. Das sind immer noch keine Werte, bei denen man Angst haben muss, dass die Streety beim Gasaufziehen den Asphalt ins Stücke reist, aber für ein Landstraßenmotorrad mehr als ausreichend. Vor allem für ein so leichtes wie die Street Triple. Mit ihren 166 Kilogramm Trockengewicht liegt sie 2 Kilo unter dem Wert ihrer Vorgängerin und verspricht so schon auf dem Papier ein noch agileres Fahrverhalten. In Anbetracht des größeren Motors, der nun vorhandenen Anti-Hopping-Kupplung und vor allem aufgrund der Euro-4-Auspuffanlage ist das besonders erstaunlich.

Aber nicht nur Leistung und Gewicht sprechen eine sehr sportliche Sprache. Auch das Fahrwerk der RS-Version lässt keine Wünsche offen und wurde in der 2017er Version noch mehr in Richtung Attacke getrimmt. Im Gegensatz zur Speed Triple R bekam die Streety zwar keine Öhlins-Gabel spendiert, aber auch die Showa Big Piston Fork arbeitet auf sehr hohem Niveau und lässt den Fahrer keine Sekunde im Unklaren darüber, was da zwischen Pneu und Asphalt vor sich geht. Am Heck glänzt dann aber auch die RS mit Schweden-Gold, hier wurde aber nicht das teure TTX36 Federbein der großen Schwester verbaut, sondern ein STX40, welches ebenfalls hervorragende Arbeit leistet und sich an der neuen, „Gullwing“-Schwinge abstützt. Laut Triumph zeichnet sich die komplett neu konstruierte Schwinge durch eine erhöhte längsseitige Torsions- und dabei zeitgleich verringerte Seitensteifigkeit aus, was in Kombination nicht nur die Stabilität bei hohen Geschwindigkeiten erhöhen, sondern auch für ein präziseres Fahrverhalten und eine engere Linienwahl beim harten Herausbeschleunigen aus Kurven sorgen soll.

Wer rechts derbe am Quirl dreht, muss anschließend in der Regel auch ordentlich am Hebel ziehen, um die aufgebaute Energie in Bremsstaub und Abwärme zu verwandeln. Da das neue Aggregat der RS jetzt 17 PS mehr abfeuert, wurde auch bei der Bremsanlage nachgelegt und die Mannen in Hinckley verbauen an der RS nun feinste Brembo M50 4-Kolben-Monoblock-Bremsättel der Kategorie „Ein-Finger-Bremse“.

Liebe zum Detail

Die RS überzeugt aber nicht nur auf den ersten Blick. Auch bei genauerem Hinsehen leistet sich die Triumph keinen Schwächen und glänzt vor allem mit den Details. Freut man sich zum Beispiel schon wie ein kleines Kind über die High-End-Bremsanlage und die Kombination aus Brembo-Sätteln und Stahlflex-Leitungen, wird das Grinsen noch ein bisschen breiter, wenn man bemerkt, dass sich der zugehörige Bremshebel nicht nur aus der Entfernung einstellen lässt, sondern auch die Übersetzung der Bremspumpe variabel ist. Wohin das Auge auch blickt, überall steckt ein bisschen mehr drin. Sei es die neue Lampeneinheit, die durch das überarbeitete Design und das LED-Tagfahrlicht nicht nur mehr Dynamik ausstrahlt, sondern bei der Nachtfahrt auch mit überragender Lichtausbeute überzeugt oder das brandneue TFT-Display, das neben einer Fülle von Informationen und Einstellmöglichkeiten auch mit toller Ablesbarkeit und intuitiver Bedienung begeistert.

Und auch bei der Optik verschenkt die Streety keine Punkte. Zugegeben, über Design und Geschmack lässt sich streiten und mir persönlich haben die Scheinwerfer der Vorgängerin besser gefallen, beim Finish ist die Street Triple aber über jeden Zweifel erhaben. Einfach schön, wie sich die Design-Elemente in den verschiedenen Anbauteilen wiederfinden und welche hohe Verarbeitungsqualität die unterschiedlichen Komponenten aufweisen. Das fängt am Heck beim langen, aber filigranen Kennzeichenhalter an, setzt sich beim Triumph-Schriftzug in Reliefschrift am Tank fort und hört bei der fein gearbeiteten Aufnahme für die Bremssättel auf. Man könnte sich einfach nur vor das Mopped setzen und sich an den Details erfreuen. Aber die Streety will natürlich nicht nur bewundert, sondern vor allem gefahren werden! Und da das Mopped so viel sportliche Qualitäten mitbringt, ging es diesmal nicht nur auf die Hausstrecke.

Großes Kino – in allen Lebenslagen

Da die Triumph Pressemappe keine Auskunft darüber gibt, welche Bedeutung sich hinter dem Kürzel „RS“ tatsächlich verbirgt, mir „Renn-Semmel“ aber als am naheliegendsten erschien, ging es mit der Streety zum ersten Schlagabtausch direkt auf die Renne. Die Wahl fiel hierfür auf den Circuit Jules Tacheny im belgischen Mettet. Der kleine aber feine Kurs ist als abwechslungsreiche Berg- und Talbahn und mit der kurzen Geraden wie dafür gemacht, um aufrecht sitzend unter den Gebückten zu wildern und Ross und Reiter fühlten sich hier schon nach dem ersten Turn wie zu Hause. Das liegt zum einen daran, dass man sich auf der nur 2,3 Kilometer kurzen Strecke sehr schnell zurechtfindet, vor allem aber am extrem ausgewogenen All-Inclusive-Paket der Triumph. Neben dem bereits erwähnten, stärkeren Motor, dem formidablen Fahrwerk und der superben Bremsanlage hat die Street Triple RS nämlich auch einen sehr gut funktionierenden Schaltautomat, eine Anti-Hopping Kupplung sowie eine abschaltbare, dreistufige Traktionskontrolle (Regen, Straße, Rennstrecke) und vier verschiedene Fahrmodi (Regen, Straße, Sport und Rennstrecke) mit an Bord. Und – den Racer freut’s besonders – auch das obligate ABS ist im Rennstrecke-Modus komplett deaktivierbar. In Kombination mit den klebrigen Pirelli Supercorsa SP bleiben fürs Brennen eigentlich keine Wünsche offen.

Triumph Street Triple Modell 2016 vs. 2017 (rechts)Wie schon bei der Vorgängerin ist die Sitzposition der neuen Street Triple zwar entspannt, aber immer noch so aktiv, dass man beim Griff nach dem breiten Lenker sofort in den Attackemodus schaltet. Aber nicht nur die Sitzposition macht Lust auf Angriff, auch der Drilling trägt sein Scherflein dazu bei. Schon bei Standgas schmeichelt der Dreizylinderklang den Ohren und lässt man den niedrigen Drehzahlbereich hinter sich, verkündet der Antrieb für ein Euro-4-Motorrad mit überraschend viel akustischem Nachdruck, dass er Spaß am Ballern hat. Da wird jeder Zwischensprint zum reinsten Ohrenschmaus. Doch nicht nur der Sound macht den Motor zum echten Freudenspender. Lauscht man beim harten Herausbeschleunigen zu lange dem munteren Treiben im Maschinenraum, wird der Vortrieb ruck, zuck vom Begrenzer eingebremst. Einfach herrlich, wie befreit der Motor Richtung roten Bereich dreht und dabei bis Ultimo ordentlich Leistung ans Hinterrad schickt. Vor allem in den unteren Gängen ist man dann nur froh, dass man die nächste Fahrstufe des fein zu schaltenden Getriebes blitzschnell per Quickshifter einlegen kann. Gibt die Gerade es her, rutscht man auf der Sitzbank ein Stück nach hinten, versteckt sich hinter dem winzigen Windschild, lädt bis zur nächste Kurve die Gänge durch und erfreut sich an der Landschaft und den Supersportmotorrädern, die man im Augenwinkel verschwinden sieht. Letztgenannte haben aber auch in der Anbremszone nichts zu lachen. Zwar ist durch den höheren Lenker das Gefühl fürs Vorderrad nicht ganz auf Sportlerniveau, die fein dosierbaren Brembos und die hervorragend arbeitende Showa-Gabel machen das aber mehr als wett. Einfach die Fuhre mit zwei Fingern zusammenstauchen, noch auf der Bremse spielend leicht abwinkeln und mit einem Grinsen auf den Lippen durch die Kurve pfeilen. Das alles fährt sich so sportlich und geht so einfach von der Hand, dass man etwas überrascht aufschreckt, wenn die Standardfußrasten verhältnismäßig früh Furchen in den Asphalt fräsen.

Das ist dann aber auch schon der einzige Kritikpunkt beim Einsatz auf der Rennstrecke. Im Straßenbetrieb gab es bei der Schräglagenfreiheit keinen Grund zur Beschwerde. Nachdem sich das Fahrwerk der Triumph auf der Renne als äußerst hartgastauglich erwies, lag hier eher die Vermutung nahe, dass die Dämpfer für den normalen Straßenbetrieb zu straff ausgelegt sein könnten. Doch auch auf der großen Landstraßenrunde mit mittelprächtigem Belag gab sich die Streety keine Blöße. Die Federelemente bügeln sensibel auch über grobe Macken im Asphalt hinweg und berichten dabei haarklein über den Status Quo an Vorder- und Hinterhand. Und so sammelt die Streety auch im öffentlichen Verkehrsraum jede Menge Punkte und überzeugt hier erneut mit der großartigen Sitzposition, der sehr leichtgängigen Kupplung, dem tollen E-Gas und – wen wundert’s – wieder mit dem Motor, der durch sein piekfeines Ansprechverhalten ab Standgasdrehlzahl auch im Stadtbetrieb jede Menge Freude bereitet.

Als wäre das nicht schon genug der Alltagstauglichkeit, setzten die Briten sogar noch einen drauf. Denn während vielen Moppeds den Pflichtteil ordentlich meistern, dann aber in der Kür schwächeln, kann die Street Triple RS sogar in den verschiedenen B-Note-Disziplinen glänzen. So wird zum Beispiel die Nachtfahrt sprichwörtlich zu einer erhellenden Erfahrung, denn das, was die Scheinwerfer leisten, sucht man bei den meisten anderen Moppeds vergebens. Und auch die Ablesbarkeit des neuen TFT-Displays sowie die Bedienbarkeit der Armaturen kann man als absolut gelungen bezeichnen.

Die perfekte Begleitung

Brötchen holen, Feierabendrunde, Rennstrecke – Triumphs Street Triple Top-Modell „RS“ gelingt tatsächlich der Spagat zwischen den Welten – und das par excellence. Kaum ein anderes Motorrad schafft es, so viel Alltagstauglichkeit und Sportsgeist zu vereinen und das Ganze auch noch mit einer ordentlichen Portion Emotionen abzurunden. Der Motor ist wohlerzogen und kraftvoll, hat durch den Dreizylindersound aber auch jede Menge Charme. Das Design ist nicht nur eigenständig, sondern auch bis ins Detail durchdacht und überzeugt mit einem edlen Finish. Abgerundet wird das Ganze durch die tolle Ausstattung, die mit den sehr hochwertigen Komponenten sogar im Rennstreckeneinsatz eine starke Figur macht. Mehr kann man sich fast nicht wünschen. Und das Beste: für 11.600 € gibt es all das auch noch zu einem vernünftigen Preis. Ich habe schon mal angefangen zu sparen. Wenn ich doch nur die fehlenden 11.599 € schon hätte …


Fotos: Praschak, Triumph