Die Thronfolgerin

aus Kradblatt 7/25 von Michael Praschak

Triumphs Speed Triple ist zweifelsohne die Königin der Naked Bikes. Du wunderst dich jetzt sicher, was die Speed Triple zur Königin macht, obwohl es stärkere, sportlichere und schnellere Modelle gibt. Die Erklärung ist aber ganz einfach. Es gibt Motorradmodelle, die begleiten einen gefühlt das gesamte Motorradleben – selbst dann, wenn man sie selbst noch gar nicht gefahren ist. 

Nasse Straßen bei der Landstraßenausfahrt - kein Problem
Nasse Straßen bei der Landstraßenausfahrt – kein Problem

Ich bin mir sicher, auch du hast sofort ein oder zwei Modelle vor Augen. Da gibt es diese Reiseenduro aus Bayern, die scheinbar im Alleingang ein ganzes Genre geprägt hat. Oder diesen Supersportler aus Japan, mit dessen ikonischem Beinamen auch Menschen etwas anfangen können, die keinen Motorradführerschein haben. Und da gibt es die Triumph Speed Triple. 

Cooles Tagfahrlicht
Cooles Tagfahrlicht

Seit 1994 mit der T300B die erste Speed Triple vorgestellt wurde, verkörpert sie vermutlich wie kein anderes Motorrad den Geist des sportlichen, ja fast rebellischen Naked Bikes. Dank Triple-Sound schon immer akustisch erfrischend anders, das Design seit jeher polarisierend – auch wenn der Dreizylinder spätestens mit der Einführung der Speed Triple 1200 im Jahr 2021 einer breiteren Masse gefallen konnte. Zur Saison 2025 gibt es nun das insgesamt zwölfte Modell der Speed-Triple-Reihe. 

Bei der Präsentation im portugiesischen Portimão ist es dann auch die Optik, die besonders überrascht. Nicht, weil es tiefgreifende Änderungen gibt, sondern eher, da die Neuerungen als optische Retuschen beschrieben werden müssen. Lampenmaske, Tankform und Heckverkleidung zeigen sich unverändert, lediglich die Form der Soziusabdeckung wurde etwas angepasst. Zugegebenermaßen liegt es in der Natur der Dinge, dass ein Naked Bike kaum Spielraum für große optische Updates hat, zumal das Heck der Speed Triple mit der prägnanten Lichtsignatur wohl zu den schönsten Kehrseiten gehört, die man im Straßenverkehr vor sich haben kann. Das gilt auch für die Verarbeitung und das Finish. Kaum ein Motorrad auf dem Markt wirkt so clean und aufgeräumt wie die Speed Triple.

Neben den neuen Dekoren fallen beim genaueren Hinsehen bei der abendlichen Präsentation in der Boxenanlage von Portimão dann aber doch noch Änderungen auf. So rollt das 2025er Modell immer noch auf Reifen vom Typ Pirelli Supercorsa SP V3, die werden jetzt aber auf neue, leichtere Felgen gezogen. 

Großer Spaß auf der Rennstrecke
Großer Spaß auf der Rennstrecke

Auch die Auspuffanlage wurde neu gestaltet, um den schärferen Emissionsvorgaben von Euro 5+ gerecht zu werden. Laut Triumph wurde bei dieser Gelegenheit gleich das Strömungsverhalten optimiert, was in Kombination mit dem geänderten Motormanagement die Leistung um 3 PS auf nun nominell 183 fröhliche Pferdchen erhöht. 

Semiaktives Öhlins-Fahrwerk
Semiaktives Öhlins-Fahrwerk

Kleinere Optimierungen am Rahmen, der etwas höhere und breitere Lenker sowie das neue Wuchtverfahren für die Kurbelwelle für noch mehr Laufruhe waren den Briten nur eine Randnotiz wert, denn die eigentliche Evolution des Motorrads findet sich in der Elektronik, allen voran im semiaktiven Fahrwerk mit der neuesten SmartEC3-Technologie von Öhlins. Entsprechend viel Zeit nahm man sich, das ereignisbasierte System zu erläutern. Die großen Vorteile: Dank des in der NIX30-Gabel und im TTX36-Federbein verwendeten Schiebeventils arbeiten die Dämpfer deutlich schneller, und die sich kontinuierlich anpassende Dämpfung ermöglicht es, einen deutlich größeren Arbeitsbereich abzudecken als bei einem konventionell arbeitenden Fahrwerk. Vereinfacht gesagt beherrscht das Fahrwerk den Spagat zwischen dem Komfort, den man sich beim Bummeln wünscht, und der Sportlichkeit, die es im Attackemodus braucht.

Kompaktes, übersichtliches Farb-TFT
Kompaktes, übersichtliches Farb-TFT

Was schwer vorstellbar klingt, spürt man sofort, wenn man auf der neuen Speedy Platz nimmt. Das Motorrad gibt unter einem nämlich mehr nach, als die goldenen NIX30-Gabel und das TTX36-Federbein erwarten lassen. Deutlich unauffälliger aber dadurch umso bemerkenswerter ist die leicht geänderte Sitzposition. Das Dreieck aus dem etwas höheren und breiteren Lenker, der 830 Millimeter hohen Sitzbank und den nicht zu hoch und weit hinten positionierten Fußrasten passt so gut, dass man sich schon vor dem Start wünscht, der Landstraßentag möge kein Ende nehmen. 

Ein wunderschönes Naked Bike, ein auf dem Papier kraftvoller Motor, eine gelungene Sitzposition und ein High-End-Fahrwerk – was kann da die Lust aufs Motorradfahren noch verderben? Genau: das Wetter. Am Morgen des Landstraßentages in den Bergen der Algarve, herrschten mit nassen Straßen und Temperaturen zwischen 10 und 15 Grad nicht unbedingt die besten Bedingungen, um mit einem potenten Drilling auf Hypersport-Reifen mittlere bis schlechte Landstraßen unter die Räder zu nehmen. Nachdem die Elektronik über den Powerbutton an der rechten Lenkerarmatur zum Leben erweckt wurde, führt der zweite Griff daher direkt zum Wahlknopf für die Fahrmodi, um in den Rain-Mode zu wechseln. 

Speed Triple RS - famoser Motor in tollem Fahrwerk
Speed Triple RS – famoser Motor in tollem Fahrwerk

Dass diese zurückhaltende Herangehensweise sinnvoll, aber nicht unbedingt nötig ist, zeigt sich schnell. Denn zum einen sitzt man auch auf der neuen Speed Triple immer noch sportlich, aber trotzdem so komfortabel, dass man die Triumph auch auf herausforderndem Geläuf entspannt dirigieren kann. Zu dieser Entspannung tragen maßgeblich das Fahrwerk und die hervorragend arbeitende Elektronik bei. Je nach Fahrmodus (Rain, Road, Sport und Track) arbeitet die Elektronik auf der Grundabstimmung Komfort, Standard oder Dynamik, die die Arbeitsweise der Gasannahme, der Regelsysteme und des Fahrwerks entsprechend beeinflussen. So ist im Regenmodus nicht nur die Leistung auf 100 PS reduziert, auch das Ansprechverhalten von Fahrwerk und Drosselklappen ist deutlich sanfter ausgelegt, die elektronischen Assistenzsysteme wie Traktionskontrolle und Kurven-ABS greifen früher ein.

Wheelies fängt die Elektronik souverän ein
Wheelies fängt die Elektronik souverän ein

Umso erstaunlicher ist, wie viel Vortrieb der Triple am Kurvenausgang oder beim Überholen auf nasser Straße erlaubt. Denn im Gegensatz zur Spitzenleistung kann das maximale Drehmoment von 128 Newtonmetern voll abgerufen werden – sofern das System erkennt, dass die Kontrollparameter aus der 6-Achsen-IMU das zulassen. Greift die Elektronik beim Beschleunigen ein, tut sie das schon lange über die Drosselklappenstellung, bevor es zur Intervention der Traktionskontrolle kommt. Trotz der mächtigen Bremsanlage mit Stylema-Sätteln und 320er-Scheiben von Brembo gelingen dank des im Rain- und Road-Modus komfortabel ansprechenden Fahrwerks Bremsmanöver im Nassen ohne Schweißausbruch. 

Vom sensible Ansprechverhalten und dem deutlich breiteren, automatisch adaptierten Dämpfungsbereich des Fahrwerks profitiert man natürlich in allen Fahrsituationen. Lässt man es ruhig angehen, erkennt das System, dass man im Bummel-Modus unterwegs ist und öffnet die Dämpfung, sodass die Triumph trotz der supersportlichen Federelemente sehr komfortabel über Fahrbahnun­ebenheiten hinweggleitet. 

Für die Rennstrecke abnehmbarer Kennzeichenhalter
Für die Rennstrecke abnehmbarer Kennzeichenhalter

Das ändert sich im Attackemodus. Auch an Tag zwei mit der Triumph prägt am Vormittag Regen das Bild, nun aber auf der spektakulären und nicht minder herausfordernden Achterbahn des Autódromo Internacional do Algarve nahe Portimão. Und die Strecke trägt den Spitznamen „Roller Coaster“ zu Recht. Der Kurs gleicht einer Berg-und-Tal-Bahn, viele Kurven sind blind. Am sogenannten „Wasserfall“ und an der Steigung hoch zu Start-Ziel verliert das Vorderrad auch im Nassen den Bodenkontakt – an letztgenannter Stelle im vierten oder sogar fünften Gang. Bekommt man zu Beginn noch jedes Mal feuchte Hände, vertraut man der 4-stufigen Wheelie-Control der Speed Triple hier immer mehr. Gleiches gilt für die Traktionskon­trolle und das ABS im Trackmodus. Arbeitet dieses im Straßenbetrieb mit Kurvenfunktion an Vorder- und Hinterrad, greift es auf der Rennstrecke auf Wunsch nur am Vorderrad und im äußersten Notfall ein. Selbst massive Stoppies im Stil eines Toprak Razgatlıoğlu sind dann möglich. Und natürlich Ankern auf der letzten Rille. Trotz Regenreifen hat die Traktionskontrolle auf nasser Strecke gut zu tun, Rutscher in nach außen abfallenden Kurven fängt sie aber souverän wieder ein.

Am endlich trockenen Nachmittag kann die neue Speed Triple dann noch zeigen, wie viel Performance und Einstellungsmöglichkeiten in ihr stecken. Mit Supercorsa-SC-Reifen in der Racing-Mischung SC2 und vollem Track-Modus (Traktions-, Wheelie- und Brake-Slide-Kontrolle auf niedrigster Stufe) beeindruckt die RS mit vehementem Vortrieb, einfachem und neutralem Handling und viel Gefühl fürs Vorderrad. Wäre da nicht der Orkan, der einen am Ende von Start-Ziel fast vom nackten Renner zieht, könnte man fast meinen, man sitzt auf einem echten Sportler. Lediglich die optional erhältliche Lampenmaske rutscht bei Geschwindigkeiten weit über 200 km/h nach ganz oben auf der Wunschliste.

Ein Quickshifter ist auch an Bord
Ein Quickshifter ist auch an Bord

Denjenigen, die mit der Speed Triple tatsächlich an Rundenzeiten feilen möchten, bietet das semiaktive Fahrwerk der 2025er die entsprechenden Einstellungsmöglichkeiten. Ausgehend von der Abstimmung des gewählten Fahrmodus lassen sich über das Öhlins Objective Based Tuning Interface (OBTi) die Eigenschaften des Fahrwerks in verschiedenen Fahrsituationen anpassen. Wer unbedingt möchte, kann auch ganz auf die Unterstützung der Elektronik verzichten und das Fahrwerk analog zu einem konventionellen über das Menü einstellen. Für ungehinderten Fahrspaß auf dem Rundkurs braucht es dann nur noch eine etwas sportlicher ausgelegte Fußrastenanlage.

Wie gut das Motorrad und die Elektronik funktionieren, veranschaulicht kurz vor Ende der Veranstaltung noch eine Wheelie-Session auf der Start-Ziel-Geraden. Selbst absoluten Wheelie-Anfängern wie dem Autor erlaubt die neue Speed Triple ansehnliche Wheelies über mehrere hundert Meter. Einfach Gas aufreißen und offen halten und via Quickshifter die Gänge nachladen – die Elek­tronik macht den Rest. Man sollte sich dann nur nicht zu sehr daran gewöhnen und glauben, man könne das erhabene Wheeliegefühl auch ohne die nötigen fahrerischen Fähigkeiten abrufen. Nach dem Wechsel auf ein anderes Naked Bike droht sonst eventuell eine schmerzhafte Lehrstunde. 

Weitere Features – die bei der Performance-orientierten Präsentation aber wenig Aufmerksamkeit erhielten, sind die komplett schlüssellose Bedienung (Zündung/Lenkschloss/Tank) und das serienmäßige „My Triumph“ Konnektivitätssystem für Navigation & Co. Nice to have, hätte die Queen wohl gesagt. 

Fazit: Dreißig Jahre Speed Triple, und das 2025er Modell fühlt sich so an, als wolle Triumph der Modellreihe mit der neuen die Krone aufsetzen. Dank der gewohnt tollen Verarbeitung, der hochwertigen Anmutung, der hervorragenden Elektronik und der intuitiven Fahrbarkeit kann man die neue Speed Triple zweifellos als besten Triple aller Zeiten bezeichnen. 

So viel Premiumanspruch hat natürlich seinen Preis. Wer das sportliche Flaggschiff in der Garage möchte, sollte mindestens 19.995 € auf der hohen Kante haben. Ein paar Euro mehr für die Lampenmaske und den Flyscreen sind für besseren Windschutz unbedingt zu empfehlen.

Mehr Infos gibts bei euren Triumph-Vertragshändlern.

Landstraße oder Trackday - die Speed Triple RS legt die Triple-Latte wieder etwas höher
Landstraße oder Trackday – die Speed Triple RS legt die Triple-Latte wieder etwas höher