aus bma 07/96

von Marcus Lacroix

Die Nacht hatte schon begonnen, als ich nach einem langen Tag auf einer Parkbank sitzend langsam zur Ruhe kam. In dem Café hinter mir begann die Bedienung bereits mit dem Zusammenstellen der Stühle. Vor mir stand leise tickend die Triumph Speed Triple. Obwohl, wenn ich es mir so recht überlege, ist Stehen Triumph Speed Triple 750 gewiß das falsche Wort. Ich hatte sie an diesem Tag auf einigen hundert Kilometern über Straßen aller Art gejagt und war entsprechend geschafft. Die Speed Triple stand nicht einfach da; sie lauerte vor mir, wie eine Raubkatze die sich zum Sprung bereit macht. Teuflisch schwarz, schwärzer als die Nacht, vor Kraft nur so strotzend und kein bißchen müde; des Teufels Spielzeug.

Angefangen hatte alles mit dem Angebot der Firma Lohrig und Kölle aus Syke, die Triumph Speed Triple einmal ausgiebig zur Probe zu fahren. Natürlich war ich der größte „hier”-Rufer in der Redaktion, als es um die Vergabe der 900er ging. Nur selten hat mich ein Motorrad schon vom bloßen Anblick her so in seinen Bann gezogen. Aus diesem Grund müßt Ihr mir auch verzeihen, falls Euch dieser Fahrbericht nicht objektiv genug erscheint.

Wie Ihr schon auf den Fotos sehen könnt, ist die Triumph in erster Linie vor allem schwarz. Sie ist sogar so schwarz, daß sie uns bei der Fotosession vor echte Probleme stellte. So viel Schwarz will erst einmal richtig belichtet werden. Nicht nur aus diesem Grund nennt Triumph die Farbe „Diabolo Black”. In zweiter Linie strotzt sie schon optisch nur so vor Kraft und dieser Eindruck täuscht ganz und gar nicht.

Triumph Speed Triple 750 98 Pferdestärken mobilisiert ihr Dreizylindermotor bei 9000 U/min. 83 Newtonmeter liegen als höchstes Drehmoment schon bei 6500 U/min an. Diese Werte reichen der Triple trotz des leichten Übergewichts von immerhin 250 kg für beachtliche Fahrleistungen. Die Sportler unter Euch werden ob des genannten Gewichts jetzt wohl die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. So viele Kilos, dabei hat das Teil ja nicht mal ’ne Verkleidung. Da stellt sich uns natürlich die Frage, ob die Triumph denn überhaupt ein Sportler sein will.

Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Da heutzutage ja jedes Motorrad in eine Schublade gepreßt werden muß (wer sagt das überhaupt?), hat Triumph sich dazu entschlossen, die Speed Triple einen „Café-Racer” zu nennen. Was, ein Moped, nur um von einem Café zum nächsten zu sprinten? Das kann doch nicht alles sein! Ist es natürlich auch nicht. So wird die schwarze Schönheit auch in der Triumpheigenen Triple Challenge Rennserie eingesetzt. Also doch ein Sportler? Lassen wir die Einteilerei und nennen wir sie einfach Motorrad.

Dieses Motorrad hat also einen flüssigkeitsgekühlten Dreizylindermotor, welcher über insgesamt drei 36er Flachschieber-Gleichdruckvergaser und je zwei Einlaßventile pro Zylinder beatmet wird. Nachdem das Super-bleifrei Gemisch 10,6:1 verdichtet und danach zur Explosion gebracht wurde, dürfen die Abgase über wiederum je zwei Auslaßventile in die Zweirohr-Auspuffanlage entweichen. Gesteuert werden die Ventile über zwei obenliegende Nockenwellen (=DOHC). Na, das klingt doch wirklich langweilig, oder?

Dabei ist der Motor an sich schon ein Gedicht. Ein sehr schön anzuschauendes Stück Maschinenbautechnik, das mit Hilfe des am Lenker montierten Chokes jederzeit problemlos zum Leben erweckt werden kann. Die Sprache die er dann spricht, klingt wie Musik in meinen Ohren: ein heiseres Röcheln bei Standgas, das bei höheren Drehzahlen zunehmend aggressiver wird. Auch Lemmy von Motörhead könnte das nicht besser. Läßt man die Maschine dann im Schiebebetrieb arbeiten, verbreitet die Auspuffanlage ein sattes Donnergrollen. Wohl nur wenige Mopeds klingen bereits serienmäßig so gut. Auf der Triple sitzend spürt man von dem recht hohen Gewicht fast nichts mehr. Trotz mäßiger 176 cm Körperlänge erreiche ich mit angewinkelten Beinen den Boden. Die Sitzposition ist sportlich, aber keineswegs unbequem. Lediglich der unter der (aufpreispflichtigen) Sitzbankabdeckung befindliche Soziusplatz wird auf langen Strecken keine Freunde finden.

Alle Bedienelemente liegen gut in den Händen, Kupplungs- und Handbremshebel lassen sich vierfach verstellen. Die Instrumente sind ein Traum in Weiß und Chrom und nur die Kontrolleuchten trüben das gute Gesamtbild. Sind sie bei Nacht wirklich hübsch anzusehen, verlieren sie bei Sonneneinstrahlung jegliche Signalwirkung. Die Rücksicht in den Spiegeln ist gut und der Knieschluß zum 25 Liter Tank ist super.

Wahrscheinlich ahnt Ihr es schon, daß mir die Speed Triple auch im Fahrbetrieb viel Freude bereitet hat. Der Motor liefert Kraft satt und es ist eigentlich egal, in welchem Gang man das Motorrad über die Landstraßen scheucht. Vierter, fünfter oder sechster Gang, Leistung ist immer vorhanden. Dreht man die Gänge beim Beschleunigen aus, fühlt man sich wie Münchhausen auf seiner Kanonenkugel. Das Getriebe läßt sich gut schalten, verlangt aber nach einem exaktem Schaltbefehl. Ein lasches Antippen des Schalthebels reicht nicht zum sauberen Gangwechsel. Überraschend gering fiel der Spritverbrauch aus. Trotz zügiger Fahrweise, inklusive einem kurzen Autobahnvollgastest, genehmigte sich die Triple nur 5,5 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometern. Das hatte ich wirklich nicht erwartet.

Bremse Jederzeit Herr der Lage ist die Bremsanlage. Zwei 310 mm Scheiben vorne, in die sich zwei Vierkolben-Festsattelbremszangen verbeißen sowie eine 255 mm Scheibe hinten mit einer Doppelkolben-Schwimmsattelzange haben keine Probleme, die Triumph aus jeder Fahrsituation heraus zum Stehen zu bringen. Zur guten Dosierbarkeit der Bremsen tragen sicherlich auch die serienmäßigen Stahlflexbremsleitungen bei. Bremst man die Maschine in schnelle Kurven hinein, fällt allerdings eine unschöne Eigenheit auf. Die breite Bereifung, 120/70 ZR 17 vorne und 180/55 ZR 17 hinten, sorgt zwar für eine brachiale Optik, nervt dafür aber mit einem starken Aufstellmoment. Das bedeutet: beim starken Bremsen in Kurven versucht sich das Motorrad aus der Schräglage herraus aufzurichten und muß mit hohem Kraftaufwand unten gehalten werden. Löst man die Bremse, kehrt sich das Kräfteverhältnis um und man muß den Kraftaufwand entsprechend schnell verringern. Eine saubere, schnelle Linie wird dadurch oft vereitelt. Mit dieser Tücke haben allerdings alle breit bereiften Motorräder mehr oder weniger stark zu kämpfen. Die serienmäßigen Michelin Hi-Sports Reifen haben mir aber nicht nur deswegen nicht gefallen. In schnellen Kurven auf buckeligen Landstraßen sorgen sie für Unruhe. Zwar ließ sich dieser Effekt durch eine leichte Erhöhung des Reifendrucks sowie eine Änderung der Gabelabstimmung mildern, zum Kurvenkratzen reichte es aber dennoch nicht. Auch Triumph-Händler Udo Kölle bestätigte mir, daß sich die Speed Triple mit der im Fahrzeugschein eingetragenen Bridgestone-Bereifung wesentlich harmonischer fährt. Leider hatte ich nicht genug Zeit, mehr an dem vielfältig einstellbarem Fahrwerk herumzudrehen. Wer die Triple sportlich bewegen möchte, sollte die Michelin also am besten publikumswirksam vor dem nächsten Bikercafé in einem zünftigem Burnout abbrennen und sich geeignetere Gummiwalzen kaufen (Achtung, Satire!). All diejenigen, die sich daran erfreuen, mit dem Motorrad eher gesittet über Land zu fahren, können den Reifenwechsel getrost bis zum natürlichen Verschleiß aufschieben.

Das Fahren über Land ist es auch, was neben dem Café-racen mit der Triumph Speed Triple besonderen Spaß macht. Das gute Handling und der – für eine sportliche Maschine – hohe Federungskomfort überzeugen. Der besonderen Gefahr des Land-straßenfahrens fühlte ich mich auf der Speed Triple übrigens nicht so stark ausgesetzt. So manch ein Fahrer eines supersportlichen Motorrades kennt bestimmt das alte Problem: eine „GSXFZR-ZXRRRhastenichtgesehen” macht bei 100 km/h auf der Landstraße einfach keinen Spaß. Da stehen unbemerkt schnell einmal 160 auf dem Tacho. Jeder, der um seinen Lappen fürchtet, sollte bei seinem Triumph-Händler für eine Probefahrt auf der Speed Triple vorbeischauen. Und auch das freie Blasen auf der Autobahn bekommt bei 210 km/h auf einem unverkleideten Motorrad eine ganz neue Bedeutung. Zugegeben, Reisegeschwindigkeiten über 160 km/h gehören aufgrund der fehlenden Verkleidung nicht zu den Vorlieben der Speed Triple. Dem Himmel (oder der Hölle?) sei Dank!

Ganz billig ist der Schutz des Führerscheins allerdings nicht. 19.365 DM inklusive Fracht kostet die schöne Nackte. Dafür erhält man aber ein hervorragend verarbeitetes Motorrad, das im Kreise der exklusiven Stücke seinesgleichen sucht. Wer jetzt noch Geld im Portemonaie hat, dem kann geholfen werden. Als sinnvoll erwies sich der Scottoiler (190,50 DM) an unserer Probefahrtmaschine, der immer für eine ausreichend geschmierte Antriebskette sorgte. Außerdem konnte uns Udo Kölle von der Triumph Fahrerausstattung über einen goldeloxierten Aluschraubenkit, diverse Kohlefaserteile, einem Superbikeumbau bis hin zur Verkleidungshalbschale (welch eine Schande) alles bieten, was das Herz begehrt. Wer etwas Farbe in seinen grauen Alltag bringen möchte, der kann die teuflisch Schwarze ohne Aufpreis auch in „Fireball Orange” erhalten.
Zu mäkeln gibt es an der Triumph Speed Triple nur wenig. Das Bordwerkzeug ist ein Witz. Es langt so gerade mal zum Kette spannen. Leider hat die Maschine keinen Hauptständer, der einem die Arbeit erleichtern könnte. Allein diese Tatsache macht den Scottoiler schon empfehlenswert (er paßt übrigens auch an andere Motorräder). Den mäßigen Soziusplatz bei einem Café-Racer zu bemängeln ist vielleicht nicht ganz fair, also laß ich es. Auf den schon erwähnten Kontrolleuchten muß ich aber noch einmal herrumhacken, denn sie taugen wirklich nichts, und die Serienbereifung sollte man in Hinckley auch schnell ändern.

Wie Ihr seht, hat die Triple meiner Ansicht nach keine gravierenden Mängel, und wer mit dem Preis nicht leben kann, der läßt es eben. Ich werde wohl noch in ein paar Jahren von der himmlischen Triumph Speed Triple erzählen, die ich einmal fahren durfte und die mir höllischen Spaß gemacht hat.