aus bma 10/98

von Marcus Lacroix

Es ist nicht immer ganz einfach eine gute Einleitung zu einem Fahrbericht zu finden. Im Fall der neuen Triumph Legend TT nimmt allerdings der Hersteller dem armen Schreiberling die Arbeit ab. Triumph preist die Legend TT in der Werbung als neues Einsteigermodell an, und da haben wir doch einen guten Aufhänger für den Artikel.
Ein Einsteigermotorrad soll sie also sein, die (offen) 69 PS starke 900er. Bei diesen Werten schluckt der gerade volljährige Führerscheinneuling erst einmal kräftig und denkt wehmütig an die kleine 500er seiner Fahrschule zurück. Beim Kaufpreis schluckt er dann ein zweites Mal. 14.990 DM inklusive „Märchensteuer” und Fracht möchte ihm der freundliche Triumphhändler für den Dreizylinder abnehmen. Dabei kosten „typische” Einsteigermotorräder angeblich doch immer weniger als 10.000 DM. Auf den hier beschriebenen Einsteiger hat es Triumph offensichtlich nicht abgesehen. Der potentielle Käufer einer Triumph Legend TT wird sich eher in den Kreisen der etwas älteren, besser verdienenden Neu- und Wiedereinsteiger finden, die auf der Suche nach einem charaktervollen Motorrad sind, das sich von der Masse der „typischen” Einsteigermotorräder abhebt.

 

Sehen wir uns die Legend TT also etwas genauer an, die uns der Triumph Vertragshändler Udo Kölle aus dem Motorradhaus Lohrig & Kölle in Syke für vier Tage zur Verfügung gestellt hat. Ein ums andere Mal versetzt es den Betrachter in Erstaunen, wieviele verschiedene Motorradvarianten die Entwickler aus dem britischen Hinckley um ein und den selben Motor herum konstruieren. Das Dreizylinder-Viertakt-Aggregat treibt nicht nur die neue Legend TT an, sondern – in leicht veränderter Ausführung und Abstimmung – auch Maschinen wie den Streetfighter Speed Triple, die Klassiker Thunderbird und Thunderbird Sport oder die Reiseenduro Tiger.
Im Gegensatz zur Triumph Thunderbird wurde der Motor für die Legend TT mit schwarzem Pulver beschichtet und bekam eine neue Zündbox sowie eine andere Vergaseranlage. Mit dieser wollte Triumph die Trinksitten – sprich den hohen Benzinverbrauch – drosseln, der von einigen Fahrern kritisiert wurde. Diese Aufgabe wurde zufriedenstellend gelöst, denn die von uns gefahrene, auf stufenführerscheintaugliche 31 PS gedrosselte Triumph Legend TT genehmigte sich bei flotter Landstraßenfahrt vertretbare fünf bis fünfeinhalb Liter Superbenzin auf 100 Kilometer. Der 15 Liter fassende Stahlblechtank erlaubt neben der Montage eines Magnettankrucksackes also Etappen von über 250 Kilometern, bevor man mit dem mechanisch zu betätigenden Benzinhahn die drei Liter Reservesprit aktiviert.
Modifiziert wurde leider auch die Ansauggeräuschdämpfung. Das Schnorcheln des Luftfilters ist in dem Konzert der vielfältigen mechanischen Geräusche nun nicht mehr auszumachen. Wenigstens diese bleiben dem Triumph-Fan aber (vorerst) erhalten, denn auch die Auspuffanlage – übrigens eine alte Bekannte, nur daß sie an der Thunderbird Sport auf der rechten Fahrzeugseite verlegt wurde – hält sich mit Lebensäußerungen eher bedeckt. Aber so sind sie nun mal, die Zeichen der Zeit. Zurück zu den mechanischen Geräuschen. Ahnungslose Zeitgenossen könnten ihretwegen dem Triumphbesitzer einen kapitalen Motorschaden vorhersagen, doch dieser weiß es besser. Der Dreizylinder rasselt und klappert und läßt den Fahrer nie im Unklaren darüber, daß er gestartet wurde. Die Prozedur, die dazu notwendig ist, fällt gewohnt einfach aus. Den am linken Lenkerende montierten Chokehebel ziehen, ein kurzer Druck auf’s E-Starter-Knöpfchen und schon nehmen die drei Kolben, die beiden obenliegenden Nockenwellen und die restlichen Motorinnereien die Arbeit auf. Unangenehme Vibrationen erzeugt der Dreizylinder trotz seines rauhen Auftretens glücklicherweise nicht. Seine Spitzenleistung gibt der offene Motor übrigens bei 8.000 U/min, der gedrosselte bei 6.500 U/min ab. Die Drosselversion verspricht durch ein maximales Drehmoment von 65 Nm bei 2.000 U/min auch ein schaltfaules Fahren. Bei doppelt sovielen Umdrehungen produziert der ungedrosselte Motor nur ganze vier Newtonmeter mehr.
Auf der Landstraße bestätigt sich die Versprechung. Die 31 PS sorgen in Verbindung mit der kurzen Gesamtübersetzung für ein angenehmes Fahren. Ortsdurchfahrten werden problemlos im fünften – und damit letzten -Gang gemeistert. Lediglich bei schnellen Überholmanövern wünscht man sich etwas mehr Druck, denn bei einem solchen Sprint macht sich das recht hohe Gewicht der Maschine von 230 Kilogramm negativ bemerkbar. Der nötige Dreh am Gasgriff fällt bei der Drosselversion sehr kurz aus. Nur circa eine drittel Umdrehung liegen zwischen Vollgas und Standgas. Man gewöhnt sich allerdings recht schnell an den kurzen Weg, der aus der Drosselung über einen Gasschieberanschlag resultiert. Die 120 km/h-Markierung auf dem hübschen Tachometer wird wirklich flott erreicht, bis 140 geht’s noch, und was danach kommt, ist eher vom Gefälle oder dem Rückenwind abhängig. Das Fahrwerk zeigt sich von diesen Geschwindigkeiten gänzlich unbeeindruckt, was der Pilot allerdings nicht von sich behaupten kann. Er sitzt tief, ganze 74 Zentimeter vom Erdboden entfernt, in dem klassisch gestylten Motorrad und muß die Hände zum stark gekröpften Lenker hochheben. Die Fußrasten liegen vor der Sitzfläche. Diese Anordnung erinnert fast an einen Cruiser bzw. Chopper, und jeder der ein solches Gefährt schon einmal zwischen den Beinen hatte, weiß, daß die Sitzposition bei höheren Geschwindigkeiten und auf langen Strekken recht ermüdend werden kann. Auf der Legend TT ist das nicht anders, und vor allem für größere Fahrer ist die Maschine regelrecht unbequem, da man sich dem Fahrtwind nicht entgegenstemmen kann. Natürlich kommt es auch hier auf die Vorlieben des Einzelnen an. Eine Probefahrt kann jeder engagierte Triumphhändler anbieten. Fahrer und Fahrerinnen unter 175 Zentimeter werden sich dagegen auf der Maschine wohlfühlen. Auch für die Bequemlichkeit eines Beifahrers hat Triumph gesorgt. Der Soziusplatz gefällt durch seine gute Polsterung und die tief angebrachten Fußrasten. Gegen Aufpreis ist zusätzlich noch eine Sissybar erhältlich.
Die tiefe Sitzposition in Verbindung mit dem tiefen Schwerpunkt erzeugt von Anfang an ein Gefühl der Sicherheit. Der leicht beherrschbare Motor trägt ebenso dazu bei wie die Bremsanlage, deren Abstimmung dem Motorrad mehr als gerecht wird. Die einzelne Scheibe im Vorderrad läßt sich gut dosieren und bringt den Reifen erst bei kräftigem Zugriff zum Wimmern. Die Hinterradbremse arbeitet, so wie es sein soll, unauffällig und zuverlässig. Leider hat Triumph bei der Bremsanlage den Rotstift angesetzt und auf einen einstellbaren Bremshebel verzichtet. Daß kurze Leute oft auch kurze Finger haben, hat man in Hinckley dabei wohl vergessen. Auch nach einer Einstellmöglichkeit für den Bedienhebel der hydraulischen Kupplung sucht man vergebens.
Ebenso ergebnislos verläuft die Suche nach dem Bordwerkzeug, das sich erst im Zubehörkatalog findet. Eine Unterbringungsmöglichkeit bietet die Legend TT dafür unverständlicherweise nicht. Der nicht abschließbare Tankdeckel fällt dabei kaum noch ins Gewicht. Mit dieser Aufzählung sind die negativen Seiten der neuen Triumph aber auch schon fast ausgeschöpft.
Etwas sportlicher agierende Fahrer werden noch die eingeschränkte Schräglagenfreiheit bemängeln. Die Fußrasten bekommen beim Kurvenräubern schon mal Bodenkontakt, klappen aber brav ein und bringen den Fahrer somit nicht in Gefahr. Für Sportfahrer mit einem Hang zur Klassik bietet Triumph die deutlich besser für diesen Einsatzzweck geeignete Thunderbird Sport an.
Daß die Fußrasten überhaupt den Bodenbelag touchieren, liegt an dem Fahrwerk der Legend TT, denn es sträubt sich nicht gegen eine flotte Fahrweise. Die Telegabel ist straff abgestimmt und hält das Vorderrad auch auf schlechten Wegstrecken sauber in der Spur. Auf Straßen solcher Art kommt das hintere Mono-Federbein schon eher an seine Grenzen, denn die Feder ist zu weich. Offensichtlich wird das vor allem im Zweipersonenbetrieb, bei dem das Element auch schon mal durchschlägt. Die Möglichkeit zum Vorspannen der Feder ist zwar gegeben, doch die schlechte Erreichbarkeit der Einstellmuttern und das fehlende Werkzeug wird die meisten Motorradfahrer von einer solchen Aktion abhalten. Der Zubehörmarkt wird sicherlich schnell auf dieses Manko reagieren, und vielleicht entschließt sich ja sogar Triumph zu einer Änderung.
Die 17 Zoll-Speichenräder mit den polierten Alufelgen, die von der Firma Akront geliefert werden, harmonieren mit dem Fahrwerk, und die Bridgestone-Reifen in den vernünftigen Dimensionen 120/70 bzw. 160/60 tragen zu dem guten Handling und dem sicheren Fahrgefühl bei. Die Schräglagengrenze der Reifen wird aufgrund der schon erwähnten aufsetzenden Fußrasten auf trockener Straße nie erreicht. Aber auch auf nasser Straße verunsichern die Reifen den Fahrer nicht.
Ist die Triumph Legend TT denn nun ein Einsteigermotorrad, oder was?! Wer als Führerscheinneuling unbedingt einen gedrosselten Supersportler fahren will, wird mit einem anderen Modell sicher glücklicher, auf der anderen Seite kann man, wenn man ein nicht alltägliches, zuverlässiges Motorrad sucht, auch als „alter Hase” Gefallen an der TT finden. Alles ist wie immer eine Sache der eigenen Bedürfnisse. Die Legend TT ist für einen Einsteiger so gut geeignet wie (fast) jedes andere Motorrad. Für kleinere Menschen stellt sie jedoch eine ausgezeichnete Wahl dar. Auch der Motorradfahrer der für sein Geld eine hervorragende Verarbeitung und problemlose, zuverlässige Technik verlangt, kommt auf seine Kosten. Stufenführerscheinopfer dürfen sich über die gelungene Drosselung freuen und Klassikfans über das ansprechende Design. Daß Triumph der Legend TT – wie allen Triumph Motorrädern – eine zweijährige Garantie mit auf den Weg gibt, erleichtert die Entscheidung sicher ebenso wie die 10.000 Kilometer-Wartungsintervalle.
Wer sich bereits durch die Optik der Legend TT angesprochen fühlt, sollte sie unbedingt mal zur Probe fahren. Möglich ist dies z.B. bei Lohrig & Kölle in Syke (Telefon 04242/1092). Falls ein Passant dann meint, der Motor sei wohl hinüber, lächelt nur und sagt: das hört sich nur so an, das muß bei einer Triumph so sein.