aus bma 12/06

von Jens Möller

Triumph Daytona 675Triumph hat es sich wirklich nicht leicht gemacht. Nachdem man auf dem Motorradmarkt wieder richtig Fuß gefaßt hatte, wollte man die Japaner auch mal richtig herausfordern, und zwar in der Klasse der hochdrehenden 600er. Wird die Supersport-Weltmeisterschaft schon lange von Marken aus Fernost bestimmt, wollte Triumph mit der TT 600 auch in dieser Klasse mitmischen. Zwar stand die Teilnahme an der Weltmeisterschaft nicht im Vordergrund, dennoch wollte man den Basismaschinen dieser Klasse richtig Paroli bieten – und bekam als Quittung eine schallende Ohrfeige. Die Anfang des neuen Jahrtausend ins Rennen geschickte TT 600 wußte zwar durch ihre Bremsen und das gut funktionierde Fahrwerk zu gefallen, doch der Motor überzeugt nicht. Sind die kleinen 600er prinzipiell auf Höchstleistung ausgelegt, so muß bei hohen Drehzahlen auch Power vorhanden sein. Doch gerade in diesen Drehzahlregionen war die TT 600 eine Luftpumpe. Es folgte zum Jahr 2003 die Daytona 600. Kantiger, mit mutigem Design, sollte sie den Boden auf die Konkurrenz endlich gut machen. Doch die Probleme blieben die gleichen, auch weil die Nipponware über die Jahre immer weiter entwickelt wurde, mittlerweile locker bis zu 115 PS aus 600 ccm preßte. Triumph schob zwar mit der Daytona 650 noch eine Hubraumaufstockung ähnlich wie Kawasaki mit der ZX-R 636 nach, der durchschlagende Erfolg blieb aber aus.

 

In Hinkley besannen sich die Mannen um John Bloor dann endlich ihrer Wurzeln und schufen für 2006 die Triumph Daytona 675 Triple. In die Tonne mit Supersportregelments und scheinbar festgelegten Marktgegebenheiten, wird man sich in Britannien wohl gedacht haben. Nun stehen nur noch drei flüssigkeitsgekühlte Zylinder vor einem, die zusammen genau 675 ccm Hubraum mit Luft und Benzin füllen. Diese Bauart brachte beim Design der Verkleidung auch einen ganz entscheidenden Vorteil mit sich: Die Wespentaille. Schmal und schlank steht die Daytona 675 vor einem, luftig hebt sich das Heck dank der perfekt integrierten Auspuffanlage in die Höhe. Also schnell zu Vertragshändler Thomas Wahlers, ins Büro gestürmt und ihm den Schlüssel aus der Hand gerissen. Ich will fahren!
Triumph Daytona 675Und gleich die erste Überraschung. Neigen 600er neueren Baujahrs zu immer kompakteren Formen, so hat Triumph diese Entwicklung perfekt umgesetzt. Das bedeutet: Hintern hoch, Stummel tief, und ein möglichst kurzer Tank für einen nahe am Lenkkopf sitzenden Fahrer. Dieser freute sich dann auch über die 840 mm Sitzhöhe, auf die er sein Hinterteil wuppen durfte, erschrak aber bei den nur einen Zentimeter höheren Lenkerstummeln. Wer nicht ganz das Gardemaß von zwei Metern wie der Tester mitbringt, dem fällt dieser Liegestütz ungleich leichter. Als Tip seien hier noch Birnen und fettarmer Joghurt empfohlen, damit der Wanst nicht an den Tank schlägt und man bei über 250 km/h Höchstgeschwindigkeit wenigstens etwas Windschutz hinter der flach ausfallenden Verkleidungsscheibe genießen kann. Kurzgewachsene müssen sich von der Sitzhöhe nicht abschrecken lassen, denn die Bank ist schmal geschnitten, Füßeln kann somit also entfallen. Hat man seine Gräten auf der Heizfeile verteilt, empfängt einen das umfangreiche Cockpit mit einer kleinen Lichterorgel. Wie bei der Triumph Speed Triple ist der Schaltblitz einstellbar und signalisiert das Erreichen der Schaltdrehzahl durch mehrere blauweiß-schimmernde Lämpchen. Wer es genau wissen will, kann mit Hilfe der Anzeigen seine Rundenzeiten kontrollieren, Wegstrecke messen oder sich die Zeit anzeigen lassen. Infotainment auf höchstem Niveau.
Doch nun soll der Motor zeigen, was er kann. Satt brabbelt die Daytona 675 Triple im Stand vor sich hin. Glücklicherweise wird auch beim Kaltstart die Drehzahl nur wenig angehoben, so daß kreischende Standgasdrehzahlen entfallen. Ersten Gang ins angenehm weich zu schaltende Getriebe gedrückt und losgedüst. Leicht pfeifend untermalt der Auspuff dabei Drehzahlen bis 5000 U/min. Wer die rechte Hand in Richtung Sturm weiter dreht, erntet nicht nur ein schaurig-schönes Klanggewitter aus Ansaugen und Auspuffen, sondern wird auch mit klassenunüblichem Vortrieb belohnt. Obwohl die Triumph nicht mehr in die 600er-Klasse paßt, ist ein Vergleich schon sehr aufschlußreich. Beginnt deren wahres Leben oft erst kurz vorm fünfstelligen Drehzahlbereich, so schiebt die Triumph im Schnitt schon 2-3000 U/min vorher ordentlich voran, ohne oben raus an Qualm zu verlieren. Das sie aufgrund der Einzelhubräume nicht die Drehzahlgier einer Yamaha R6 aufweist, dürfte klar sein. Fürs Fahren bedeuted das: Mit etwa 6000 U/min locker am Scheitelpunkt der Kurve hängen, und sich dann mit sattem Zug am Gas bis zum Erreichen der 125 PS bei 12500 U/min nach vorne katapultieren lassen.
Triumph Daytona 675 Alles völlig streßfrei und locker. Dazu trägt natürlich auch das mit 72 Nm bei 11750 U/min anstehende hohe Drehmoment bei, genau wie das sanfte Ansprechen des Triples bei Gasgriffänderungen. Nur äußerst sensible Naturen mögen einen Hauch von Lastwechselschlag feststellen, dieser liegt aber weit unter dem von anderen Einspritzern bekannten Ruckeln. Genau so problemlos, wie die Daytona 675 die schnelle Runde mitmacht, funktioniert sie auch im Alltags- und Stadtbetrieb. Schon wenig über Standgas nimmt der Motor auch in hohen Gängen sauber das Gas an. Kupplung und Getriebe funktionieren auch weich und exakt, was den Umgang nochmals erleichtert.
Zu diesem problemlosen Alltagsgebaren tragen auch Fahrwerk und Bremsen einen großen Teil bei. Mit ausreichender Dämpfung vorne wie hinten gesegnet, nehmen die 110 und 130 mm messenden Federwege selbst sportliches Treiben nicht krumm, ermöglichen aber auch sensibles Ansprechen auf Flickstellen und drittklassigen Asphalt. Und wem das Setup partout nicht paßt, der kann sich an den voll einstellbaren Federelementen mitsamt veränderbarem Schwingendrehpunkt ja auch noch nach eigenem Gusto austoben.
Ähnlich verhält es ich mit den Bremsen. Zwar kann man die hintere, 220 mm messende Scheibe mit ihrem Einkolben-Schwinnsattel, getrost vergessen, da die Wirkung äußerst defensiv ausgelegt wurde. Die vordere Anlage entschädigt aber dafür. Triumph hat mit den beiden 308 mm großen Scheiben samt radialen 4-Kolbensättel und radialer Handpumpe voll ins Schwarze getroffen. Für gutes Bremsvermögen war man auf der Insel schon vorher bekannt, die Anlagen verzögerten teilweise jedoch sehr progressiv. An der Daytona 675 wurde aber eine voll alltagstaugliche Auslegung gewählt, die auch den Sportfahrer zufrieden stellt. Wunderbar linear steigt die Bremsleistung parallel zum Zug am Handhebel an, und das dank Stahlflexleitung mit glasklarer Dosierbarkeit. So gelingen perfekte Bremspunkte ohne Überschlaggefahr. Wobei hier nochmals die 41er Upside-down Gabel hervorgehoben werden muß. Auch bei starker Verzögerung stellt sie sich den Kräften wirkungsvoll entgegen, ohne ihre Reserven ganz aufzubrauchen. Klasse. So macht Landstraßensurfen richtig Spaß. Und vom neudeutsch genannten Kickback steht auch nichts zu befürchten. Der serienmäßig montierte Lenkungsdämpfer unterbindet Lenkerschlagen wirkungsvoll und hat keinen negativen Einfluß auf das federleichte Handling des vollgetankt 196,5 kg schweren Motorrades.
Dazu trägt auch die sehr sportlich gewählte Erstbereifung bei. Die Triumph Daytona 675 rollt serienmäßig auf Pirelli Supercorsa Pro. Profil? Fast Fehlanzeige. Zwar verwöhnen die Pneus mit wunderbarem Feed-back und Haftung bis zu den Ohrläppchen, brauchen dafür aber ordentlich Temperatur und trockenes Wetter. In unseren Breitengraden leider nicht immer selbstverständlich. Genau wie die kleinen Unzulänglichkeiten, die sich an der ansonsten pikfein verarbeiteten Triumph eingeschlichen haben. So stehen die Schrauben der Verkleidungsscheibe teilweise weit nach innen raus und scheinen dadurch unterschiedlich lang zu sein. Das muß nicht sein. Unverständlich bleibt auch der Ölpeilstab. Ist man mittlerweile bei Motorrädern neueren Baujahrs mit Ölwanne ein Schauglas gewöhnt, griff man bei der Daytona 675 auf einen Peilstab zurück. Dieser sitzt aber nicht an der Einfüllschraube, sondern findet sich extra etwas tiefer angebracht. Nicht gerade wartungsfreundlich und umständlich in der Bedienung.
Aber egal, was zählt ist, was hinten rauskommt, und da kann die Triumph voll überzeugen. Außerhalb der anfangs geäußerten Klasseneinteilung bietet sie genau so viel Motorrad, wie man braucht, um sportlich gefordert zu werden, ohne dafür immer mit mehr als 10000 Touren unterwegs zu sein. Leistung und Fahrwerk lassen sich perfekt nutzen und werfen keine Rätsel auf. Gleichzeitig überfordert die Triumph aber nicht wie die aktuellen 1000er, die sich, realistisch gesehen, nicht mal auf der Rennstrecke auch nur ansatzweise von Amateuren nutzen lassen.
So steigt der Redakteur nach drei Testtagen mit einem Lächeln von der per G-Kat und Sekundärluftsystem gereinigten Triumph und sagt brav „Danke” für den gebotenen Spaß. Der wurde auch durch den Verbauch von durchschnittlich sieben Litern Super auf 100 km nicht getrübt. Was fehlt, sind nur noch die 10150 Euro plus 240 Euro Nebenkosten, die zwischen uns am Ende der Dienstfahrt standen. Zuviel? Nein, angemessen und wohl angelegt für sportlich lenkende und denkende Kradler. Ich habe mir nach der triumphalen Erquickung das heiße Körnerkissen in den Nacken gelegt, bin wieder zu ihr in die Garage gegangen und in Blicken versunken. Auch wenn Schönheit subjektiv ist, ich hatte dich gern bei mir, kleiner Schluchtenflitzer.