aus Kradblatt 6/17
von Torsten Thimm  –  #LifeisaRide

Der Union Jack Bobber 

Triumph Bonneville BobberDer Bobber, ein amerikanisches Relikt aus dem letzten Jahrhundert möchte man meinen und doch so stylish wie lange nicht. Ausgerechnet die Engländer, also Triumph gehen diesen Weg in einer serienmäßig nie dagewesenen Art und Weise und geben dem Kind auch gleich den richtigen Namen ,,Bonneville Bobber‘‘.

Triumph Bonneville Bobber von links mit TorstenEs ist ein frühlingshafter Montagmorgen, als ich mit dem Anhänger am Auto aufbreche, um direkt bei Triumph Motorrad Deutschland in Rosbach vor der Höhe, eben diese neue Maschine abzuholen. Dabei gehen mir viele Gedanken durch den Kopf! ,,Brutal Beauty‘‘ haben sie dieses doch eher zierliche Motorrad Ende des letzten Jahres bei der Präsentation genannt. Brutal – wohl eher ein Wort, das zu einer V-Max oder Ducati Diavel passen würde, als zu diesem wassergekühlten Reihentwin mit 1200 ccm und 77 PS Leistung. Vielleicht liegen die Brutalitäten ja versteckt im Detail, der 106 Nm die dieser ebenfalls als High Torque benannte Motor bei um die 4000 Umdrehungen drückt, wer weiß.

Triumph Bonneville Bobber rechte SeiteBeim ersten Kontakt und Probesitz in der Frankfurter Werkshalle, am Abend der Vorstellung, spürte man dieses gewisse Knistern in der Luft. Ein Knistern, dass hier etwas ganz anderes, etwas neues und unerwartetes die Motorradwelt bereichern wird. Und so kam es dann auch, denn eins jedenfalls ist schon vor der ersten Fahrt mit ihm klar, er ist ein bisher einzigartiges Seriendesignstück, was es so nur bei den Briten aus Hinkley zu kaufen gibt.

Triumph Bonneville Bobber Cockpit und Armaturen

Das Krad ist mit einer Menge Emotionen aufgebaut worden, toll gemachte Features wie der einstellbare, freischwebend über dem Hinterrad wirkende Singlesitz und auch das nachempfundene Starrrahmendesign. Die Linien der Silhouette sind im Fluss von der Lampenspitze, über die aus Metall gefertigten Schutzbleche, bis zum LED Rücklicht. Dabei integriert sich auch der schick gemachte, in der Neigung verstellbare und sehr klassisch anmutende multifunktionelle LCD-Instrumentenblock mit analogem Tacho. Ja durchweg könnte man sagen hier wurden hochwertige Materialien verarbeitet – sieht man mal von der Rücklicht-Nummernschildkombination am Heck ab, da geht noch was …

Triumph Bonneville Bobber ZündschlossFast schon obligatorisch ist zu sagen, dass auch hier die Wasserkühlung sowie der Kat ebenso sauber verlegt und versteckt wurden, wie bei den restlichen klassischen Modellen der Baureihe.

Auf dem Rückweg beobachte ich das Motorrad dann immer mal wieder durch den Rückspiegel des Autos, genieße den Anblick und überlege mir wie sich dieses Bike wohl nun tatsächlich auf der Straße anfühlen wird?

Zu Hause angekommen geht dann auch alles recht schnell vonstatten. Abladen, Mittagessen und ein kurzer Blick auf die E-Mails, bevor ich gefühlte Sekunden später in Motorradmontur auf ihm sitze und vom Hof fahre.

Triumph Bonneville Bobber BatteriekastenDer Sattel fühlt sich im ersten Moment noch etwas ungewohnt an und sofort fällt mir auf, dass die Füße nicht so richtig ihren gewohnten Platz finden wollen. Naja stelle ich die Fersen eben auf dem Hitzeschutz des Auspuffs ab, dafür ist er ja wohl da. Sonst passt es aber und wie bei den letzten Triumphs, die ich testen konnte üblich, passen auch hier die Längen- und Größenproportionen zwischen meinen Armen, dem Oberkörper und der Maschine. Bodenkontakt ist bei einer Sitzhöhe von gerade mal 69 cm selbstverständlich reichlich vorhanden und daher lassen sich die 228 kg Gewicht auch einfach dirigieren.

Triumph Bonneville Bobber Schwinge und ABSBeim Fahren merkt man davon sowieso nichts mehr, denn erstens lenkt einen dabei der satt vor sich hin blubbernde Motor ab und zweitens geht es durch die Reifenpaarung 110-90/19 vorne und 150-80/16 hinten ganz lässig ums Eck. Avon sei Dank, die hierfür extra einen passenden Reifen angefertigt haben. Der Lenker ist gut gekröpft, könnte durchaus aber noch etwas breiter sein. Er unterstützt aber das ganze Konzept trotzdem sehr gut und wer mehr möchte findet es im After Market.

Die Stadt jedenfalls liegt schon mal hinter uns und durch seine verströmende Leichtigkeit beim Fahren gewöhne ich mich sehr schnell an den britischen Gentleman, während die frühlingshafte und mit Rapsfeldern übersäte Landschaft an uns vorbeigleitet. Kurve über Kurve geht es quer durch die erwachende Natur, als wäre man auf einem Nackedbike und gar nicht auf einem flachen Bobber unterwegs.

Doch was ist das? Gerade einmal 110 Kilometer gefahren und schon beginnt die Tankanzeige im Cockpit vor mir zu leuchten. Hatte ich da etwa vergessen aufzutanken? Über den Taster am linken Lenkerende verschaffe ich mir im digitalen Bereich des Instrumentes Gewissheit. 5,0 bis 5,3 Liter Verbrauch bei 9 Liter Tankinhalt ergibt eine Zahl, die einem eine gesunde Pausenzeit förmlich aufdiktiert.

Triumph Bonneville Bobber (Foto Triumph/Werk)Nun gut, dem Konzept entsprechend ist der Bobber für die große Reise sowieso nicht gedacht, denn andere Bereiche meines Körpers melden sich ebenfalls ziemlich deutlich. So lässig und entspannt die Fahrerhaltung auch auf den Bildern aussehen mag, sie ist es nicht. Als Fahrer hat man eine ständige Anspannung im Schulter-/Nackenbereich, die sich nach einer längeren Tour bemerkbar macht. Doch seis drum, es ist nur ein Jammern auf hohem Niveau und ein anderer Fahrer wird es womöglich ganz anders empfinden.

Heute ist ein wunderschön, sonniger Frühlingstag und nach dem Tanken und einem Cappuccino geht es mit dem sportlichen Cruisen weiter.

Zwischen 2500 und 4000 Umdrehungen fühlt sich die Triumph stets füllig aber keineswegs brutal an. Das genügt um zügig voranzukommen bevor diese Woge bei 6100 Umdrehungen abebbt. Braucht es mehr? Nein, da hier, wie bei den anderen Modellen der Triumph Classics, ganz klar das Augenmerk auf dem Drehmoment liegt. Dieses ist wirklich reichlich vorhanden auf den kurvigen Landstraßenstrecken.

Triumph Bonneville Bobber high & low (Foto Triumph/Werk)Mittlerweile hat die Mittagssonne ihren Horizont überschritten und ich trete den Heimweg an. Aus Hirschhorn raus in Richtung Rothenberg kommen wir in den Kurvenflow dieser 20 Kilometer langen Strecke. Das Vertrauen in das gut abgestimmte aber nicht groß einstellbare Fahrwerk verleitet zu der einen oder anderen flotteren Kurve, was die Fußrasten irgendwann mit einem sehr aggressiven Schrabben über den Asphalt quittieren. Im Verhältnis zu anderen Maschinen dieses Genres muss aber gesagt werden, dass es lange dauert bis die Funken fliegen.

Also wieder zurück in den Crusingmode. Und wo wir schon gerade mal bei Modes sind! Davon besitzt der Bobber zwei. Einen Road- und einen Rain-Mode, beide sehr sauber auf ihre Einsatzzwecke abgestimmt, wie im Übrigen auch die abschaltbare und im Hintergrund arbeitende Traktionskontrolle. Das Gesamtpaket wird dann noch durch eine ABS unterstütze Bremse abgerundet. Modern eben. Die eine Scheibe am Vorderrad reicht hierbei durchaus, benötigt aber beim richtigen Ankern eine ordentliche Handkraft, wie sich im einen oder anderen Streckenabschnitt zeigt. Beinahe überflüssig zu erwähnen, dass die Weiten der Handhebel sich triumphüblich serienmäßig auch hier auf beiden Seiten einstellen lassen.

Mit der langsam am Horizont untergehenden Sonne rolle ich durch die letzten gemäßigten Kurven zurück nach Hause. Genieße dabei noch einmal den Druck des hubzapfenversetzten und wassergekühlten Twins und das gelungene Design in den Schaufenstern die vorüberziehen. Der Klang aus dem 2 in 2 Auspuff aus gebürsteten Edelstahl unterstützt die gesamte Szenerie, denn tief sonor hallt es von den Häuserwänden zurück. Ein schönes Gefühl am Ende eines schönen Tages.

Mein Fazit nach mehreren Touren am Ende der Testzeit lautet:

Die Brutal Beauty ist weniger brutal als vielmehr eine echte Beauty, mit ein paar Ecken und Kanten. Keine miesen oder fiesen Überraschungen, vielmehr ein ehrliches, modernes Motorrad mit dem Charme des letzten Jahrhunderts. Und das macht an und richtig Lust darauf sie zu fahren. Es verleiht dem Bobber neben seinem einzigartigen Design den dazugehörigen Charakter und macht ihn zu etwas Besonderem. Der Startpreis von 12.500 Euro entspricht dann auch dem gebotenen und wird durch das triumpheigene Zubehörprogramm bestens unterstützt. So lässt sich die Maschine prima für den eigenen Geschmack direkt ab Werk individualisieren – als Flacheisen ebenso wie mit Ape-Hanger.

Der Blick muss also nicht immer über den großen Teich gehen, wenn es um die Leidenschaft geht mit einem Cruiser durch die Gegend zu fahren. Auch die Briten können das sehr gut. Schaut einfach mal bei eurem Triumph-Dealer für eine Probefahrt vorbei oder erfreut euch einfach am Anblick des Bobbers …

TECHNISCHE DATEN:

Hubraum: 1.200 cm³
Bohrung/Hub: 97,6 / 80 mm
Nennleistung: 77 PS bei 6.100 U/min, Max. Drehmoment: 106 Nm bei 4.000 U/min
Kupplung: Mehrscheiben-Nasskupplung mit Drehmomentunterstützung
Getriebe: 6-Gang
Rahmen: Stahlrohr-Schleifenrahmen
Hinterradschwinge: Stahlrohr-Zweiarmschwinge
Radstand: 1510 mm
Räder: 32 Speichen, Stahlfelgen, vorne 19 x 2,5 Zoll, hinten 16 x 3,5 Zoll
Federweg: vorne/hinten je 120 mm
Kraftstoffverbrauch: 4.1 l/100km