aus bma 08/05

von Klaus Janßen

Triumph Bonneville 750 Silver Jubilee Als Jugendlicher ließen mich die Bikes Made in Great Britan, die damals noch als schwere Maschinen galten, nicht aus ihrem Bann, aber woher stammt der Beiname Bonneville? Am 6. Sept 1956 fuhr Johnny Allen auf einer Triumph T120 mit 650 ccm den sagenhaften Rekord von 345 km/h auf dem Bonneville Salzsee in Uhta/USA. Dieses Ereignis gab genug Anlaß, den Triumphmodellen mit zwei Vergasern den Beinamen Bonneville zu geben.
Ich sah mir die Triumph Motorräder immer wieder beim örtlichen Motorradhändler an. Doch es dauerte noch viele Jahre und viele Tausend km Umwege, bis ich zu meiner Bonneville kam. Alle meine Freunde rieten mir immer wieder von den Briten Bikes ab. Die lecken Öl und wären ohnehin immer kaputt. Zudem würde man sich etliches Zollwerkzeug anschaffen müssen. Die Ersatzteilversorgung wäre schlecht, da die Engländer eh nur streiken würden. In der Fachpresse verfolgte ich traurig den Niedergang der Triumphwerke. Doch irgendwann sah ich meine Triumph Bonneville im Kleinanzeigenteil der örtlichen Tageszeitung. Nach einer kurzen Besichtigung mit fachkundiger Unterstützung und ein bißchen Verhandeln konnte ich nicht mehr länger wiederstehen. Diese Bonneville war in einem hervorragenden unrestaurierten Originalzustand. Es war sogar eine von den wenigen Triumph Bonneville 750 Silver Jubilee. Dieses Sondermodell wurde 1977 zu Ehren des 25-jährigen Thronjubiläums der Queen aufgelegt.

 

Diese limitierte Ausgabe der Bonneville bestach durch ihre liebevolle und schöne Lackierung in silber-blau mit roten und weißen handlinierten Zierlinien. Sogar die verchromten Felgen waren in der Mitte blau lackiert und mit weißen und roten Zierlinien abgesetzt. Die Seitendeckel des Motors waren bei dieser Bonneville serienmäßig verchromt. Je eintausend Jubilee-Bonnies wurden in Großbritanien und den USA verkauft. 400 Exemplare gingen auf andere Exportmärkte.
Triumph Bonneville 750 Silver Jubilee Wer einmal eine Norton oder eine Triumph gehört hat, weiß sicher wie schön ein Motorrad klingen kann. Als ich einmal an einem Sonntagmorgen um neun zum Frühstück eingeladen war, hielt ich noch schnell bei einem Bäcker an um Brötchen für das Frühstück zu kaufen. Nachdem ich aus dem Laden kam und meine Bonnie wieder zum Leben erweckte, kam ein Blumentopf und eine Ladung Wasser irgendwo aus den oberen Geschossen auf mich herabgestürzt. Wie gut, daß man als Mopedfahrer einen Helm auf hat. Nicht alle Zeitgenossen haben etwas übrig für britisches Industriekulturgut auf zwei Rädern. Der satte Twin- sound war wohl etwas zu kräftig für einen Sonntagmorgen. Auch bei der TÜV-Abnahme war mir ein Automobilist nicht wohlgesonnen. Der Ingenieur im grauen Kittel war vom technischen Zustand meiner Bonneville begeistert und bescheinigte: Ohne Mängel, Prüfung bestanden. Nur ein PKW-Fahrer meinte: „Diese Maschine würde ja wohl nicht durch den TÜV kommen, die wäre ja wohl viel zu laut.” Der kundige TÜV-Ingenieur klärte den intoleranten Autofahrer gleich auf und erwiderte: „Dieses Krad darf sich nach den geltenden Bestimmungen so anhören und es ist ohne Mängel durch die TÜV-Prüfung gekommen. Ob sein PKW durch die Prüfung käme, müßte sich erst noch zeigen.” Der Autofahrer verstummte und wartete nun in der Schlange bis er dran war.
Das Fahren einer Bonneville erfordert viel Gefühl und etwas beherzten Krafteinsatz. Vorm Starten müssen die Schwimmerkammern der Amalvergaser mittels tippen ausreichend geflutet werden. So ist sichergestellt, daß die Zeigefinger auch mit Kraftstoff in Berührung kommen und den Benzingeruch nicht so leicht wieder verlieren werden. Auf den Einsatz des Chokes kann getrost verzichtet werden. Ich habe die Chokes aus den Amal-Vergasern meiner Bonnie sogar ganz entfernt. Nun die Zündung einschalten. Wenn die Vergaser voll sind, springt die Bonneville in der Regel beim ersten beherzten Tritt auf den Kickstarter an.Triumph Bonneville 750 Silver Jubilee
Das Kuppeln, Schalten und Bremsen erfordert im Verhältnis zu neumodischen Bikes etwas mehr Kraft und Weitsicht. Die Geräuschkulisse des Motorlaufes ist etwas rauer und lauter als bei heutigen Motorrädern. Der Klang der Auspufftöpfe ist einfach wunderschön. Die Vibrationen des Twins, die sich auf das gesamte Krad übertragen, halten sich in Grenzen. Die Scheibenbremsen der ersten Generation erfordern etwas Handkraft und eine vorausschauende Fahrweise. Hinzu kommt, daß ich die Bonnie auf Grund meines Handikaps (Amputation des linken Beines) auf Handschaltung umbauen mußte. So erfordert auch das Schalten des sehr präzisen Fünfganggetriebes etwas mehr Kraft in der linken Hand. Die Sitzhaltung auf der Bonnie ist je nach Wahl des Lenkers sportlich nach vorn geneigt (Flachlenker), easy amerikanisch (Hochlenker), oder very konservativ britisch (Eurolenker). Die konservative Sitzhaltung läßt ein bequemes Touren, als auch eine schnelle Gangart zu, bei der das Motorrad jederzeit gut zu kontrollieren ist. Die Kurvenlage ist stabil und handlich, so daß manch Joghurtbecher die Bonnie auch mal von hinten zu sehen bekommt. Das Fahrwerk ist für meine Bedürfnisse ausreichend abgestimmt, lediglich die hinteren Federelemente habe ich durch Federbeine von Hagon ersetzt. Die Fahrleistung von ca. 50 PS aus 744 ccm sind für heutige Verhältnisse sicher nicht spektakulär, aber für mich mehr als ausreichend. Außerdem ist die Kraftentfaltung bei solch einem Motorrad urwüchsiger und wird viel intensiver wahrgenommen als bei zeitgemäßen High-Tech Motorrädern. Die Spitzengeschwindigkeit ist zwar im Vergleich zu modernen Bikes nicht mehr atemberaubend, jedoch für mich nicht von Bedeutung. Die Autobahn war noch nie das Terrain zum Motorradfahren. Klassische Motorräder wollen auf Landstraßen mit möglichst vielen engen Kurven bewegt werden. Der Kraftstoffverbrauch ist für heutige Verhältnisse dank der Amal-Vergaser sicherlich nicht beispielhaft. Bei meiner Bonnie müssen noch die Ventilsitze erneuert werden, damit auch bleifreies Benzin getankt werden kann.
Triumph Bonneville 750 Silver Jubilee Die Amal-Vergaser können auch schon mal zu kleinen Problemen führen. Sie neigen dazu, in der Vollgasstellung zu klemmen, was plötzlich und unerwartet den Adrenalinspiegel in die Höhe treibt. Zur Zeit habe ich dieses Problem im Griff. Ich sträube mich noch dagegen, moderne Vergaser an die Bonnie zu schrauben. Die Zündung habe ich jedoch auf eine kontaktlose Anlage von Boyer umgerüstet. Die geniale Konstruktion Edward Turners von 1937 erfreut auch heute noch mein Herz bei jedem Kolbenschlag. Motorräder der modernen Joghurtbecherära sind schnell vergessen, wenn das Verfallsdatum ihrer bunten Verpackung überschritten ist. Motorräder vom Schlage einer Norton Commando, BSA Gold Star oder Triumph Bonneville werden noch Jahrzehnte die Herzen der Klassikliebhaber höher schlagen lassen. Es gibt auch heute noch einen bestimmten Schlag von Motorradfahrern, die einen Sinn für das klassische Motorrad haben. Aus meiner Sicht fehlt den Retro-Klassikern jedoch das gewisse Etwas an Charakter. Sie sind zu perfekt. Sie haben zu viel moderne Technik. Zu viel E-Starter und zu wenig Kickstarter. Etwas weniger statt mehr und ein bißchen unverwechselbarer Klang würde so manchem Motorrad gut bekommen. Eigenständiges Design und nicht abkopieren ist gefragt. Mehr Motorrad pur, mit simpler Technik, fehlt im heutigen Angebot.
Aus diesem Grund wird so mancher Fahrer eines Klassikers noch lange an seinem Motorrad festhalten. Vielleicht gefällt mir auch einfach nur die britische Lebensart. Stärken nicht nach außen hin zu zeigen, diese lieber im Stillen zu genießen. Mit einem gewissen Maß an Unzulänglichkeiten und Erschwernissen umzu- gehen und zu leben, diese besonderen Eigenheiten auch noch zu lieben und sich daran zu erfreuen (britisches Understatement).
Auf jeden Fall lohnt es sich bestehende klassische Werte mit Charakter zu erhalten, auch wenn es sich dabei nur um ein Motorrad handelt.