aus bma 11/03

von Marcus Lacroix

Boom Lowrider„Nächste Woche bekomme ich ein Trike für einen Fahrbericht – cool, wa?!” doch die Reaktionen meiner motorradfahrenden Umwelt fallen anders als erwartet aus. „Trike? Das ist doch voll peinlich!” oder „Trike? Viel zu gefährlich, unberechenbar die Teile. Pass bloß auf!”
Worte die mich etwas nachdenklich machten, denn eigentlich kann ich mich für alles Motorisierte begeistern. Zugegeben, der Spruch mit dem „peinlich” ist mir auch schon durch den Kopf gegangen. Die letzten Trikes die ich in freier Wildbahn sah, bollerten durch die eher ruhige Wildeshauser Innenstadt. Hochgelegte, ausgeräumte Trucker-Style-Auspuffanlagen mit Höllenlärm, Flitterlack, Typen und Sozias im Alter meiner Eltern, teilweise mit verchromten Wehrmachtshelmen auf dem Kopf. Als U40er (‘67 geboren) hofft man da inständig, vor Erreichen dieser Schmerzgrenze erschossen zu werden. Den Fahrern der Geräte hat es aber ganz offensichtlich Spaß gemacht. Entweder merkten sie schon nichts mehr, oder sie standen wirklich über den Dingen. Das zweite Statement, das Trike fahren gefährlich sein sollte, konnte ich hingegen nicht glauben. Schlimmer als Gespann fahren kann es doch eigentlich nicht sein, und dass Motorräder mit Beiwagen richtig Spaß machen können, weiß ich aus eigener Erfahrung.
Das Trike, über das wir hier berichten – ein Boom Lowrider – wurde uns vom Boom-Vertragshändler Dieter Wilkens aus 26123 Oldenburg zur Verfügung gestellt. Die Probefahrttage sollten uns ins Weserbergland führen, denn wir wollten nicht nur den Showfaktor eines Trikes testen, sondern auch eventuell vorhandene Tourerqualitäten aufdecken.

 

Mit den eingangs belächelten Flitterlack-Trikes der 80er Jahre hat das Gerät, das Dieter auf den Hof fuhr, auf den ersten Blick recht wenig zu tun. Ein Glück, denn das erspart einem zumindest schon mal das verspiegelte Inkognito-Visier. Der Erstkontakt mit dem Lowrider lässt da eher gänzlich andere Gedanken aufkeimen, denn das Teil sieht einfach geil aus. Ultraniedrig die Sitzhöhe des Fahrers (35 cm), extrabreit das Heck (186 cm) und megafett die Bereifung. An der Hinterachse stecken elegante 17-Zoll-Alufelgen mit unglaublichen 335/35er Gummis. Vorne gibt ein 230er Motorradreifen auf einer 15-Zoll-Felge die Richtung an – ein Format, das man bei vielen Bikes nicht mal hinten findet. Die Gesamtlänge von 3,60 Meter und ein Radstand von 2,35 Metern erreichen zwar nicht die Werte eines VW Polo, trotzdem wirken die Abmessungen des Lowriders imposanter.Boom Lowrider
Natürlich kann man ein Trike als „Kassengestell” bekommen, doch wird man davon wohl eher wenige sehen. Wie im Gespannbau oder bei Custombikes wird auch bei den Trikes großer Wert auf die ganz unterschiedlichen Wünsche und Ansprüche des Kunden gelegt. Bei der Ausstattung dieses Boom Lowriders hat Dieter Wilkens tief in die Extras-Kiste gegriffen und ein individuelles Fahrzeug nach seinem Gusto auf die Räder gestellt. Auffällig ist in erster Linie natürlich der allseits beliebte „böse Blick” der Frontansicht. Eine Streetfighter-Maske und das Boom-Jetlight-System tragen maßgeblich dazu bei. Während bei eingeschaltetem Fahrlicht nur die äußeren DE-Scheinwerfer für eine PKW-ähnliche Silhouette sorgen, flammt bei Fernlicht die ganze Lichtleiste auf und dürfte nachts in Verbindung mit den ständig leuchtenden Begrenzungsleuchten an den Kotflügeln für mittelschwere Irritationen bei den entgegenkommenden Fahrzeugführern sorgen. Besonders bemerkenswert dabei: nicht nur die an der Gabel montierte Lampenmaske leuchtet in Kurven hinein, auch das rahmenfeste Jetlight-System schwenkt seine Leuchten bei Kurvenfahrt. Sehr beeindruckend ist natürlich auch der VA-Beinschutzbügel, der das Trike optisch näher an die Straße bringt.
Das Heck des Lowriders wird von der breiten Hinterachse dominiert. Knapp dahinter hängt ein alter Bekannter, der für den Vortrieb sorgt: ein 1600er VW-Boxermotor, hinlänglich bekannt aus dem legendären Käfer (für die jüngeren Leser: nicht der New Beetle, sondern das Original – ein Relikt aus der Vergangenheit). Ein fetter VA-Bügel umschließt den Motor und die echt coole Sechsrohr-Dragster-Auspuffanlage, die die Abgase über einen U-Kat ins Freie entlässt. Die VA-Armlehnen des Soziusplatzes gehen in ein Gepäckträgersystem über, an das Dieter ein Topcase und Ledertaschen montiert hat.
Die erste Sitzprobe passt. Gut, die vor einem liegende Straße ist durch die sehr tiefe Sitzposition nicht in allen Bereichen einwandfrei einsehbar, aber da kann man sich ja drauf einstellen. Die Frage nach dem angeblich tückischen Fahrverhalten eines Trikes beantwortet Dieter mit einem Lächeln und den Worten: „Probier es aus, Du bist ja nicht ganz unerfahren”. „Na schönen Dank aber auch” denke ich mir. „Das kann ja interessant werden.”
Der Boxermotor startet tadellos durch Drehen des Zündschlüssels auf der Tankattrappe und brabbelt mit bekanntem Käfersound vor sich hin. Mit dem linken Fuß tritt man die Kupplung, die linke Hand legt den ersten Gang ein. Die Schaltung, mit PKW-üblichem H-Schema, findet man kurz unter der linken Pobacke, Gas wird mit der rechten Hand in Motorradmanier gegeben. Gebremst wird ausschließlich mit dem rechten Fuß, der die Kombibremse aktiviert (eine Scheibe vorne, zwei hinten). Den Händen wächst ein angenehm geschwungener 38mm-Lenker entgegen. Blinker- und Lichtschalter kommen vom Motorrad. Was hier vielleicht etwas kompliziert klingt, geht einem in der Praxis schon nach wenigen Kilometern leicht von der Hand. Lediglich an die enorme Breite muss man sich als Motorradfahrer erst einmal gewöhnen.
Boom LowriderDer Weg ins Weserbergland gestaltet sich äußerst entspannend. 90 bis 100 km/h auf der Landstraße sind allemal genug. Die Beine ruhen ausgestreckt auf dem Beinschutzbügel – fast liegt man im Trike. Streckt man sich ein klein wenig, kann man den vorbeihuschenden Asphalt mit den Fingern berühren und obwohl es sich bei dem Schraubfahrwerk der Hinterachse um die Boom-Sportversion handelt, kann man sich über mangelnden Komfort nicht beklagen. Die Einzelradaufhängung hinten und die geschobene Schwinge vorne leisten ganze Arbeit. Die gelungene Sitzpolsterung trägt ihren Teil zum Wohlbefinden bei und man steht relaxed schnell „über den Dingen”.
Mit einer Hand am Lenker lassen sich die meisten Kurven locker meistern und nur beim Abbiegen und später dann in den Höhenzügen von Wiehengebirge und Weserbergland ist etwas mehr Kraft gefragt. Das Fahrverhalten des Trikes ist dabei jederzeit problemlos und in keinster Weise tückisch. Auch intensive Versuche, den Lowrider auf trockener Straße beim Abbiegen und bei schneller Kurvenfahrt zum Ausbrechen, Wegschmieren oder Kippen zu bewegen, schlugen fehl. Reißt man wirklich sehr, sehr heftig am Lenkgeweih, zeugt leichter Geruch nach verbranntem Gummi von der erreichten Belastungsgrenze des Vorderradreifens. Trotzdem ließ er sich nicht zum unkontrollierten Rutschen bewegen. So richtig nasse Straßen hatten wir (glücklicherweise) nicht, doch wird das Trike auch hier bei angepasster Fahrweise wohl keine Probleme haben – Dieters Lächeln erklärt sich also von selbst.
Lowrider HeckansichtDie verschärfte Optik des Trikes sorgt allerdings für zwei Probleme, mit denen wir nicht gerechnet hatten. Zum einen kann man nirgendwo parken, ohne von irgend jemandem angesprochen zu werden. Es ergaben sich daraus einige nette Gespräche. Lediglich Jens, der den Trip auf einer Harley begleitete, hatte leichte Identitätsprobleme – unüblicherweise beachtete keiner das hübsche Milwaukee-Eisen. Das zweite Problem trifft einen als Motorradfahrer dafür schon härter. Der 1600er Motor ist, gemessen an dem, was man sonst gewohnt ist und gemessen an der Optik des Trikes, eine kleine Schlappwurst. Mit dem Registervergaser, den Dieter zu Testzwecken montiert hat, leistet das Aggregat zwar 60 PS, bei rund 700 Kilogramm Leergewicht ist das aber einfach zu wenig. Durch die Abstimmung des Vergasers verlangte der Motor außerdem nach hohen Drehzahlen, untenherum lief er zu Fett. Da wir meist im „Cruiser-Mode” unterwegs waren, killten wir beim untertourigen Fahren so prompt eine Zündkerze. Mit dem Serienvergaser sind nur 50 PS drin, allerdings locken Tuner aus den VW-Boxern auf Wunsch auch deutlich mehr Pferde heraus. In der Spitze lief unser Dreirad nur etwas über 130 km/h, zeigte sich dabei aber nicht als Kostverächter und schluckte zwischen 9 und 12 Litern Super-Sprit. Der Lowrider ist trotzdem absolut langstreckentauglich und würde auch weite Urlaubsreisen locker wegstecken. Mit Sozius wird höchstens das Stauraumvolumen etwas knapp. Andere Gepäcklösungen sind aber realisierbar.
Da das Trike bei Dieter Wilkens als eines von drei Trikes in der Vermietung läuft, belässt er es bei der relativ geringen Leistung. Speziell „Nur”-Autofahrer zeigen sich seiner Aussage nach manchmal schon mit einem 34 PS Trike überfordert. Motorradfahrer sind da einfach routinierter. Das Landstraßencruisen mit dem Lowrider macht aber auch ohne viele Pferdestärken richtig Spaß, und jeder, der nur ein wenig an der Materie interessiert ist, sollte sich mal für ein paar Tage ein Trike mieten.
Das Mieten eines Trikes ist auch eine gute Alternative für weniger betuchte Mitbürger. Wie große Motorradgespanne und edle Custombikes haben auch Trikes einen recht hohen Einstandspreis. Unser Vorführer, der von der Anhängerkupplung bis zum Radio noch viel mehr als die hier beschriebenen Extras hat, kostet knapp 25 Riesen. Neu legt man noch ein paar Scheine drauf. Wem der VW-Boxer zu antiquiert erscheint und wer partout – wie wir – mehr Leistung will, wird auch im Boom-Programm fündig. Trikes mit Zweiliter-Ford-Motoren mit 130 PS oder 1,4 bzw. 2,0 Liter-Motoren von Peugeot mit 75 respektive 140 PS sind lieferbar. Hier dürften die Fahrleistungen dann auch halten, was die Optik verspricht.
Mehr Infos zu dem Trike und über die Vermietung gibt es bei Trike Wilkens in Oldenburg, Nadorster Str. 184 unter der Rufnummer 0441/86594 und im Web unter www.trike-wilkens.de. Prospekte können auch direkt bei Boom unter www.boom-trikes.com angefordert werden.