aus Kradblatt 10/18
von Fabian Berg

Unbekannte Gefahr: Thrombose beim Motorradfahren

Die Reise geht weiter - Thrombose überlebt

Man sagt immer „mir passiert so was nicht“, bis es doch passiert. Ich möchte meine Geschichte erzählen, um auf ein Gesundheitsrisiko beim Kradfahren hinzuweisen, welches nichts mit Stürzen zu tun hat. Dies kann alle treffen, egal ob jung oder alt. 

Seit dem 30. Januar 2018 darf ich mich nun offiziell Motorradfahrer nennen. Als ich an diesem Tag meine Honda CRF1000D Africa Twin beim Händler holte strahlte ich über beide Ohren. Ich war richtig heiß darauf mit der Lady die Welt zu entdecken und in meinem jugendlichen Übermut plante ich bereits die ersten Reisen. 

Auf Tour mit der Honda Africa Twin Da man sich in der Schweiz als Lernfahrer im Inland alleine auf dem Krad frei bewegen darf, plante ich in meinen drei Wochen Ferien im März 2018 eine Tour durch die Schweiz, um mich auf die Motorradprüfung vorzubereiten. Gesagt getan. Nach einigen Um- und Anbaumaßnahmen an der neuen Maschine fuhr ich am 13. März los. Ganze 2500 Kilometer quer durch unser schönes Land ging ich auf Entdeckungsreise. Durch mehrere Klimazonen an einem Tag, über Berge und durch Täler. Klar waren die meisten Pässe noch geschlossen, aber das war mir egal. Ich wollte das Land entdecken und fuhr voller Euphorie und getrieben von meiner Abenteuerlust mehrere hundert Kilometer am Tag. 

Am 30. März kam ich völlig erschöpft aber überglücklich wieder in meiner Heimatstadt St. Gallen an. Natürlich tat mir alles weh, aber zu Beginn waren das schöne Schmerzen. Es war das Gefühl etwas geschafft zu haben. Strecke gemacht zu haben und mehr von unserem Land gesehen zu haben als viele andere. Nur dieser eine Schmerz in der Wade, der plagte mich …

Ich bin von Beruf Rettungsassistent bzw. Rettungssanitäter in der Schweiz und nachdem ich diese Schmerzen in der Wade schon eine Woche mit mir rumschleppte, fing ich an mir Gedanken zu machen. Anfänglich tat ich diese Schmerzen als eine Zerrung oder Muskelkater ab, konnte mir aber irgendwie nicht vorstellen, dass ich mir eine so heftige Zerrung vom Motorradfahren geholt habe. 

Nach einer Woche waren die Schmerzen dann plötzlich weg. Ich war irgendwie glücklich, wenn auch erstaunt. Zudem vergaß ich das Problem mit der Wade schnell wieder weil ich nun ein Ziehen im Brustkorb hatte. Es war wie ein Muskelkater in der Rippenmuskulatur. Da ich Tags zuvor aber Sport gemacht habe schob ich das natürlich wieder auf einen Muskelkater. 

Am 7. April wurden die Schmerzen dann schon heftiger und ich hatte Mühe mit der Atmung. Mit heißen Bädern, Massage und viel Schlaf versuchte ich meinem Körper etwas Gutes zu tun und zu entspannen. 

Am 8. April dann noch mehr Schmerz. Ich war an dem Punkt angelangt, an dem ich mit Schmerztabletten zur Arbeit ging. 

Am 9. April dann teils unerträgliche Schmerzen. Es musste etwas passieren. Ich ließ mich früher von der Arbeit ablösen und ging zu einem Chiropraktiker, weil ich wirklich der Überzeugung war, dass ich mir etwas eingeklemmt habe und sich das auch so anfühlte. Dieser manipulierte etwas hier und etwas da, aber die Schmerzen wurden nicht besser (außer die in der Schulter, die sind seither weg). Im Gegenteil, die Schmerzen in der Brust wurden immer schlimmer. Also rief ich meine zwei besten Freunde an und bat sie mich zu holen. Ich musste ins Spital. 

Röntgenbild - Thrombose beim Motorradfahren

Mittlerweile dachte ich nicht mehr an ein verklemmten Wirbel sondern mir war fast klar, dass da etwas anderes dahintersteckte. Im Spital dann der erste Hinweis: Fieber. Der Arzt war sich aber auch irgendwie nicht so sicher und nach einer falsch positiven Urinprobe stellte er die Verdachtsdiagnose einer Nierenbeckenentzündung (Pyelonephritis). Diese Diagnose sollte sich als Fehldiagnose herausstellen. Er schickte mich also mit Antibiotika und Schmerzmittel nach Hause. Da ich aber wirklich starke Schmerzen hatte wollte ich die Nacht nicht alleine verbringen, weshalb ich die beste Freundin fragte, ob ich bei ihr übernachten kann. Dies sollte mir das Leben retten. 

An die Nacht vom 9. auf den 10. April kann ich mich nur noch bruchstückhaft erinnern. Ich legte mich hin und wachte keine 30 Minuten später von den Schmerzen wieder auf. Diese waren nun aber so schlimm wie noch nie. Ich war absolut handlungsunfähig. Auf dem Boden zusammengekauert versuchte ich verzweifelt durch meinen sich verkrampfenden Brustkorb irgendwie noch ein bisschen zu atmen. Mir wurde schwindelig. In der Zwischenzeit hatte sie schon den Notruf gewählt und eine Ambulanz (meine Arbeitskollegen) kam mit lautem Tatütata angebraust. Das letzte was ich hörte war „vielleicht ist es eine Nierenkolik“. Dann kam auch schon das Fentanyl (das etwas stärkere Morphium) im Kopf an und alles wurde schwarz. 

Ich wachte im nächsten Spital auf und die süße Ärztin erklärte mir als aller erstes, dass wir nun verschiedene Untersuchungen machen werden um herauszufinden was nicht stimmt. Das hörte sich gut an, dachte ich. Wenigstens war ich weitestgehend schmerzfrei. Also Ultraschall von der Niere, nichts zu sehen. Röntgen vom Brustkorb, nichts zu … Moment, da stimmt was nicht. 

Irgendwie sähe das nicht normal aus, sagte die süße Ärztin. Ich sah darauf leider nicht viel, aber ich war ja auch nur Rettungssanitäter. Sie meinte, wir nehmen jetzt Blut ab und sie wolle die D-Dimere kontrollieren. 

Was das bedeutete wusste ich: Die D-Dimere sind ein Stoff, welcher bei einer Thrombose entsteht. Da dämmerte mir das erste Mal, was gerade passieren könnte. Eine Lungenembolie? Nein, dachte ich, mir passiert doch so etwas nicht. Ich bin gerade mal 25 Jahre alt. Und da kamen mir plötzlich wieder die Wadenschmerzen in den Sinn und mir wurde mulmig. Nach einer halben Stunde dann die Gewissheit: „Sie haben eine Lungenembolie, Herr Berg.“, sagte die Ärztin und rammte mir noch im Satz eine Spritze mit Blutverdünner in eine Hautfalte am Bauch. Da hatte ich meine Diagnose: Beidseitige Lungenembolie mit Pleuraerguss rechts. 

Fabian hat wieder gut Lachen :-)Nach drei Monaten Blutverdünner und mächtig Einbußen bei meiner körperlichen Fitness geht es mir wieder gut. Dennoch werde ich den Rest meines Lebens Risikopatient bleiben und muss auf langen Touren oder in anderen Risikosituationen wie Langstreckenflügen oder Bettlägerigkeit wieder Blutverdünner einnehmen. Daher nun mein Appell an alle die diesen Bericht lesen: MACHT PAUSEN!

Diese Diagnose hat mich ziemlich aus der Bahn geworfen und ich erzähle diese Geschichte hier nun um euch für dieses Thema zu sensibilisieren. Wäre ich in dieser Nacht auf den 10. April alleine gewesen, dann wäre ich womöglich heute nicht mehr. 

Auch wenn ihr es genießt auf dem Bike zu sitzen und womöglich mit eurer Maschine verreist, dann wollt ihr gerade am Anfang Kilometer machen um schnell wegzukommen. Aber ich kann euch nur empfehlen immer genug Pausen einzulegen. Ich fahre seither nie länger als 60–80 Minuten am Stück und bewege mich in den Pausen. Spaziere hin und her und trinke genügend. Da beim Motorradfahren die Beine viel stärker angewinkelt sind als im Auto stellen Langstrecken ein besonders hohes Risiko dar. So konnte ich die letzten 27.000 Kilometer in sechs Monaten ohne weitere Schäden genießen und erfreue mich wieder bester Gesundheit. 

Ich hoffe, ihr behaltet das für eure nächsten Langstrecken im Hinterkopf und bleibt gesund. Allzeit gute und sichere Fahrt, die Linke zum Gruß!